Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 2.1857

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20631#0261
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
252 —

Dilettantismus cinsehen, dass zu einer systematischen, wissenschaft-
lichen Ausgrabung, als welches das Unternehmen angekündet wurde,
ein grösserer Fond an Geld, wissenschaftlicher Vorbereitung und
Erfahrung gehöre, als in Iflagenfurt aufzutreiben ist. Weiters haben
die fraglichen Ausgrabungen jedenfalls so viel ergeben, dass an der
Stelle derselben ein in mehreren terrassenförmigen, stufenweise
zurücktretenden, an der Westfront mit mehreren durch einen
sculpirten Architrav gekrönten Nischen und theilweise auch mit
einem Säulenporticus und zierlichen Wandmalereien ausgestatteter
Bau gestanden habe, welcher auf einen hohen Grad von Kunst-
geschmack und Wohlhabenheit des betreffenden Bauherrn schliessen
lässt und daher im Rückblicke auf die älteren in den Ruinen Virunums
gemachten archäologischen Funde einen neuen Beitrag liefert, um
mit Beruhigung behaupten zu können, dass in Virunum auch die
bildenden Künste eine würdige Pflege gefunden haben, und demselben
daher auch in kunstarchäologischer Beziehung eine grössere Bedeu-
tung zugesprochen werden müsse. Endlich haben die neuesten Aus-
grabungen im Zollfelde die schon bei Gelegenheit der älteren,

wenigstens durch archäologische Funde mehr begünstigten Aus-
grabungen gemachten Erfahrungen bestätigt, dass nämlich die
Verwüstung Virunums nicht einem überraschenden Elementar-
ereignisse und nicht einem unvorhergesehenen feindlichen Über-
falle zuzuschreiben sei, sondern, dass die Bewohner Virunums,
durch den seit dem V. Jahrhundert sich immer mehrenden Andrang
der Völkerzüge eingeschüchtert, ihre Heimath mit Hinwegführung
ihrer verführbaren Habe verlassen , gesichertere Wohnsitze im Süden
gesucht und die Bauten und Baudenkmale Virunums dem Muthwillen
der Barbaren und den zerstörenden Folgen des Yerlassenseins
preisgegeben haben, wo dann endlich die diesen Übeln noch entgan-
genen Baureste seit der Zeit der ersten Ansiedlung der Slaven im
VI. Jahrhunderte und bis herab in das XVI. Jahrhundert für die
benachbarten Kirchen-, Häuser- und Schlösserbauten in der Art
ausgebeutet wurden, dass selbst die Grundmauern nicht verschont
blieben und das Baumaterial für die benachbarten Neubauten liefern
mussten.

G. Freih. v. Ankershofen.

Literarische Anzeige.

