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tretene Lehre. Auch die deutsche Romantik neigt zum
Katholizismus, vielleicht weniger zu seiner Lehre als vielmehr
zu den Kultusformen der römischen Kirche, die einen grossen
poetischen Reiz auf sie ausüben.
Ursprünglich wenigstens herrscht in der Hinneigung zum
Katholizismus das ästhetische Wohlgefallen vor, welches
die imposante Macht, die Universalität und den äusseren
Glanz der römischen Kirche als das poetisch Wertvollere
empfindet. Dem Protestantismus wird aus ästhetischen Be-
weggründen der Vorwurf gemacht, dass er das mythenbildendc
Element des Christentums zerstört habe1), ist doch die
Mythologie der eigentliche Stoff der Poesie, ohne den kein
wahres Kunstwerk möglich ist2). Wenn aber auch der
Protestantismus den Glauben an das Wunderbare, den einzigen
mythologischen Stoff des Christentums vernichtet hat, so
wird seine historische Bedeutsamkeit von Schelling doch
keineswegs verkannt: „der Protestantismus war historisch
notwendig, und hoch zu preisen sind jene Helden, die we-
nigstens in einigen Teilen der Welt die Freiheit des Denkens
und der Erfindung begründeten". Auch der französische
Romantiker Comte erkennt bis zu einem gewissen Grade
die historische Leistung der protestantischen Lehre an, wenn
er auch von einer sympathischen Würdigung des Protestan-
tismus weit entfernt ist. Beide Philosophen stimmen darin
überein, dass der Protestantismus sehr bald dogmatisch
geworden sei und die neue Autorität des Buchstabens an
die Stelle der alten gesetzt habe. Auch soll er, wie beide
behaupten, seiner ganzen Natur nach ein negatives Prinzip
sein und mit seinem Gegensatz, dem Katholiszismus, stehen
und fallen3). Der Protestantismus gilt nun einmal der
Romantik als der Anfang der grossen kritisch-revolutionären
Bewegung auf allen Gebieten des Geisteslebens, die eine
so heftige Erschütterung der gesellschaftlichen Ordnung
hervorgerufen und sich in der Aufklärung vollendet hat.
Die Romantik ist die erklärte Feindin aller Revolution.
Sie verwirft prinzipiell die gewaltsame Durchbrechung der
historischen Kontinuität. Allen darauf gerichteten negativen
Tendenzen soll etwas Positives entgegengesetzt werden, das
verlangt die französische Romantik ebensowohl wie die
deutsche. Der Gedanke einer „positiven Philosophie" klingt
in der deutschen Literatur schon im Athenäum an. Dort
heisst es nämlich: „Kant hat den Begriff des Negativen in
die Weltweisheit eingeführt. Sollte es nicht ein nützlicher
1) Athenäum, Bd. II, S. 144.
2) Schelling, Werke I, 5, S. 441 und 42.
3) Schelling, a. a. 0. I, 5, S. 440. Comte Cours. Bd. V, S. 409—24.
tretene Lehre. Auch die deutsche Romantik neigt zum
Katholizismus, vielleicht weniger zu seiner Lehre als vielmehr
zu den Kultusformen der römischen Kirche, die einen grossen
poetischen Reiz auf sie ausüben.
Ursprünglich wenigstens herrscht in der Hinneigung zum
Katholizismus das ästhetische Wohlgefallen vor, welches
die imposante Macht, die Universalität und den äusseren
Glanz der römischen Kirche als das poetisch Wertvollere
empfindet. Dem Protestantismus wird aus ästhetischen Be-
weggründen der Vorwurf gemacht, dass er das mythenbildendc
Element des Christentums zerstört habe1), ist doch die
Mythologie der eigentliche Stoff der Poesie, ohne den kein
wahres Kunstwerk möglich ist2). Wenn aber auch der
Protestantismus den Glauben an das Wunderbare, den einzigen
mythologischen Stoff des Christentums vernichtet hat, so
wird seine historische Bedeutsamkeit von Schelling doch
keineswegs verkannt: „der Protestantismus war historisch
notwendig, und hoch zu preisen sind jene Helden, die we-
nigstens in einigen Teilen der Welt die Freiheit des Denkens
und der Erfindung begründeten". Auch der französische
Romantiker Comte erkennt bis zu einem gewissen Grade
die historische Leistung der protestantischen Lehre an, wenn
er auch von einer sympathischen Würdigung des Protestan-
tismus weit entfernt ist. Beide Philosophen stimmen darin
überein, dass der Protestantismus sehr bald dogmatisch
geworden sei und die neue Autorität des Buchstabens an
die Stelle der alten gesetzt habe. Auch soll er, wie beide
behaupten, seiner ganzen Natur nach ein negatives Prinzip
sein und mit seinem Gegensatz, dem Katholiszismus, stehen
und fallen3). Der Protestantismus gilt nun einmal der
Romantik als der Anfang der grossen kritisch-revolutionären
Bewegung auf allen Gebieten des Geisteslebens, die eine
so heftige Erschütterung der gesellschaftlichen Ordnung
hervorgerufen und sich in der Aufklärung vollendet hat.
Die Romantik ist die erklärte Feindin aller Revolution.
Sie verwirft prinzipiell die gewaltsame Durchbrechung der
historischen Kontinuität. Allen darauf gerichteten negativen
Tendenzen soll etwas Positives entgegengesetzt werden, das
verlangt die französische Romantik ebensowohl wie die
deutsche. Der Gedanke einer „positiven Philosophie" klingt
in der deutschen Literatur schon im Athenäum an. Dort
heisst es nämlich: „Kant hat den Begriff des Negativen in
die Weltweisheit eingeführt. Sollte es nicht ein nützlicher
1) Athenäum, Bd. II, S. 144.
2) Schelling, Werke I, 5, S. 441 und 42.
3) Schelling, a. a. 0. I, 5, S. 440. Comte Cours. Bd. V, S. 409—24.