Einführung
11
1 Einführung
Grundlage der vorliegenden Studie ist die Erfassung
und Darstellung der kaiser- bis völkerwanderungs-
zeitlichen Grabbefunde des Bestattungsplatzes
von Uelzen-Veerßen, Ldkr. Uelzen, Niedersachsen.
Deren Beschreibung und chronologische Einordnung
stehen im Zentrum der Arbeit. Die Vorgehensweise
wurde vor dem Hintergrund eines als mangelhaft
einzuschätzenden Forschungsstands zu jüngerkai-
ser- bis völkerwanderungszeitlichen Gräbern in
Nordostniedersachsen gewählt. Der nach modernen
Grabungskriterien untersuchte Bestattungsplatz bot
im Wesentlichen die Möglichkeit zur Erstellung einer
tragfähigen Forschungsgrundlage im Hinblick auf die
regionalen Bestattungssitten. Dies betrifft sowohl die
chronologische und horizontalstratigrafische Abfolge
der Gräber als auch ihre Gestalt und Ausstattung.
Hinsichtlich der zeitlichen Abgrenzung sind für das
Untersuchungsgebiet ein möglicher Hiatus zwischen
älterer und jüngerer römischer Kaiserzeit sowie die
bislang festgestellte Fundarmut im 6. Jahrhundert
von Bedeutung (Laux 1998, 143-164; 1999, 143-171
bes. 153-154; 162-165 Liste B; Mohnike 2008, 16;
139-140; 2011). Inventar und Anlage der Gräber
sollen zudem vor dem Hintergrund der inzwischen
als durchaus komplex einzuschätzenden regionalen
Bestattungssitten analysiert werden (Mohnike 2008,
86-99; 2009, 73-84).
In einem zweiten Schritt wurden alle bekann-
ten jüngerkaiser- bis völkerwanderungszeitlichen
Grabbefunde des als Untersuchungsraum gewähl-
ten Ilmenaugebiets behandelt, die bislang ledig-
lich summarisch vorgestellt wurden. Das Gebiet
umfasst nach modernen Verwaltungseinheiten die
Landkreise Lüneburg und Uelzen. Das rechtselbisch
gelegene Amt Neuhaus, das zwischen 1945 und 1993
zum mecklenburgischen Kreis Hagenow gehörte,
bevor es wieder an den Landkreis Lüneburg gelangte,
wurde nicht einbezogen. Dies gilt ebenso für den
Fundplatz Handorf, der bis 1974 zum Landkreis
Harburg gehörte.1
Hinsichtlich der kaiser- und völkerwande-
rungszeitlichen Chronologie des 1. bis zur Mitte des
5. Jahrhunderts wurden die Stufenbezeichnungen Bl
bis D nach H.-J. Eggers (1955; 1960), K. Godlowski
(1970, BES. 59-77) und E. Keller (1974, 263-278)
zugrunde gelegt. Dabei wird eine Laufzeit der Stufe
1 Wegewitz 1960, 36; Thieme 2002, 232 („Handorf FplNr.
4"); Ortsakte des Niedersächsischen Landesamts für Denkmal-
pflege: Handorf, Ldkr. Lüneburg, FStNr. 4.
Bl zwischen Christi Geburt und der Mitte des 1., der
anschließenden Stufe B2 bis zur Mitte des 2. Jahr-
hunderts angenommen. Die nachfolgende Stufe C1
reicht bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts, Stufe C2
bis um 300, Stufe C3 bis zum mittleren 4. Jahrhun-
dert. Das Ende der völkerwanderungszeitlichen
Stufe D um 450 markiert den Übergang zur Mero-
wingerzeit. B. Ludowici, deren Keramikgliederung
frühgeschichtlicher Gräberfelder im südöstlichen
Niedersachsen von grundlegender Bedeutung für
das vorliegende Material ist, schließt an die Stufen
nach Eggers zwischen der zweiten Hälfte des 5. und
dem 7. Jahrhundert die späte Völkerwanderungszeit
an, für die synonym der Begriff „Merowingerzeit"
benutzt wird (Ludowici 2005, 11-13). Die chrono-
logischen Angaben der Vergleichsstudien fanden im
Sinne der jeweiligen Autoren Verwendung.
