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Mohnike, Katharina
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 55): Das jüngerkaiser- bis völkerwanderungszeitliche Gräberfeld von Uelzen-Veerßen, Niedersachsen — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2019

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68717#0118
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114

Das Gräberfeld von Uelzen-Veerßen

einen vergleichbaren Abdruck, die Oberfläche ist
aber für eine Beurteilung zu stark beschädigt.
Kreisförmige Kreuzstempelabdrücke, wie sie
sich auf der Schulter des mit Schrägkanneluren
verzierten Altfunds aus Niendorf Kat.-Nr. 6.1 finden,
gehören zu den ausgesprochen häufigen Motiven
(Briscoe 1983, fig. 1.A 4ai; Träger 1985, 174, Abb.
5.C 1; Weber 2000, 109, Abb. 4.B 1). Dies gilt auch
für die Abdrücke auf den Gefäßfragmenten von
Kirchgellersen Kat.-Nr. 7.1 und Lüdershausen.
Innerhalb des Untersuchungszeitraums fanden
stempelverzierte Gefäße des Elbe-Weser-Dreiecks
vor allem seit der Völkerwanderungszeit im Grab-
brauch Verwendung, doch lassen sich entsprechend
dekorierte Exemplare schon der älteren Römischen
Kaiserzeit benennen.129 Die mit Stempeln verzier-
ten Uelzen-Veerßener Urnen 1394.1 und 1821.1 sind
aufgrund formaler Kriterien nicht genauer als in
das 3. bis 6. Jahrhundert zu datieren, jedoch könnte
1821.1 in den älteren Abschnitt dieser Spanne gehö-
ren. Grabgefäß 2078.1 lässt sich vergleichbar geform-
ten Exemplaren des 4./5. Jahrhunderts anschließen.
Übereinstimmend dürfte auch die Nahrendorfer
Urne Kat.-Nr. 30 datieren, während die Formge-
bung des schräg kannelierten Niendorfer Exemplars
Merkmale der Völkerwanderungszeit und des 6. Jahr-
hunderts aufweist. Die Uelzen-Veerßener Gefäße
mit Stempeldekor wurden im Zentrum nahe beiei-
nander (Kat.-Nr. 1394.1, 1821.1) sowie unmittelbar
östlich der Eisenbahntrasse am südlichen Rand des
Grabungsareals (Kat.-Nr. 2078.1) gefunden.
Gemessen an der großen Zahl gestempelter
Gefäße sind bislang nur wenige Funde der zur
Ausführung benutzten Gerätschaften bekannt
geworden. Stempel wurden danach aus Ton, Bein
und Metall gefertigt oder es wurde - wie im Fall
der Spiraleindrücke - auf Gegenstände aus ande-
ren Lebensbereichen zurückgegriffen (Knaut 1987;
Grundwald 1997). Zur Vorsicht hinsichtlich der
Interpretation solcher Gegenstände ausschließlich
als Töpferwerkzeuge mahnt jedoch eine aktuelle
Untersuchung von S. Funke, die für eine Nutzung
vergleichbar gestalteter Objekte im Rahmen von
Orakeln argumentierte (2007).
Das fragmentierte Uelzen-Veerßener Gefäß
737.1 (Taf. 43) weist eine ungewöhnliche Verzie-
rung aus kreisförmigen, sehr präzisen, scharkantigen
Eindrücken auf, die durch Rillenabschnitte mitein-

ander verbunden sind. Der Dekor findet im regiona-
len Material keine Entsprechungen. Eine ähnliche
Ausführung liegt auf dem Fenstergefäß mutmaßlich
des 5. Jahrhunderts von Castle Acre, Norfolk (Abb.
91.1), dem möglichen Etui eines Dreilagenkammes
aus Issendorf, Ldkr. Stade (M. Weber 2004, Gr.
1842 Taf. 70) sowie einem freihandgeformten Gefäß
ebenfalls des 5. Jahrhunderts vom Runden Berg
bei Urach vor. Auch regional fremdartig wirkende
Verzierungsdetails eines Exemplars aus Mengen, Kr.
Breisgau-Hochschwarzwald, sind hier anzuführen,
die jedoch auf ostgermanische Einflüsse zurückge-
führt werden (Spors-Gröger 1997, Kat. Nr. 31 Taf.
4; 2001, 204, Abb. 4).
Einstichverzierungen (Abb. 47) wurden auf
164 Gefäßen angebracht, auch sie sind damit
vergleichsweise selten. In dieser Gruppe dominiert
der Keilstichdekor (70 Gefäße), gefolgt von Finger-
nageleinstichen (49 Gefäße), punkt- (31 Gefäße)
und linienförmigen (3 Gefäße) Einstichen. Diese
mit einfachen Hilfsmitteln wie den Fingernägeln,
Schilfrohr oder spitzen Gegenständen hergestellten
und zumeist chronologisch unempfindlichen Dekore
(Schuster 2004, 99) wurden hin und wieder mitei-
nander kombiniert, überwiegend wurde aber das
Werkzeug nicht gewechselt. Auf zwei Urnen sind
die Einstiche von unregelmäßiger Form, so dass
ihre Machart nicht zu bestimmen ist. Einstiche sind
häufig in Gruppen angeordnet bzw. bilden Reihen,
die andere Dekore, zumeist Rillen oder Rillenab-
schnitte, begleiten. Eindruck- und Einstichverzie-
rungen wurden fast immer mit anderen Dekoren
kombiniert, wären im Sinne U. Brosseders daher
Sekundärmotive. Sie finden sich auf allen Gefäßtei-
len zwischen Rand und Boden. Dabei scheint bemer-
kenswert, dass punktförmige Einstiche vor allem
auf Gefäßen angebracht wurden, die im Südosten
des untersuchten Gräberfeldausschnitts als Urnen
dienten (Abb. 48). In diesem Areal fanden sich über-
einstimmend einige der jüngsten Bestattungen von
Uelzen-Veerßen.
Der sogenannte Keilstich ergibt einen annä-
hernd dreieckigen Abdruck mit eingezogener Basis,
der vermutlich mit einem Schilfrohr oder ähnlichem
Hilfsmittel ausgeführt wurde (Stauch 2004, 111-112).
Die seit den Untersuchungen J. Werners scheinbar
feststehende ethnische Bindung der Zierweise des
Keilstichs an die Langobarden wurde inzwischen in
Frage gestellt.130 Demnach ist dieser Dekor bereits für

129 Kuchenbuch 1938, 16; Spors-Gröger 1997, 99-101, Anm.
18; Grundwald 1999, 241-242; Lindenthal 2000, Abb. 5,7;
Kokowski 2001a.

130 Werner 1962, 51-55; Schuster 2004, 98; Hegewisch
2007, 93.
 
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