Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 9.1966

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Zeidler, Joachim: Ein Beitrag zum Thema "Bildungsökonomie"
DOI Artikel:
Hansen, Kay: Kur-Ioses
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33072#0039
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wissensgebieten erfolgreich bestehen wollen. Sie meinen damit nicht eine Gruppe
oder gar Klasse von Menschen, die Bildung oder Wissen als ein unantastbares
Privileg einer Schicht betrachten. Sie meinen schlicht, alle diejenigen Menschen
besonders zur fördern, denen die Natur etwas mehr in die Wiege gelegt hat und
die ihre Willenskraft und ihr Fleiß befähigen, führende Positionen im wissen-
schaftlichen und öffentlichen Leben im Interesse der Gesellschaft auszuüben. Sie
sehen darin ein Erfordernis einer gut funktionierenden Demokratie; denn Demo-
kratie bedeutet die Gleichheit der Chancen (z. B. der Bildung) für alle, nicht je-
doch die Gleichheit des Weges und des Erfolges. Der Höchstgebildete mit einem
weiten Radius ist schon als solcher ökonomischer für die Gesellschaft als jemand,
der stets in jeder Sache des Beraters bedarf.

Der Verfasser hält das System der deutschen Höheren Schule, besonders das
altsprachliche Gymnasium, demnach für ökonomischer als die amerikanische
Schulform für das entsprechende Alter. - Wir fragen hier, ob es uns wohl ge-
lingen wird, statt uns mit organisatorischen Änderungen aer Höheren Schule zu
beschäftigen, die Qualität unseres Lehrens weiter zu verbessern und methodisch
zu verjüngen und dazu so moderne und zweckmäßige Gebäude und Einrichtun-
gen zu schaffen wie die Amerikaner? Wäre das nicht gleichfalls im Sinne einer
rechtverstandenen Bildungsökonomie? Es würde die optimale Förderung des ein-
zelnen Schülers in seinem Rahmen gewährleisten und durch Auslese auch ökono-
misch vertretbar sein. Vielleicht sagen wir sogar besser: Förderung des Einzelnen
wie des Ganzen durch rechtzeitige Auslese! Das spätere Leben des Menschen
kennt leider keine Hemmungen bei der Auslese. Welches System ist eigentlich
dann eher „adjustment to life“? (Dewey) Dr. Joachim Zeidler

(Entnommen dem Mitteilungsblatt des Landesverbandes Berlin, März 1966.) Der
Verf. war ein Jahr als Gastdozent (Visiting Assistant Professor) an der Universität
Syracuse/New York tätig.

KUR-IOSES

Wenn man, um einen Leibesschaden zu kurieren, sich genötigt sieht, eine Kur
zu durchleiden, ist man in einer seelisch eigenartigen, nicht immer angenehmen
Situation. Nicht nur daß das Übel, von dem man sich befreien wollte, sich als
hartnäckig erweist, so ist auch die Umgebung oft wenig geeignet, heiteren Ge-
danken Aufschwung zu verschaffen. Der Kurpark, nun ja, die Kurkapelle, nun
nein, aber vor allem die Mitmenschen wollen mit ihrer oft niederdrückend zur
Schau getragenen Bresthaftigkeit, von der sie viel zu berichten wissen, dem Sinn
jede Heiterkeit nehmen. Die Gespräche, denen man sich nicht entziehen kann,
kreisen nach scheinheiligem Vorgeplänkel bald das von Anfang an erstrebte
Ziel ein, und unversehens ist man bei dem Thema, einer ausführlichen und offe-
nen Anamnese der jeweiligen Leiden, die den Zuhörer ob solch unerbetener
Intimität mit einer bedrücklichen Mischung aus Mitleid und Degout erfüllt - die
oft berufene Intimsphäre findet hier nicht statt, hier ist der Ort der direkten
Rede, ein krasser Indikativ der Sprache dominiert. Um 10 Uhr abends gehen die

5
 
Annotationen