Die für die vorliegenden Betrachtungen vorge-
nommene Abgrenzung des Gebiets richtete sich
sowohl nach naturräumlichen als auch forschungs-
geschichtlichen Gegebenheiten. Die kuppigen
Geesthöhen der Lüneburger Heide werden von
Wasserläufen durchschnitten, deren bedeutendster
die annähernd in Süd-Nord Richtung verlaufende
Ilmenau ist (Abb. 1). Diese entsteht aus dem Zusam-
menfluss zahlreicher Bäche im Uelzener Raum, ist
ab Lüneburg schiffbar und mündet heute als Kanal
nördlich von Winsen/Luhe, Ldkr. Harburg, in
die Elbe. Mit dem Ilmenaukanal wurde ein neues
Flussbett geschaffen, um Überschwemmungen in
der Winsener Elbmarsch vorzubeugen (Seedorf/
Meyer 1992,283; Richter 2002, 17). Der zugehörige
Talzug öffnet sich im Raum Lüneburg weit zur Elbe
hin - hier gehen die Talsandflächen der Luhe- und
Ilmenauniederung in die Niederterrasse der Elbe
über. Auf der Höhe von Uelzen bildet das Tal ein
Gletscherzungenbecken, das Uelzener Becken. Es
wird aufgrund der guten Braun- und Parabrauner-
den über Sandlöss intensiv ackerbaulich genutzt
(Seedorf/Meyer 1992, 110 Abb. 55; 112 Abb. 56;
206-207 Abb. 111; Kirleis 2003, 70). Die in der
für das Untersuchungsgebiet bedeutsamen Studie
von O. Harck 1972/73 postulierte naturräumli-
che Abgrenzung der Kleinlandschaft „Ilmenautal"
(1972/73, 4; 84 Karte 2, „Besiedlungszone II") wurde
durch die von I. Rötting 1985 publizierte Verbreitung
von Siedlungen und Gräberfeldern der Römischen
Kaiserzeit unterstrichen. Das aktuelle Bild entspricht
den älteren Darstellungen, muss allerdings auch als
Ausdruck der wechselvollen regionalen Forschungs-
geschichte verstanden werden (Siegmann 2004b,
136-141; Ludowici 2005, 61).
Dabei kann gegen die benachbarten Gebiete
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Grundlage der vorliegenden Studie ist die Erfassung
und Darstellung der kaiser- bis völkerwanderungs-
zeitlichen Grabbefunde des Bestattungsplatzes
von Uelzen-Veerßen, Ldkr. Uelzen, Niedersachsen.
Deren Beschreibung und chronologische Einordnung
stehen im Zentrum der Arbeit. Die Vorgehensweise
wurde vor dem Hintergrund eines als mangelhaft
einzuschätzenden Forschungsstands zu jüngerkai-
ser- bis völkerwanderungszeitlichen Gräbern in
Nordostniedersachsen gewählt. Der nach modernen
Grabungskriterien untersuchte Bestattungsplatz bot
im Wesentlichen die Möglichkeit zur Erstellung einer
tragfähigen Forschungsgrundlage im Hinblick auf die
regionalen Bestattungssitten. Dies betrifft sowohl die
chronologische und horizontalstratigrafische Abfolge
der Gräber als auch ihre Gestalt und Ausstattung.
Hinsichtlich der zeitlichen Abgrenzung sind für das
Untersuchungsgebiet ein möglicher Hiatus zwischen
älterer und jüngerer römischer Kaiserzeit sowie die
bislang festgestellte Fundarmut im 6. Jahrhundert
von Bedeutung (Laux 1998, 143-164; 1999, 143-171
bes. 153-154; 162-165 Liste B; Mohnike 2008, 16;
139-140; 2011). Inventar und Anlage der Gräber
sollen zudem vor dem Hintergrund der inzwischen
als durchaus komplex einzuschätzenden regionalen
Bestattungssitten analysiert werden (Mohnike 2008,
86-99; 2009, 73-84).
