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Die Geschichtsphilosophie Schellings, die wir darstellen
wollen, fällt in die ästhetische Blüteperiode der Romantik.
Es ist die Zeit, in welcher eine Reihe bedeutender lite-
rarischer Vertreter dieser glänzenden Kulturbewegung sich
um die Schlegel und ihr Athenäum scharte, die Zeit, in
welcher kein Problem so tief die Gemüter bewegte, wie das
Verhältnis der Kunst zur Natur und die Stellung der
ästhetischen Vernunft im gesamten Geistesleben. Im Athe-
näum ging vor allem Friedrich Schlegel den intimen Be-
ziehungen zwischen Mythologie und Religion und ihrem
wechselseitigen Verhältnis nach; in seinem Heinrich von
Ofterdingen suchte Novalis, der Liebling des romantischen
Kreises, die Identität von Geist und Natur, von Geschichte
und Poesie zu zeigen. Er versuchte darzustellen, wie in
dem zeitlos geltenden Reich der Poesie, das die wahre
Wirklichkeit bildet, die Schranke der Zeitlichkeit dahin
schwindet und wie eng die Beziehungen sind, welche Sitt-
lichkeit und Poesie, Religion und Kunst verbinden. Im Hy-
perion wies Hölderlin auf die Verwandtschaft der Philosophie
mit Religion und Kunst hin und stellte die Behauptung auf,
dass die Philosophie, wie sie aus der Dichtung entsprungen
sei, auch notwendig wieder in diese einmünden müsse, ein
Gedanke, der uns bei Schelling im System des transzenden-
talen Idealismus begegnet. In Schleiermachers vertiefter
Auffassung des religiösen Lebens, das nach ihm seinen
reinen Ausdruck in dem „frommen Gefühl" der Abhängigkeit
vom Weltgrunde findet, offenbart sich ein intimer Zusammen-
hang zwischen dem Aesthetischen und Religiösen. Beide
dulden keine Vergewaltigung durch theoretische und prak-
tische Normen und scheinen berufen zu sein die Gegensätze
zwischen theoretischer und praktischer Vernunft in einer
höheren Einheit aufzuheben, beide beruhen auf dem innersten
Wesen des menschlichen Gemüts, auf der Tiefe des Gefühls-
lebens. Dieser Höhepunkt der romantischen Bewegung, wie
er in den eigentümlichen, auf einen gemeinsamen geistigen
Lebensgrund gerichteten Bestrebungen sich darstellt, fiel
zusammen mit der klassischen Zeit unserer Dichtung, mit
der höchsten Reife und Vollendung in Goethes und Schillers
Schaffen, die durch das wechselseitige Geben und Empfangen,
durch den innigen Gedankenaustausch unserer grossen Dichter
bezeichnet ist.
Von dem Aesthetischen aus gewinnt diese Zeit ein
lebendiges Verhältnis zur Geschichte und den Wertwissen-
schaften überhaupt. Wie im Zeitalter der Renaissance das
naturwissenschaftliche Denken seinen bestimmenden Einfluss
geltend machte, so im Zeitalter der Romantik das historische.
Diese Zeit ist von einem starken Widerwillen gegen die ein-
Die Geschichtsphilosophie Schellings, die wir darstellen
wollen, fällt in die ästhetische Blüteperiode der Romantik.
Es ist die Zeit, in welcher eine Reihe bedeutender lite-
rarischer Vertreter dieser glänzenden Kulturbewegung sich
um die Schlegel und ihr Athenäum scharte, die Zeit, in
welcher kein Problem so tief die Gemüter bewegte, wie das
Verhältnis der Kunst zur Natur und die Stellung der
ästhetischen Vernunft im gesamten Geistesleben. Im Athe-
näum ging vor allem Friedrich Schlegel den intimen Be-
ziehungen zwischen Mythologie und Religion und ihrem
wechselseitigen Verhältnis nach; in seinem Heinrich von
Ofterdingen suchte Novalis, der Liebling des romantischen
Kreises, die Identität von Geist und Natur, von Geschichte
und Poesie zu zeigen. Er versuchte darzustellen, wie in
dem zeitlos geltenden Reich der Poesie, das die wahre
Wirklichkeit bildet, die Schranke der Zeitlichkeit dahin
schwindet und wie eng die Beziehungen sind, welche Sitt-
lichkeit und Poesie, Religion und Kunst verbinden. Im Hy-
perion wies Hölderlin auf die Verwandtschaft der Philosophie
mit Religion und Kunst hin und stellte die Behauptung auf,
dass die Philosophie, wie sie aus der Dichtung entsprungen
sei, auch notwendig wieder in diese einmünden müsse, ein
Gedanke, der uns bei Schelling im System des transzenden-
talen Idealismus begegnet. In Schleiermachers vertiefter
Auffassung des religiösen Lebens, das nach ihm seinen
reinen Ausdruck in dem „frommen Gefühl" der Abhängigkeit
vom Weltgrunde findet, offenbart sich ein intimer Zusammen-
hang zwischen dem Aesthetischen und Religiösen. Beide
dulden keine Vergewaltigung durch theoretische und prak-
tische Normen und scheinen berufen zu sein die Gegensätze
zwischen theoretischer und praktischer Vernunft in einer
höheren Einheit aufzuheben, beide beruhen auf dem innersten
Wesen des menschlichen Gemüts, auf der Tiefe des Gefühls-
lebens. Dieser Höhepunkt der romantischen Bewegung, wie
er in den eigentümlichen, auf einen gemeinsamen geistigen
Lebensgrund gerichteten Bestrebungen sich darstellt, fiel
zusammen mit der klassischen Zeit unserer Dichtung, mit
der höchsten Reife und Vollendung in Goethes und Schillers
Schaffen, die durch das wechselseitige Geben und Empfangen,
durch den innigen Gedankenaustausch unserer grossen Dichter
bezeichnet ist.
Von dem Aesthetischen aus gewinnt diese Zeit ein
lebendiges Verhältnis zur Geschichte und den Wertwissen-
schaften überhaupt. Wie im Zeitalter der Renaissance das
naturwissenschaftliche Denken seinen bestimmenden Einfluss
geltend machte, so im Zeitalter der Romantik das historische.
Diese Zeit ist von einem starken Widerwillen gegen die ein-