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Mathias Hensch
Charakter über den Umfang einer Sondagegrabung hinausgingen und die
durch ihre Ergebnisse Aussagen zur Kontinuität und Entwicklung der Bau-
formen, ihrer baulichen Konzeption und Siedlungsabläufe zulassen, sind an
einer Hand abzuzählen. Ihnen kommt daher besondere Bedeutung zu, um
weiterführende Ergebnisse zu erzielen. Zudem begreift sich die Burgenfor-
schung in der Tradition Otto Piepers5 und Carl Schuchardts6 allzu oft als isolier-
te kunsthistorische bzw. baugeschichtliche Disziplin, die erst mit dem erhalte-
nen Baubestand einsetzt, der zumeist bestenfalls in die Zeit um 1200
zurückreicht. Wichtige Ergebnisse der Stadt- und Kirchenarchäologie, der Sied-
lungsarchäologie und der historischen Topographie sowie der Erforschung von
Herrschafts-, Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen werden dabei häufig nicht
ausreichend berücksichtigt7.
Fragen und Probleme der Geschichte von Königtum, Adel und Ministerialität,
etwa wie sich das Repräsentationsbedürfnis der Herrschaftsträger im frühen Bur-
genbau manifestieren konnte, werden, wenn überhaupt, nur ganz oberflächlich
wahrgenommen oder aufgrund von Befunden aus sehr viel jüngeren Epochen
zurückprojiziert. Ansätze zu einer interdisziplinären Betrachtung des Burgenbaus
wurden - besonders auch von archäologischer und kunsthistorischer Seite - in
Süddeutschland letztlich nicht konsequent auf gegriffen und fortgeführt8. Ein sol-
ches Vorgehen ist aus Sicht der Mediävistik unbefriedigend, andererseits auch
nicht verwunderlich, da die Quellengrundlage zu einer pointierteren Beurteilung
derartiger Forschungsprobleme weitgehend fehlt.
Betrachtet man die Erforschung des bayerischen Burgenbaus der salischen
und frühstaufischen Periode wird dieses Dilemma besonders deutlich. Hubertus
Seibert weist beispielsweise in seinem 2002 erschienenen Beitrag zur entstehen-
den »territorialen Ordnung« der späten Salier- und frühen Stauferzeit am Bei-
spiel Bayerns - und hier besonders der Wittelsbacher Grafen - ausdrücklich
darauf hin, welche wichtige Rolle Burgen für die Expansion und Absicherung
von Herrschaft spielten9. Daß sich dieser Stellenwert des Burgenbaus nicht al-
lein in der Anlage und im Ausbau von Burgen im administrativen Kontext,
sondern darüber hinaus auch in der Darstellung von Macht und herrschaftlicher
Repräsentation gespiegelt in der Entwicklung progressiver Architekturformen,
äußerte, liegt wohl auf der Hand, ist aber auch von Seiten der Archäologie oft-
mals nur schwer zu beschreiben. Für die frühen Zeitabschnitte des mittelalterli-
5 Otto Pieper, Burgenkunde. Bauwesen und Geschichte der Burgen, München 31912.
6 CARL Schuchardt, Die Burg im Wandel der Weltgeschichte, Darmstadt 1931.
7 RONNEFELDT, Burgenarchäologie (wie Anm. 2), S. 61; HENSCH, Burg Sulzbach (wie Anm. 4),
S. 21.
8 Vgl. hierzu etwa Die Burgen im deutschen Sprachraum. Ihre rechts- und verfassungsgeschicht-
liche Bedeutung, hg. von HANS PATZE (Vorträge und Forschungen 19), 2 Bde., Sigmaringen
1976; Gerhard Streich, Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters. Untersuchun-
gen zur Sakraltopographie von Pfalzen, Burgen und Herrensitzen (Vorträge und Forschungen
29), 2 Bde., Sigmaringen 1984.
9 HUBERTUS Seibert, Die entstehende »territoriale Ordnung« am Beispiel Bayerns (1115-1198), in:
Stauferreich im Wandel, hg. von STEFAN WEINFURTER (Mittelalter-Forschungen 9), Stuttgart
2002, S. 253-287, hier S. 258.