In einem zweiten Schritt wurden alle bekann-
ten jüngerkaiser- bis völkerwanderungszeitlichen
Grabbefunde des als Untersuchungsraum gewähl-
ten Ilmenaugebiets behandelt, die bislang ledig-
lich summarisch vorgestellt wurden. Das Gebiet
umfasst nach modernen Verwaltungseinheiten die
Landkreise Lüneburg und Uelzen. Das rechtselbisch
gelegene Amt Neuhaus, das zwischen 1945 und 1993
zum mecklenburgischen Kreis Hagenow gehörte,
bevor es wieder an den Landkreis Lüneburg gelangte,
wurde nicht einbezogen. Dies gilt ebenso für den
Fundplatz Handorf, der bis 1974 zum Landkreis
Harburg gehörte.1
Hinsichtlich der kaiser- und völkerwande-
rungszeitlichen Chronologie des 1. bis zur Mitte des
5. Jahrhunderts wurden die Stufenbezeichnungen Bl
bis D nach H.-J. Eggers (1955; 1960), K. Godlowski
(1970, BES. 59-77) und E. Keller (1974, 263-278)
zugrunde gelegt. Dabei wird eine Laufzeit der Stufe
1 Wegewitz 1960, 36; Thieme 2002, 232 („Handorf FplNr.
4"); Ortsakte des Niedersächsischen Landesamts für Denkmal-
pflege: Handorf, Ldkr. Lüneburg, FStNr. 4.
Bl zwischen Christi Geburt und der Mitte des 1., der
anschließenden Stufe B2 bis zur Mitte des 2. Jahr-
hunderts angenommen. Die nachfolgende Stufe C1
reicht bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts, Stufe C2
bis um 300, Stufe C3 bis zum mittleren 4. Jahrhun-
dert. Das Ende der völkerwanderungszeitlichen
Stufe D um 450 markiert den Übergang zur Mero-
wingerzeit. B. Ludowici, deren Keramikgliederung
frühgeschichtlicher Gräberfelder im südöstlichen
Niedersachsen von grundlegender Bedeutung für
das vorliegende Material ist, schließt an die Stufen
nach Eggers zwischen der zweiten Hälfte des 5. und
dem 7. Jahrhundert die späte Völkerwanderungszeit
an, für die synonym der Begriff „Merowingerzeit"
benutzt wird (Ludowici 2005, 11-13). Die chrono-
logischen Angaben der Vergleichsstudien fanden im
Sinne der jeweiligen Autoren Verwendung.
Die für die vorliegenden Betrachtungen vorge-
nommene Abgrenzung des Gebiets richtete sich
sowohl nach naturräumlichen als auch forschungs-
geschichtlichen Gegebenheiten. Die kuppigen
Geesthöhen der Lüneburger Heide werden von
Wasserläufen durchschnitten, deren bedeutendster
die annähernd in Süd-Nord Richtung verlaufende
Ilmenau ist (Abb. 1). Diese entsteht aus dem Zusam-
menfluss zahlreicher Bäche im Uelzener Raum, ist
ab Lüneburg schiffbar und mündet heute als Kanal
nördlich von Winsen/Luhe, Ldkr. Harburg, in
die Elbe. Mit dem Ilmenaukanal wurde ein neues
Flussbett geschaffen, um Überschwemmungen in
der Winsener Elbmarsch vorzubeugen (Seedorf/
Meyer 1992,283; Richter 2002, 17). Der zugehörige
Talzug öffnet sich im Raum Lüneburg weit zur Elbe
hin - hier gehen die Talsandflächen der Luhe- und
Ilmenauniederung in die Niederterrasse der Elbe
über. Auf der Höhe von Uelzen bildet das Tal ein
Gletscherzungenbecken, das Uelzener Becken. Es
wird aufgrund der guten Braun- und Parabrauner-
den über Sandlöss intensiv ackerbaulich genutzt
(Seedorf/Meyer 1992, 110 Abb. 55; 112 Abb. 56;
206-207 Abb. 111; Kirleis 2003, 70). Die in der
für das Untersuchungsgebiet bedeutsamen Studie
von O. Harck 1972/73 postulierte naturräumli-
che Abgrenzung der Kleinlandschaft „Ilmenautal"
(1972/73, 4; 84 Karte 2, „Besiedlungszone II") wurde
durch die von I. Rötting 1985 publizierte Verbreitung
von Siedlungen und Gräberfeldern der Römischen
Kaiserzeit unterstrichen. Das aktuelle Bild entspricht
den älteren Darstellungen, muss allerdings auch als
Ausdruck der wechselvollen regionalen Forschungs-
geschichte verstanden werden (Siegmann 2004b,
136-141; Ludowici 2005, 61).
Dabei kann gegen die benachbarten Gebiete