Von den „Mitteraltorlichen Kunstdenkmalen des österreichischen
Kaiserstaates“, herausgegeben von Dr. G. Hei der, Professor Rud.
von Eitelberg er und Architekten J. Hieser (Stuttgart Ebner
und Seubert) ist im verflossenen Monate ein Doppelheft (4. und
b. Lieferung) erschienen. Dasselbe enthält die Darstellung „der D o m-
kirche zu Parenzo in Istrien“ von Professor Rud. von Eitel-
berger mit 4 Tafeln und IS Holzschnitten; jene „des Patriar-
chen sitzes und der Kanzel zu Grado und des Baptisterium zu
Aquileja“, gleichfalls von Professor Rud. von Eitelberger mit
2 Tafeln und 13 Holzschnitten; eine Abhandlung über Flügelaltäre
mit der Beschreibung und Abbildung (1 Tafel) des Flügelaltars
zu Set. Wolfgang in Oberösterreich von Dr. Ed. Freiherrn von Sacken
und eine Abbildung des Reliquienschreines zu Salzburg, wozu
der Text aus der Feder des Domcaplan F. Bock aus Köln im nächsten
Hefte nachfolgen wird. Die beiden gediegenen und sehr lebendig
geschriebenen Abhandlungen des Herrn von Eitelberger führen
uns diesmal an die Küste des adriatischen Meeres, und bringen
Beispiele jener Kunstentwicklungen, die ihren Ausgangspunkt vor-
zugsweise in Ravenna und Venedig hatten. In der Einleitung zur
Domkirche zu Parenzo berichtigt der Herr Verfasser, welchem es
wiederholt gegönnt war einen Theil dieser Küstenpunkte genauer
zu durchforschen, die irrigen Anschauungen, welche bisher über das
Kunstleben Istriens im ersten Jahrtausend verbreitet waren; er weist
nach, dass es unrichtig sei die ganzeKunstbewegung jener Epoche als
eine rein byzantinische zu betrachten, die den Künstlern jener Gegend
gewisser Massen nur von aussen aufgedrungen worden sei, und die
Impulse ganz und gar zu ignoriren, die von den Orten, an welchen sieh
die Monumente befinden, selbst ausgegangen sind. Hierauf folgt eine
Geschichte der mannigfachen Schicksale der Stadt und des Episco-
pates von Parenzo unter vorzugsweiser Berücksichtigung jener Monu-
mente, die auf den Dom Einfluss gewonnen haben. Am ausführlichsten
ist, wie begreiflich, die archäologische Würdigung dieses hervorra-

genden kirchlichen Monumentes. Der Dom besteht aus einem acht-
eckigen Baptisterium mit dem Brunnen zum Untertauchen in der
Mitte, einem Atrium und der eigentlichen ßasilic a, welche drei-
schiffig ist und mit einer nach innen runden, nach aussen zu poly-
gonen Apsis geschlossen ist. Sehr anziehend und belehrend ist die
Beschreibung des Patriarchensitzes und der Kanzel zu Grado, sowie
des Baptisteriums zu A quilej a, da sie uns mit einigen Specialitäten
der frühchristlichen Kunst vertraut macht, welche diesseits der Alpen
sehr selten anzutreffen sind. — Ein nicht geringeres Interesse nimmt
die ausgezeichnete und kenntnissreiche Beschreibung des prachtvollen
Flügelaltars zu St. Wolfgang von Dr. Freiherrn von Sacken in An-
spruch, da sie zugleich eine historisch - archäologische Entwicklung
des Altars in der christlichen Kirche überhaupt enthält und daher
einen besonderen Nutzen gewährt. Der Reliquiensehrein zu Salzburg
bildet dagegen ein ganz eigenthümliches Werk dieser Gattung,
wovon in Deutschland kaum viele Beispiele aufzuweisen sind und ist
unzweifelhaft von bedeutendem Kunstwerthe. Von den Tafeln und
Holzschnitten — worunter auch eine Mosaik aus Parenzo in Farben-
druck sich befindet — sind alle wirklich mit seltenem Geschmaeke
und dem genauesten Verständnisse gezeichnet und die Mehrzahl der-
selben auch so vorzüglich ausgeführt, wie sie kaum ein zweites Werk
in Deutschland aufzuweisen im Stande sind. Mit Vergnügen wird
gewiss Jedermann dieTafeln mit den herrlichen CapitälenvonParenzo
(gezeichnet von J. Hieser, gestochen von P. Ritter), mit der Kanzel
von Grado (gezeichnet im Atelier Hieser, gestochen von C.Poltz),
mit dem Innern von Parenzo (gezeichnet von Hieser, gestochen von
L. Ritter), mit dem Reliquienschrein zu Salzburg (gezeichnet im
Atelier Hieser, gestochen von P. Ritter) und mit dem Flügel-
altar (gezeichnet von Lippert und gestochen von P. Ritter)
betrachten. Bei solchem Zusammenwirken vorzüglicher Kräfte ist
wohl die lebhafte Theilnahme des kunstliebenden Publicums eine
verdiente.

Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei.
 
Annotationen