Mathias Hensch
Charakter über den Umfang einer Sondagegrabung hinausgingen und die
durch ihre Ergebnisse Aussagen zur Kontinuität und Entwicklung der Bau-
formen, ihrer baulichen Konzeption und Siedlungsabläufe zulassen, sind an
einer Hand abzuzählen. Ihnen kommt daher besondere Bedeutung zu, um
weiterführende Ergebnisse zu erzielen. Zudem begreift sich die Burgenfor-
schung in der Tradition Otto Piepers5 und Carl Schuchardts6 allzu oft als isolier-
te kunsthistorische bzw. baugeschichtliche Disziplin, die erst mit dem erhalte-
nen Baubestand einsetzt, der zumeist bestenfalls in die Zeit um 1200
zurückreicht. Wichtige Ergebnisse der Stadt- und Kirchenarchäologie, der Sied-
lungsarchäologie und der historischen Topographie sowie der Erforschung von
Herrschafts-, Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen werden dabei häufig nicht
ausreichend berücksichtigt7.
Fragen und Probleme der Geschichte von Königtum, Adel und Ministerialität,
etwa wie sich das Repräsentationsbedürfnis der Herrschaftsträger im frühen Bur-
genbau manifestieren konnte, werden, wenn überhaupt, nur ganz oberflächlich
wahrgenommen oder aufgrund von Befunden aus sehr viel jüngeren Epochen
zurückprojiziert. Ansätze zu einer interdisziplinären Betrachtung des Burgenbaus
wurden - besonders auch von archäologischer und kunsthistorischer Seite - in
Süddeutschland letztlich nicht konsequent auf gegriffen und fortgeführt8. Ein sol-
ches Vorgehen ist aus Sicht der Mediävistik unbefriedigend, andererseits auch
nicht verwunderlich, da die Quellengrundlage zu einer pointierteren Beurteilung
derartiger Forschungsprobleme weitgehend fehlt.
Betrachtet man die Erforschung des bayerischen Burgenbaus der salischen
und frühstaufischen Periode wird dieses Dilemma besonders deutlich. Hubertus
Seibert weist beispielsweise in seinem 2002 erschienenen Beitrag zur entstehen-
den »territorialen Ordnung« der späten Salier- und frühen Stauferzeit am Bei-
spiel Bayerns - und hier besonders der Wittelsbacher Grafen - ausdrücklich
darauf hin, welche wichtige Rolle Burgen für die Expansion und Absicherung
von Herrschaft spielten9. Daß sich dieser Stellenwert des Burgenbaus nicht al-
lein in der Anlage und im Ausbau von Burgen im administrativen Kontext,
sondern darüber hinaus auch in der Darstellung von Macht und herrschaftlicher
Repräsentation gespiegelt in der Entwicklung progressiver Architekturformen,
äußerte, liegt wohl auf der Hand, ist aber auch von Seiten der Archäologie oft-
mals nur schwer zu beschreiben. Für die frühen Zeitabschnitte des mittelalterli-
5 Otto Pieper, Burgenkunde. Bauwesen und Geschichte der Burgen, München 31912.
6 CARL Schuchardt, Die Burg im Wandel der Weltgeschichte, Darmstadt 1931.
7 RONNEFELDT, Burgenarchäologie (wie Anm. 2), S. 61; HENSCH, Burg Sulzbach (wie Anm. 4),
S. 21.
8 Vgl. hierzu etwa Die Burgen im deutschen Sprachraum. Ihre rechts- und verfassungsgeschicht-
liche Bedeutung, hg. von HANS PATZE (Vorträge und Forschungen 19), 2 Bde., Sigmaringen
1976; Gerhard Streich, Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters. Untersuchun-
gen zur Sakraltopographie von Pfalzen, Burgen und Herrensitzen (Vorträge und Forschungen
29), 2 Bde., Sigmaringen 1984.
9 HUBERTUS Seibert, Die entstehende »territoriale Ordnung« am Beispiel Bayerns (1115-1198), in:
Stauferreich im Wandel, hg. von STEFAN WEINFURTER (Mittelalter-Forschungen 9), Stuttgart
2002, S. 253-287, hier S. 258.