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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 2.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.20631#0011
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Bau in früherer Zeit verwendete Mittel die Nothwendigkeit
einer stylgemässen Wiederherstellung in unserer Gegenwart
nicht nur nicht beseitigt, sondern vielleicht noch dringen-
der gemacht haben, als der eigentliche Baustand unseres
Domes, wie er sich zu unserer Zeit herausstellt.

Bevor wir jedoch letzteren in genauere Betrachtung
ziehen, wollen wir mit einigen Worten dasjenige erwähnen,
was im Laufeder letzten Jahre an Restaurations-Ar-
beiten vorgenommen wurde. Wir sehen hiebei von jenen
jährlich wiederkehrenden Erhaltungs-Arbeiten ab, welche im
Ganzen genommen mehr dahin abzielten, losgetrennte Bestand-
theile zu befestigen oder gänzlich zu entfernen, welche sich
jedoch mit eigentlichen Ergänzungen, oder überhaupt mit
einer tiefer eingreifenden Restauration zu beschäftigen
weder die Aufgabe noch auch die Mittel hatten.

Den ersten Anlauf zu einer grösseren Restaurations-
Arbeit hot der gefahrdrohende Zustand des obersten
Theiles des Hochthurmes, welcher trotz mehrfachen
Ausbesserungen für sein längeres Bestehen fürchten liess.
Es wurde demnach der Beschluss gefasst, diesen Theil abzu-
tragen und neu aufzubauen, was in den Jahren 1839—1842
auch glücklich vollendet wurde. Es ist bekannt, dass man bei
dem Wiederaufbaue, um dessen Last zu vermindern, auf den
Gedanken verfiel, ein eisernes Gerippe von 63 FussHöhe zu
errichten und dieses von Aussen mit Steinwerk zu bekleiden,
eine Constructionsweise, welche gleich in ihrem Beginne die
Stimmen erfahrener Bau verständiger gegen sich hatte und
dem Vernehmen nach auch durch die seither gewonnenen
praktischen Erfahrungen sich nicht sehr empfehlenswerth
darstellen soll. Gewiss ist es, dass in einem zweiten Falle
ein ähnliches System kaum mehr zur Anwendung kommen
dürfte, eben so wenig als cs für die Folge in der Absicht
eines Architekten liegen wird, irgend einen Monumentalbau
aus Gusseisen herzustellen und ihm sodann durch Anstrich das
erborgte Aussehen eines Steinbaues zu gehen. Die Anschau-
ungsweise, aus welcher derlei Schöpfungen hervorgingen,
dürfen wir als eine überwundene bezeichnen, obwohl sie noch
in der Erinnerung der Zeitgenossen dämmert.

Eine zweite Restaurations-Arbeit war die stylgemässe
Herstellung der sogenannten T ir n a’schen Capelle, welche
von dem Architekten Herrn Ernst auf Veranlassung des
Fürsten Liechtenstein vorgenommen wurde.

Umfangreicher und unbestreitbar von grossem Ein-
flüsse auf die gesteigerte Theilnahme an unseren Dom war
der Aufbau der fehlenden Ziergiebel an der Nord- und
Südseite, welche auf Anregung der Commune Wiens und
zum grossen Theile auf Kosten derselben von dem Archi-
tekten Ernst in den beiden letztverflossenen Jahren und
zwar in einer Weise ausgeführt wurde, welche in jeder
Beziehung als eine höchst gelungene bezeichnet werden
muss.

Dieser Giebelbau war jedoch auch nach anderer Seite
hin fruchtbar, indem er die Veranlassung bot, mehreren hei

dem Bau derselben bemerkbar gewordenen Schäden Abhilfe
zu leisten. So wurden im Jahre 1854 der in der Nähe des Ein-
ganges zur grossen Sacristei befindliche Kirchenpfeiler,
welcher sich als so schadhaft erwies, dass der Aufbau eines
Giebels an dieser Stelle Bedenken erregen musste, und meh-
rere andere anstossende Bautheile einer ausgedehnten Restau-
ration unterzogen. Weiterhin boten die zum Ausbaue der
Giebel aufgeführten Gerüste Veranlassung, den Bauzustand
sowohl der südlichen als der nördlichen Langseite
des Kirchenschiffes genau zu untersuchen, wobei sich als
Resultat herausstellte, dass eine Restauration derselben nicht
bloss wünschenswerth, sondern geradezu unerlässlich sei.
Schadhafte Werkstücke mussten ausgewechselt, ein grosser
Theil der Verzierungen ausgebessert oder ganz neu ange-
fertigt werden, insbesondere war diess bei dem Strebepfeiler
der Südseite nothwendig. Noch umfangreicher waren die
Gebrechen der Nordseite; hier zeigte sich der Zustand
des dem Thurme zunächst befindlichen Fensterbogens mit
seinem Masswerke, ferner einige Gewölberippen im Innern
der Kirche im hohen Grade schadhaft, und auch der im
Laufe der Zeiten entstandenen Trennung der Haupt- von der
Thurmmauer musste Abhilfe geleistet werden.

Alle diese Restaurationen, mit alleiniger Ausnahme der
an diesen Langseiten befindlichen Portalbauten, sind im Laufe
dieses Jahres nahezu vollendet worden, und es steht zu
erwarten, dass die Herstellung der Letzteren, welche bereits
begonnen hat, nicht lange auf sich wird warten lassen.

Ausserdem wurde, um dem in der Barbaracap eile
aufgestellten neuen Votivaltar eine passende Umgebung zu
bereiten, die stylgemässe Restaurirung derselben, nämlich
die Reinigung der Wände, die Ausbesserung sämmtlicher
Steinmetzarbeiten, die Eröffnung eines bisher vermauerten
Fensters durchgeführt, es wurden ferner um eine völlige
Styleinbeit dieser Capelle zu erzielen, die vier Fenster der-
selben mit ornamentalem Glasschmucke verziert, über die
an der rechten Seite befindlichen Statue der heil. Maria ein
gothischer Baldachin angebracht und überdiess ein neuer
Opferstock, eine Lampe und einige Leuchter, gleichfalls im
gothischen Style, beigeschafift.

Mit den bisher aufgeführten Restaurationsarbeiten, deren
Werth wir gewiss nicht gering anschlagen, ist aber nur in
beschränktem Masse den Anforderungen Genüge gethan,
welche man mit Rücksicht auf den Bauzustand und im Interesse
der Erhaltung dieses Denkmales, dem die Kunstgeschichte
einen bevorzugten Platz unter den hervorragendsten Lei-
stungen der Gothik angewiesen hat, zu stellen berechtigt
wäre. Es sind, mit Ausnahme der, wenn auch nicht vollstän-
dig, doch zum grössten Theile durchgeführten Restauration
der beiden Langseiten des Kirchenschiffes, nur vereinzelte
Anläufe, die sich nicht als Glieder einem grossen wohl-
durchdachten Plane anreihen, und ein stufenweises Vor-
schreiten erkennen lassen, sondern zum grossen Theile ihre
Durchführung besonderen Anlässen verdanken.
 
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