Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 2.1857

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20631#0235
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
226

schreiten zu können, man verbesserte eben so gut es
ging, damit die eonstructiven Tlieile des Domes erhalten
blieben, an eine Ergänzung der fehlenden Theile seines
inneren und äusseren Schmuckes, an eine Beseitigung der
modernen Zubauten, welche in so hohem Grade den ernsten
und würdigen Eindruck des Domes schwächen, konnte nicht
im Entferntesten gedacht werden.

Desshalb war auch schon vor mehr als zehn Jahren
die Aufmerksamkeit der Künstler und Kunstfreunde auf eine
gründliche Restauration des Domes gerichtet. Dass dieselbe
nicht früher zu Stande kam, darf im Grunde genommen
nicht beklagt werden, wenn man die Anschauungen kennt, die
vor wenigen Jahren über die monumentale Baukunst in Wien
herrschten und leider noch jetzt inmanchenKöpfen sich fort-
gepflanzt haben. Man würde damals ohne Zweifel dieselben
Fehlgriffe, dieselben Abnormitäten zu Tage gebracht haben,
wie in Deutschland und selbst in Frankreich, wo doch schon
seit zwanzig Jahren das Studium der mittelalterlichen Kunst
die Aufgabe jedes gebildeten Architekten war. Es ist ein
Glück, dass sich diese Angelegenheit bei uns insolange ver-
zögert hat, bis das Studium der Archäologie die nöthigen
Vorarbeiten geliefert, und den Boden zu erforschen
begonnen hat, auf welchem die mittelalterliche Bau-
kunst ihre Stützen suchte und fand. Jetzt, wo die Kennt-
niss der mittelalterlichen Kunstschätze des Kaiserstaates
sich von Tag zu Tag erweitert, wo man für die Chronologie
der Bauwerke — diese so wichtige Frage bei einer Restau-
ration — immer festere Anhaltspunkte gewinnt — wo die
geistigen Kräfte, welche sich speciell der Kunstgeschichte
widmen, vermehren und die Disciplinen der alten Baukunst
wieder in die Bauhütten der Steinmetze Eingang gefunden,
darf man wohl mit grösserer Beruhigung auf eine Restau-
ration des Stephansdomes blicken. An Verlegenheiten und
Schwankungen, an Irrthümern und Fehlern wird es auch
jetzt nicht fehlen, insbesonders wenn der sich überschät-
zende Dilettantismus unberufen vordrängen und der Fachmann
in den Kampf mit eingewurzelten Vorurtheilen zu treten
genöthigt werden sollte.

In unseren Tagen erhielt die Frage wegen einer
Restauration des Stephansdomes einen neuen fördernden
Anstoss durch den Ausbau der Giebel an der Nord- und
Südseite der Kirche. Es kann nicht übergangen werden,
dass dem Bürgermeister und Gemeinderath der Stadt Wien,
welche das schöne Werk begonnen und durchgeführt haben,
gewissermassen das Verdienst der Initiative gebühren. Eben-
so wenig dürfen wir verschweigen , dass der Architekt
L. Ernst die ihm anvertraute Aufgabe auf ausgezeichnete
Weise gelöst hat.

Aber auch im Schoosse der k. k. Central-Commission
waren schon wiederholt Verhandlungen über das dringende
Bedürfniss einer umfassenden Erhebung der Schäden und
Gebrechen des Domes angeknüpft, welche im Herbste des
Jahres 1856 durch die k. k. n. ö. Landesbaudirection zu

einer vorläufigen Feststellung des Thatbestandes führten
und einige Zeit darauf die k. k. Central-Commission ver-
anlassten, bei dem k. k. Ministerium für Cultus und Unter-
richt weitere Schritte einzuieiten, damit die Vorfrage einer
Restauration — das ist die gründliche Untersuchung des
Baustandes des Domes in Angriff genommen werde. Diese
Blätter endlich —• das Organ der k. k. Central-Commission
— glaubten den laufenden Jahrgang nicht zweckmässiger
eröffnen zu können, als in einem besonderen Aufsatze der
in Kunstkreisen lebhaft geführten Erörterung über die Frage
der Restauration eine bestimmte Richtung zu geben, die
äusserlich wahrgenommenen Gebrechen des Domes zu schil-
dern und die Gesichtspunkte festzustellen, von dem aus eine
Restauration des Domes aufgefasst werden muss. Es dürfte
dem Verfasser dieser Darstellung zur besonderen Befrie-
digung gereichen, dass die Hauptpunkte seiner Ansichten
in so kurzer Zeit zur Geltung gelangt sind.

Inmitten dieser mannigfachen Regungen that Seine
Eminenz der Herr Cardinal-Erzbischof von Wien einen
äusserst glücklichen, entscheidenden Schritt. Dieser erhabene
Kirchenfürst, dessen Scharfsinn und Weisheit die Bedeutung
der dringenden Wünsche aller Kunstfreunde nicht entgehen
konnte, richtete an Seine k. k. Apost. Majestät die Bitte, um
die Anweisung eines Jahresbeitrages zur Restauration des
Domes und um die Genehmigung zur Bildung eines Dom-
bauvereines, dessen Aufgabe es sein soll, durch freiwillige
Beiträge die Geldmittel zur würdigen Ausschmückung des
Domes zu erhöhen. Seine Eminenz stellte sich damit, wie
es der Natur und Würde des Gegenstandes entspricht, an
die Spitze des preiswürdigen Unternehmens und folgte dem
schönen Beispiele, welches die Kirchenfürsten des Auslandes
früher in ähnlichen Fällen gegeben haben.

Auf Antrag des k. k. Ministeriums für Cultus und
Unterricht geruhten Seine k. k. Apost. Majestät zur Restau-
ration des Innern und Äussern des St. Stephansdomes -—
und zwar mit Ausschluss aller Zu- und Umbauten , wie
namentlich des Ausbaues des nördlichen Thurmes ■— einen
jährlichen Beitrag von fünfzig Tausend Gulden
auf die Dauer von fünf Jahren aus dem Staatsschätze an-
zuweisen und die Bildung eines Dombauvereines zur
Einleitung von freiwilligen Sammlungen (jedoch nur im
Inlande} zu genehmigen.

Zugleich ordneten Se. k. k. apost. Majestät die Bildung
eines Comite’s — bestehend aus Seiner Eminenz dem Herrn
Cardinal-Erzbischof Ritter v. Rauscher als Präses des-
selben, aus einem Abgeordneten des k. k. Ministeriums für
Cultus und Unterricht, aus Sr. Excellenz dem Statthalter
für Niederösterreich Dr. W. Freiherrn v. Ein in ge r und
dem Bürgermeister der Stadt Wien, Dr. J. K. Ritter v.
Seiller an, welches nach seinem Zusammentritte sich vor-
erst mit der Ernennung eines Dombaumeisters zu beschäf-
tigen und sodann eine umfassende Erhebung des Bauzu-
standes und der inneren Gebrechen des St. Stephansdomes
 
Annotationen