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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 2.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.20631#0263
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234 —

damit sich der grüne Vandalismus wenigstens nicht gar
zu behaglich und ungestört breit mache.

Die Pflanzenwelt schadet den Piuinen 1. durch Feuch-
tigkeit, 2. durch Auseinanderdrängen der noch zusammen-
hängenden Theile, endlich 3. durch Verhinderung ihrer An-
sicht, der Erkenntniss derselben, theihveise auch der Aussicht.

1. Von den mikroskopischen Moosen an bis zu dem
hochstämmigen Baume lebt jede Pflanze zum grossen Theile
von Feuchtigkeit, die ihm durch Luft und Boden zugeführt
wird, und nimmt und gibt fortwährend Feuchtigkeit ah.
Die Stelle daher, auf oder an welcher Pflanzen wachsen,
wird bei übrigens gleichen Umständen schon feuchter sein,
als eine von Pflanzen entblösste. Dazu bildet sich unter den
meisten Pflanzen, seien sie auch dem dürrsten Gestein ent-
wachsen, schon durch ihr theilweises oder gänzliches Ver-
welken, die abgeworfenen Blätter u. s. w. fruchtbare Erde,
die ebenfalls Feuchtigkeit begierig anzieht und länger be-
hält. Die Pflanzen geben Schatten und wehren dem freien
Luftzuge, zwei Umstände, welche dem schnelleren Auf-
trocknen der vom Thau, Regen oder Schnee herrührenden
Nässe durch Sonne und Wind hindernd und verzögernd ent-
gegentreten. An den Wurzeln der auf den Mauern wach-
senden Pflanzen dringt das von den Stengeln oder Stämmen
derselben herabrinnende Wasser in daslnnere des Gemäuers
oder Holzwerkes, erzeugt dort Mauer- und Holzschwamm
und löst besonders durch das Gefrieren die festesten Ver-
bindungen. Pflanzenwuchs überwuchert und verstopftRinnen
und Canäle, ändert durch den unter ihm entstehenden Hu-
mus die auf den regelmässigen Wasserablauf berechneten
alten Horizonte der inneren Räume, stört daher diesen ge-
regelten Ablauf und führt Pfützen, oder — in die Grundmauern,
Gewölbe u. s. w. dringende unregelmässige Abläufe herbei.

So erzeugen und erhalten die Pflanzen die den alten
und rissigen Mauern weit mehr als den neuen glatten Wänden
schädliche Feuchtigkeit.

2. Noch grösser, noch leichter erkennbar ist der
Schaden, welchen die Vegetation durch das Auseinander-
drängen der Mauertheile herbeiführt. Mit scheinbar beschei-
dener Genügsamkeit entspringt in der feinsten Mauerritze
ein kümmerliches, auf die Entfernung weniger Schritte
kaum dem Auge erkennbares Pflänzchen. Betrachten wir
den so harmlosen Eindringling in einigen Jahren, er hat
sich zu einem ganz hübschen Stämmchen ausgebildet, seine
Wurzel hat mit stiller aber unwiderstehlicher Kraft die feine
Ritze zur tüchtigen Spalte erweitert, in die sich zum Über-
flüsse Regen- und Schneewasser festsetzt, angesogen von
einer Lage selbsterzeugten Humus, der sich wieder mit
einem Walde kleiner Gräser bedeckt. Noch ein paar Jahre,
es ist nun aus dem kleinen Pflänzchen ein Baum geworden
mit einer tüchtigen Krone. Gegen diese stürmen die Winde,
die den Stamm in die heftigste Bewegung versetzen; er
und die Wurzel wirken nun als mächtige Brechstange mit
unwiderstehlicher Hebelkraft, der nächste Sturm erweitert

die Spalte, der Baum stürzt, zerreisst die gespaltene
Mauer, zertrümmert vielleicht noch im Falle ein Paar nahe
Bautheile. So zerstört ein anfänglich ärmliches Pflänzchen
eine Mauer, die Jahrhunderten getrotzt hat, so kämpft die
Natur siegreich gegen das Menschenwerk.

Die im Innern der Gebäude anwachsenden Bäume
treiben ihre Wurzeln unter die Grundmauern und sprengen
dieselben mit jener unwiderstehlichen Kraft, der auch der
stärkste Fels weicht, selbst einzelne Äste werden so kräf-
tig, um im Wege stehende schwächere oder beschädigte
Mauern umzuwerfen. Und diese Bäume wachsen um so
schneller und kräftiger, weil sie gegen Winde und gegen
die heftigste Kälte geschützt sind, weil ihre abgefallenen
Blätter, gewöhnlich von Niemandem benützt, liegen bleiben
und gut düngen.

3. Nur wer die Versuche wiederholt hat, Ausdehnung,
Gestalt und Bestimmung der Theile unserer Ruinen zu er-
forschen, wenn diese so recht gründlich mit malerischem
Gestrüppe, Schlingpflanzen und Bäumen durch- und über-
wachsen und in Wald eingehüllt sind, gelangt zur Kennt-
niss, in welch unglaublichem Grade ein üppiger Ptlanzen-
wuchs Ansicht und Verständniss einer Ruine und ihrer
Theile zu hemmen vermag. Es gibt viele bedeutende Ruinen,
die man durchaus nicht sieht, bis man unmittelbar vor ihnen
steht, noch mehr die klein und unbedeutend erscheinen,
ohne es zu sein, von denen man aber nur theilweise oft
ärmliche Ansichten gewinnen kann. Es gibt solche Ruinen,
in deren Innern mit Beschwerde und sogar Gefahr herum-
zuirren ganz ohne lohnenden Erfolg bleibt, da man fort-
während über Wurzeln strauchelt, ober sich ein dichtes
Laubdach, neben sich ritzende Dornen und verwachsenes
Gestrüpp und vor sich die Aussicht auf Dickicht oder Schling-
pflanzenteppiche hat, nebenbei auch die erfreuliche Mög-
lichkeit, durch einen zurückgebogenen Zweig einen Stein-
hagel auf sich zu ziehen, oder in einen vom malerischen
Gesträuch verhüllten Brunnen oder Keller zu stürzen.

Und all diese Freude verdanken wir der an Unrechter
Stelle wuchernden Vegetation, sowohl der gegenwärtigen,
als den früheren, in Dammerde verwandelten Generationen
derselben.

Dass ein solches Chaos von Bäumen und Gesträuchen
oft auch die schönsten Aussichten aus den meist weitaus
schauenden Ruinen verschleiert, ist der mindere Schaden,
aber doch bedauerlich genug.

Eines Nachtheils der Pflanzenwelt in Ruinen muss ich
hier noch gelegentlich erwähnen. Fresken, Wappen, In-
schriften und selbst erhabene Steingebilde werden entweder
von Steinmoosen verdorben, oder die an ihnen anliegenden
Äste scheuern dieselben bis zur Unkenntlichkeit ab, bei
Regen auf nassem Wege, im Winter aber, wo sie trocken
und härter sind, als scharfe Besen.

Das wären nun Gründe genug, die Pflanzenwelt aus
unseren Ruinen zu entfernen, besonders da die diesfällige
 
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