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Bauerochse, Andreas [Editor]; Haßmann, Henning [Editor]; Püschel, Klaus [Editor]; Schultz, Michael [Editor]
"Moora" - Das Mädchen aus dem Uchter Moor: eine Moorleiche der Eisenzeit aus Niedersachsen (Band 47): Naturwissenschaftliche Ergebnisse — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2018

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Säring, Dennis; Käsemann, Philipp; Scheuermann, Sascha; Jopp-van Well, Eilin; Wilkinson, Caroline; Jopp-van Well, Eilin; Säring, Dennis; Käsemann, Philipp; Scheuermann, Sascha: Computergestützte Schädelrekonstruktion der Moorleiche "Moora" - von der digitalen CT-Bildsequenz bis zur fertigen Replik
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https://doi.org/10.11588/diglit.68699#0120
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Computergestützte Schädelrekonstruktion der Moorleiche „Moora"

Fundes auch über die Landesgrenzen hinaus, hat sich
im Jahre 2008 eine Gruppe von Wissenschaftlern
unterschiedlicher Disziplinen zusammengefunden,
um detaillierte Analysen an der ältesten Moorleiche
Nordwestdeutschlands durchzuführen. Die Publika-
tion der ersten Ergebnisse dieser Untersuchungen
unter anderem aus den Bereichen der Radiologie,
der Rechtsmedizin sowie der forensischen Anth-
ropologie, erfolgte 2008 (Bauerochse et al. 2008).
Dort wurden auch die ersten Ansätze einer virtu-
ellen Rekonstruktion der Knochenfragmente mit
Hilfe aktueller Virtual-Reality-Techniken auf Basis
der vorliegenden computertomographischen (CT)
Bilddaten präsentiert. Die Ergebnisse dieser ersten
Rekonstruktion der Knochenfragmente bildeten die
Grundlage für weitere Fragestellungen, wie beispiels-
weise nach der ursprünglichen Position der Leiche
im Moor oder der vollständigen Weichteilrekonstruk-
tion, insbesondere des Gesichts. Die starke Fragmen-
tierung der Knochen durch die Torfstechmaschine
und die teilweise stark verbogenen, gebrochenen
und geschrumpften Knochenfragmente ließen eine
vollständige Wiederherstellung zu diesem frühen
Zeitpunkt der Untersuchungen nicht zu. Die ersten
Untersuchungsergebnisse ergaben weitere Fragestel-
lungen, die im Rahmen einer Wiederaufnahme der
Untersuchungen im Jahr 2009 geklärt werden sollten.
Die Arbeit beschreibt die einzelnen Schritte bis
zur vollständigen Rekonstruktion der Schädelkno-
chen der Moorleiche „Moora“, wobei insbesondere
die dafür notwendigen neuen Entwicklungen detail-
liert erklärt und die Ergebnisse der Rekonstruktion
präsentiert werden. Die Arbeiten sind in enger
Kooperation mit der medico-tec GmbH und dem
Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf (UKE) entstanden.
Die Grundlage für diese Arbeit lieferten
moderne bildgebende Verfahren wie die Computer-
tomographie (CT) und die Magnetresonanztomo-
graphie (MRT). Die Entwicklung der CT-Technik
bietet dabei die Möglichkeit, die vollständige räum-
liche Anatomie menschlicher Körper zu erfassen
und im Computer daraus virtuelle dreidimensio-
nale Modelle zu generieren. Dabei wird Röntgen-
strahlung eingesetzt, die durch unterschiedliche
anatomische Strukturen auf dem Weg durch den
Körper unterschiedlich stark absorbiert wird. So
werden Strukturen mit hohem Absorptionsgrad wie
beispielsweise Knochen im Vergleich zu ihrer Umge-
bung gut kontrastiert dargestellt. Bei „Moora“ stellt
sich durch die starke Entkalkung der Knochen in
Folge der Liegezeit im Moor dieser Knochenkontrast
teilweise nur noch sehr gering dar, was die genaue

Abgrenzung der Knochenfragmente zB. gegenüber
Haut- oder Haarstrukturen erschwert. In der Klinik
für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
am UKE wurden daher spezielle Aufnahmepara-
meter verwendet, um alle Knochenteile der Moor-
leiche in einem CT-Datensatz zu erfassen (Püschel
et al. 2006). Dieser Datensatz besteht aus einer Serie
von überlagerungsfreien Schichtbildern aus denen
durch Anwendung moderner Methoden der Bildver-
arbeitung eine virtuelle 3D-Darstellung der realen
Knochenfragmente generiert werden kann. Bereits
2008 wurde beschrieben, wie diese 3D-Modelle mit
Hilfe des am Institut für Medizinische Informatik des
UKE entwickelten Softwaresystems REMODEL-VR
erstellt und im virtuellen Raum positioniert werden
können (Bauerochse et al. 2008). Dieses System
bietet die Möglichkeit, die 3D-Knochenmodelle im
Rechner anatomisch anzuordnen, fehlende Knochen-
teile unter Annahme einer Knochensymmetrie zu
ergänzen und die Fragmentierungen des Skeletts
durch Zusammenfügen ausgewählter Fragmente zu
kompensieren. Die Methoden ermöglichten eine erste
Rekonstruktion des Schädels (Abb. 1), ohne jedoch
die starken Deformierungen der Knochen zu korri-
gieren. Im Rahmen einer zweiten Entwicklungsphase
wurde dieses System noch um einige Methoden
erweitert und mit der medico-tec GmbH ein erfah-
rener Partner gewonnen, so dass eine vollständige
Rekonstruktion des Schädels möglich wurde.
Generierung virtueller
3D-Oberflächenmodelle der Schädel-
fragmente
Segmentierung der Fragmente auf Basis der
CT-Datensätze
Die Generierung virtueller 3D-Oberflächenmodelle
erfordert die Segmentierung der Knochenstrukturen
in den räumlichen CT-Bilddaten. Als Segmentierung
wird in der Bildverarbeitung der Prozess bezeichnet,
der zu einer Separierung der vorliegenden anatomi-
schen Strukturen in den Bilddaten führt. Dabei wird
im vorliegenden Fall jeder Bildpunkt eindeutig einer
der sieben Strukturen (Os parietale/occipitale, Os
frontale, Maxilla rechts, Maxilla links, Mandibula,
Os sphenoidale) zugeordnet (Abb. 1).
Da eine manuelle Segmentierung sehr zeit-
aufwändig ist, wurde das halbautomatische Volu-
me-Growing-Verfahren verwendet. Dabei werden
zusammenhängende Bereiche mit ähnlichen Inten-
sitätswerten detektiert. Durch die oben bereits
 
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