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Meyer, Julius [Editor]; Nagler, Georg Kaspar [Oth.]
Allgemeines Künstler-Lexikon: unter Mitwirkung der namhaftesten Fachgelehrten des In- u. Auslandes (1): Aa - Andreani — Leipzig: Engelmann, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.49957#0145
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Bernhard

sich, unerachtet der künstlerische Trieb früh in
ihm erwachte, zum Handwerk bequemen. Zu-
erst vier Jahre Lehrling bei einem Klempner,
dann als Geselle sieben Jahre auf der Wande-
rung, war er in der bescheidenen Laufbahn des
Handwerkers zum Mann geworden; doch hatte
er seine Mussestunden immer zum Zeichnen, Me-
talltreiben und Schnitzen benutzt und sich so
ohne Anleitung eine gewisse künstlerische
Uebung erworben. Das ermöglichte ihm nach
seiner Rückkehr (1838) den Eintritt in eine Nürn-
berger Silberplattirfabrik, wo er mehr mit der
Bildung der Gefässformen u. s. f. als mit hand-
werklicher Arbeit zu thun hatte. Auch konnte
er nun die Kunstschule besuchen, da er sich den
Direktor der Anstalt, den Kupferstecher Rein-
del, zum Gönner gewann und zugleich beim Ma-
gistrat Unterstützung fand. Was er hier zu
Stande brachte, eine Reihe von Studien in Holz
und Stein, die ihm eigentlich nur als Modelle für
seine Thätigkeit in jener Fabrik dienen sollten,
das waren schon die ersten Leistungen des wer-
denden Künstlers. Auch sollten sie für sein fer-
neres Leben entscheidend werden. Im J. 1840
kam, zum Dürerfeste geladen, Rauch nach Nürn-
berg. Rasch erkannte dort der Meister auf einer
Ausstellung der Kunstschüler in den Arbeiten
Afinger’s ein bildungsfähiges Talent, und machte
ihm den Vorschlag, in Berlin unter seiner Lei-
tung zu arbeiten. Afinger sagte auf der Stelle zu.
Allein leicht sollte ihm die neue Laufbahn und
zunächst die Ausbildung in der Rauch’schen
Schule nicht werden. In Nürnberg hatten sich
seine Anschauung wie sein Talent unter den
Eindrücken der mittelalterlichen Plastik ent-
wickelt. Nothwendig musste nun in Rauch’s
Werkstatt eine Umbildung mit ihm vorgehen.
Ihre Grundlage war das Verständniss des Kör-
pers und der Gewandung nach den Grundsätzen
der Antike, und dieser Formenwelt stand unser
Künstler beim Eintritt schlechterdings fremd
gegenüber. Er hatte zu ringen mit seiner harten
und unflüssigen Hand, seiner eingeschränkten
Auffassung. Doch ging es rascher und besser
mit ihm, als es zuerst den Anschein hatte. Dazu
kam ihm die grosse Lehrfähigkeit von Rauch
sehr zu Statten. Allraälig und in anstrengender
Arbeit gelang es ihm, durch den Anschluss an
die Kunstweise des Meisters, sich die Kenntniss
der ächt plastischen Norm, zu der die Antike
die menschliche Gestalt ausgebildet hat, zu er-
werben. Die Kopie, welche er in dessen Atelier
nach der Sarkophagstatue der Königin Louise
ausführte, war die erste Frucht dieses Studiums;
sie fand bald vielfache Verbreitung. Bald darauf
erhielt er auf Rauch’s Empfehlung einen Theil
der Arbeit an der dekorativen Ausstattung des
neuen Berliner Museums.
Als A. 1842 auf einige Zeit nach Nürnberg
zurückkehrte, fand er dort Gelegenheit zu einer
grösseren Arbeit. Er hatte einen kolossalen
Christus, halbe Figur in Hochrelief, in Sandstein,

Afinger. 111
zu bilden für die neue romanische Kirche in
Dinkelsbühl (im Rundbogenfeld über der Thür).
Die Gewandung ist hier der Antike entnommen
und in ihrem Geiste behandelt; aber in der Figur
selber ist noch die Gebundenheit der altdeut-
schen Plastik und die absichtliche Härte ihrer
Formen. Auch später noch suchte er bisweilen
seine neuen Studien mit der deutschen Auffas-
sung der christlichen Gestalten zu verbinden, in
Christusbildern und Heiligenfiguren. In der
Statuette einer Jungfrau mit dem Kinde gelang
ihm das insofern besser, als er sich liier nicht
mehr an die frühere mittelalterliche Behand-
lungsweise , sondern an diejenige P. Vischer's
anschloss, die selber in ihrer breiten und flüssi-
gen Art einen tief verwandten Zug mit der An-
tike hat. Doch erhielt A.’s Talent seinen vollen
Ausdruck erst in einem Werke profaner Art vom
J. 1850. Es ist die Statuette der Schauspielerin
Rachel, ausgeführt im Auftrag des Königs von
Preussen (auf der Pfaueninsel bei Potsdam); sie
sollte erst nur die Kopie einer französischen Sta-
tuette sein, aber unter den Händen wurde sie dem
Künstler zu einer selbständigen Arbeit.
Noch entschiedener trat seine Fähigkeit, die
Wahrheit des individuellen Lebens in schöner
Form auszusprechen, in einigen Werken der
nächsten Jahre hervor : in den Reliefbildnissen
des Prinzen von Preussen und seiner Gemahlin,
des Generals v. Wrangel (in Erz 1850) und in
den viel verbreiteten Medaillonporträts von
Rauch, Cornelius, Kaulbach und A. von Hum-
boldt (1854—1856). In ihnen zeigt sich ein feines
Verständniss des Physiognomischen, verbunden
mit edler Auffassung und durchgebildeter Mo-
dcllirung. Als sich der Künstler von Neuem dem
Kreise der christlichen Heiligengestalten zuwen-
dete, in einer Reihe von Sandsteinfiguren, die er
im Auftrage der Herzogin von Sagan für die
dortige Schlosskirche auszuführen hatte: da be-
wies er, dass er durch jene Arbeiten von seiner
altdeutschen Manier bis auf wenige Härten frei
geworden (von diesen Figuren sind besonders
die hl. Dorothea und die hl. Katharina, die leid-
tragende Maria und das Bild des Gekreuzigten
hervorzuheben). Doch überragt auch diese Ar-
beiten wieder eine Porträtbüste des Künstlers,
diejenige der Herzogin von Sagan (1854 in Mar-
mor ausgeführt, im Schlosse daselbst; eine Wie-
derholung im Schlosse zu Charlottenburg). Noch
einmal, 1857, wurde ihm eine Aufgabe zu Theil,
bei der er mehr als je mit der antiken Schönheit
der Formen die Innigkeit religiösen Gefühls zu
verschmelzen suchte. Im Auftrage des Grafen
Pourtales arbeitete er für dessen Familienbegräb-
niss in der Kirche des Gutes Laasow (in der Nie-
derlausitz) die Figur eines knieenden Engels,
der als Bote des Herrn gedacht den suchenden
Marien am Grabe die Weisung gibt, dass Christus
auferstanden sei. Annähernd ist hier wenigstens
erreicht, was der modernen christlichen Plastik
nie ganz gelungen ist: den Ausdruck religiösen
 
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