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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 2.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.20631#0233
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224

Lothar aus dem Jahre 1135, und erstere eine Pfeilerbasilica mit einer
Doppelthurmanlage im Westen und einem aus drei Quadraten gebil-
deten Querschiffe gegen Osten, über welches sieh hinaus Mittel- und
Seitenschiffe in gleicher Länge, und zwar um ein Quadrat des Mittel-
schiffes hinaus erstrecken. Mittel- und Seitenschiffe schliessen im
Osten mit Absiden und zeigen die schönsten rythmischen Verhältnisse.
Während das Langhaus ursprünglich für flache Holzdecken angelegt
undausgebildet ist, sind Querschiff und Chor in einfacher schöner
Weise auf die Anlage von Kreuzgewölben berechnet, und die Wöl-
bung ist dergestalt ausgeführt, dass die Hauptgurten der Kreuzes-
vierung mit vorspringenden Pfeilern getragen werden. Das Langhaus
erhielt erst im XVII. Jahrhundert eine Wölbung; dagegen sind die
ursprünglichen Gewölbe des Querschiffes und Chors noch heute
vorhanden. Die Gliederungen der Kämpfer, Gurten und Basen sind
überall einfach, aber von guten Verhältnissen. Imposant ist der Ein-
druck des Äusseren der Kirche durch die glücklich in Anwendung
gebrachten Verhältnisse, während die Chorpartie, namentlich aber
die Chornische selbst durch kraftvoll profilirte Gesimse, Bogenfriese,
Consolen, Säulencapitäle und durch höchst interessante plastische
Darstellungen ausgezeichnet ist1). Eine Eigenthümlichkeit besitzt
die Kirche noch an dem nordwestlichen Portale, dessen dreifach
geschwungener Bogen an den beiden Knickpunkten durch Säulen
gestützt wird, die auf liegenden Löwen ruhen. Etwas stiefmütter-
lich sind die Tbürme behandelt, indem hier die ganze Masse unge-
gliedert in der viereckigen Gestalt bis zur Firsthöhe des Mittelschiff-
daches sich erhebt, wo dann die etwas zu kurzen achteckigenThurin-
aufsätze beginnen. Das ganze Werk ist ein Quaderbau aus Sandstein.
An die Südseite der Kirche schliesst sich der malerische Kreuzgang,
welcher besonders ausgezeichnet ist durch seinen ornamentalen
Reichthum, so dass bedauert werden muss, dass aus der romanischen
Periode nur zwei Flügel erhalten sind. Geräumiger als sonst ist der-
selbe hier zweischiffig angelegt und mit Kreuzgewölben aus dem
Halbkreise geschlossen. Die Fenster sind durch eine Mittelsäule
getheilt und zeigen zwei rundbogige Öffnungen mit einem geschlos-
senen Bogenfelde; an mehreren Stellen ist das letztere durchbrochen

') Unter den plastischen Darstellungen erregt insbesondere die Darstellung
einer Jagd mit eigenthiimlichen Episoden in den BogeÄfeldern des Kund-
bogenfrieses an der Aussenseite der grossen Chornische Aufmerksamkeit.
An den beiden Enden des Bogenfrieses beginnt sie mit einem Jäger, dessen
Hunde dem Wilde nachsetzt, ln dem einen Bogen sieht man einen Hund
im Kampfe mit dem Wilde; in dem andern einen Mann mit einem Hasen
auf dem Bücken, in der Mitte der Apsis ist der Jäger auf dem Boden
gestreckt, während zwei Hasen auf ihm sitzen und mit Stricken seine
Hände binden. Bauinspector Hase, welcher den Text zur obigen Be-
schreibung geliefert, gibt dieser Darstellung die symbolische Bedeutung
des verfolgten und zuletzt siegenden Christenthums, während Schn aase
darin nur eine „Jagd mit komischen Episoden“ (Geschichte der bildenden
Künste V, 74) erblickt. Jagdseenen sind bekanntlich an mittelalterlichen
Kirchen keine seltene Erscheinung', aber es wäre allerdings zu weit ge-
gangen , wollte man jeder derselben eine symbolische Deutung geben.
Auch hei der vorliegenden Darstellung ist es nicht so leicht, sich für eine
symbolische Deutung und am wenigsten für die von Bauinspector Hase
gewählte auszusprechen, weil das hier verfolgte Thier in der mittelalter-
lichen Symbolik gewöhnlich den Unglauben oder den Teufel repräsen-
tirt und mithin ein Sieg des letzteren dargestellt wäre. (Vgl. über Jagd-
scenen im Mittelalter auf Sculpturen Dr. G. Heider's Werk; „Die
romanische Kirche zu Schöngrabern in Niederösterreich (Wien 1853).

K. W.

von zwei kleinen Fenstern im Kleeblattbogen. Mannigfaltig und in
höchst eleganten Formen ist die Ornamentation der Säulencapitälchen.
Einem der in sächsischen Kirchen häufig vorkommenden Fälle begeg-
nen wir auch hier, dass bei den grossen Säulenschäften eine plastische
Verzierung angewendet ist. Statt der Wandpfeiler oder Halbsäulen,
welche die Reihe der Mittelsäulen schliessen sollten, ist hier abermals
eine Besonderheit, indem eine sitzende Figur statt des Pfeilers das
Gewölbe trägt. •—■ Die Krypta der ehemaligen Klosterkirche zu
Riechenberg ist in so ferne von grösserem Interesse, als damit eines
der wenigen Beispiele von derartigen Anlagen aus dem zwölften Jahr-
hundert vorgeführt wird, welche noch vollkommen gut sind. Sie ist
dreisehiffig; das Mittelschiff wird durch je drei freistehende Säulen
von den Seitenschiffen getrennt und ist gleich wie diese mit Kreuz-
gewölben ohne Gurtbögen überwölbt, die Gewölbe sitzen an den Um-
fassungsmauern auf Wandsäulen auf. An der Ostseite ist die Krypta
im Halbkreise abgeschlossen und in der gewöhnlichen einfachsten
Weise durch Einziehung dieses Halbkreises nach innen Raum zur
Anlage der Altarnische gewonnen. Drei ähnliche, aber weniger grosse
Nischen befinden sieh in der westlichen Mauer. Den so umschlossenen
Raum erhellen hinten kleine, nach innen wie nach aussen schmiegisch
erweiterte Fenster — je zwei an den Seiten und drei in der Chor-
Rundung. Die Wölbungen sind im Rundbogen ausgeführt: eine
besondere Eigenthümlichkeit ist die Behandlung der Wandsäulen,
welche, als Halb- oder Viertelsäulen geformt, in der Chor-Rundung
so wie an der westlichen Wand gleiche Höhe mit den freistellenden
Säulen haben, während dieselben an den beiden Langwänden auf einen
durchlaufenden, etwa l1 4" hohen Sockel ruhen und um dieses Mass
daher kürzer sind. Sehr mannigfaltig sind die Säulen gestaltet. Die
Basen zeigen die attische Gliederung; die Schäfte eine polygone
Profilirung und die Capitäle meist die Würfelform, jedoch mit phan-
tastischen Sculpturen. — Von der Kirche, welche sich über der
Krypta erhob, sind nur mehr Bruchstücke vorhanden; die Beschrei-
bung und Abbildung derselben, welche von Herrn C. W. Hase abge-
sondert geliefert wurden, bieten jedoch weniger Anhaltspunkte zur
Charakteristik interessanter Einzelnheiten. — Die Abbildung des
vierten Baudenkmales, weiches in diesem Hefte vorgeführt wurde,
betrifft die Kirche zu Ni ko la usbe rg jn Göttingen. Die Grün-
dung der Kirche fällt in das XI. oder XII. Jahrhundert; aus dieser
Zeit sind jedoch nur wenige Theile vorhanden, und es ist nur inte-
ressant, zu verfolgen, wie die Überreste einer Pfeilerbasilica in einem
gotbischen Bau des XV. Jahrhunderts umgestaltet wurden. Dem
Hefte sind im Ganzen 0 Tafeln und einige Holzschnitte beigegeben,
welche, wie nieiit zu läugnen ist, mit grossem Verständnisse, aber mit
nur geringem Geschmacke ausgeführt sind. Für das Studium der
sächsischen Kirchenbauten bleibt indess diese Publication jedenfalls
sehr empfehlenswerth und belehrend.

Als neue Erscheinung im deutschen Buchhandel kündigen wir an:
„Die Kirche zu Gr osse n-Li n d e n b e i Giessen, in Oberhessen.
Versuch einer historisch-symbolischen Ausdeutung ihrer Bauformen und
ihrer Portal-Reliefs, oder vergleichende, durch alt kirchlich-hierogly-
phische Sculptor veranlasste Beiträge zur Kunde und zum Verständ-
niss der Vorzeit, zunächst der vaterländischen, von Job. V. Ki e in.“
(Giesen 1857.) Wir müssen für heute uns darauf beschränken, das-
selbe als ein „Curiosum“ zu bezeichnen, das leider zeigt, wohin
irrige Anschauungen und gewaltsame Deutungen ohne ein reli-
giöses und culturgeschichtliehes Verständniss und ohne eine wissen-
schaftliche Kritik in dermiitelalterlichen Symbolik zu führen vermögen.

Aus der k. k. Hof- und Staatsdruekerei.
 
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