Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Seibert, Hubertus; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Grafen, Herzöge, Könige: der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079 - 1152) — Mittelalter-Forschungen, Band 18: Ostfildern, 2005

DOI article:
Hageneier, Lars,: Die frühen Staufer bei Otto von Freising oder Wie sind die Gesta Friderici entstanden?
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34732#0376

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
364

Lars Hageneier

Frühjahr des Jahres 11579 an seinen Neffen Kaiser Friedrich Barbarossa, nach-
dem dieser ihn wohl im Jahr zuvor darum gebeten hatte10. Offenbar von der
Notwendigkeit überzeugt, vor dem Kaiser den in der Chronik vorherrschen-
den pessimistischem11 Grundton zu rechtfertigen, bat Otto, »zur Kenntnis zu

nimmt aber an, daß die Dedikationsfassung von 1157 in Universum, auctore ipso testante, non mu-
tata sei (in: Ottonis episcopi Frisingensis Chronica [wie Anm. 1], S. XIII). Dennoch glaubt
HOFMEISTER, spätere Ergänzungen im Widmungsexemplar aufzeigen zu können, die entweder
auf persönliche Erlebnisse Ottos während des Kreuzzuges oder auf ihm hinterbrachte Nach-
richten (auf der Reise mit Konrad III. an den Niederrhein) zurückzuführen seien (ebd., S. XHIf.),
und die sich (allerdings nur zum Teil) exakt auf den Zeitraum zwischen 1147 und 1157 datieren
lassen (Eroberung Lissabons Okt. 1147; ebd., S. XIII; Ottonis episcopi Frisingensis Chronica [wie
Anm. 1], I, 26, S. 59). Insofern sind wir über die Art und den Umfang einer Bearbeitung der
Chronik vor der Überreichung an Friedrich Barbarossa aus editorischer Perspektive nur höchst
unvollständig unterrichtet. Es lassen sich auf diesem Wege jedenfalls keine stichhaltigen
Argumente beibringen, die auf eine substantielle Überarbeitung des Werkes deuten, bevor es
dem Kaiser überbracht wurde. Diese Feststellung bleibt auch bestehen, wenn die oben zitierte
Behauptung HOFMEISTERS, Otto selbst habe bezeugt, sein Werk nicht verändert zu haben (aucto-
re ipso testante), als überzogen zu gelten hat. Otto hebt in seinem Dedikationsschreiben an Fried-
rich lediglich entschuldigend hervor, daß »jeder Schluß unserer Bücher bis auf den des sieben-
ten und des achten Buches ... in Jammer endet« (Ottonis episcopi Frisingensis Chronica [wie
Anm. 1], S. 3: ... et sic unamquamque librorum distinctionem usque ad septimum et octavum ... in
miseria terminasse.)
9 Zumindest der Begleitbrief Ottos an Friedrich ist nicht vor Ende März 1157 geschrieben, da in
ihm auf den Hoftag in Fulda und die dort angesagte Heerfahrt gegen Mailand (J. F. BÖHMER,
Regesta Imperii IV,1: Die Regesten des Kaiserreiches unter Lothar III. und Konrad III., bearb.
von WOLFGANG Petke, Köln/ Weimar/Wien 1994 [künftig zitiert als RI IV/1], Nr. 442, S. 138)
Bezug genommen wird: Ottonis episcopi Frisingensis Chronica (wie Anm. 1), S. 3; zur Datie-
rung vgl. HOFMEISTER, in: Ottonis episcopi Frisingensis Chronica (wie Anm. 1), S. XIII.
10 Ottonis episcopi Frisingensis Chronica (wie Anm. 1), S. 1 (Begleitbrief Ottos an Barbarossa):
Petivit vestra imperialis maiestas a nostra parvitate, quatenus über, qui ante aliqout annos de mutatione
rerum a nobis ob nubilosa tempora conscriptus est, vestrae transmitteretur serenitati. FRANZ-JOSEF
SCHMALE, in: Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, ed.
FRANZ-JOSEF SCHMALE (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 17),
Darmstadt 1965, S. 1 Anm. 2, mutmaßt, daß die Aufforderung Barbarossas an Otto auf dem
Regensburger Hoftag im September 1156 ergangen sei, worin ihm LAMMERS, Weltgeschichte
und Zeitgeschichte (wie Anm. 3), S. 77 und S. 84 Anm. 1 sowie ODILO ENGELS, Beiträge zur
Geschichte der Staufer im 12. Jahrhundert (I), in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittel-
alters 27, 1971, S. 373-456, S. 406 Anm. 142, beipflichten. Außer daß sich hier, bei den Verhand-
lungen zur Beilegung des staufisch-welfisch-babenbergischen Konfliktes um das Herzogtum
Bayern, an denen Otto als maßgeblicher Vermittler beteiligt war (vgl. KlRCHNER-FEYERABEND,
Otto von Freising [wie Anm. 5], S. 287f£), dem Kaiser eine gute Gelegenheit bot, persönlich sein
Anliegen vorzubringen, spricht nichts für diese Konkretisierung SCHMALES. Ebenso gut könnte
der Bischof von seinem kaiserlichen Neffen auf dem Würzburger Hoftag im Juni 1156 (Hoch-
zeit mit Beatrix) aufgefordert worden sein, ihm sein Geschichtswerk, von dem Barbarossa seit
dem gemeinsamen Kreuzzug gewußt haben wird, zu übermitteln. Daneben ist natürlich auch
eine schriftliche Bitte an den Bischof denkbar.
11 Der Begriff »Pessimismus« (vs. Optimismus) ist in seiner »Alltagsbedeutung«, wie GOETZ, Ge-
schichtsbild (wie Anm. 3), S. 90ff. in Auseinandersetzung mit älteren Ansichten ausführt, in der
Tat zur Bezeichnung von Ottos Geschichtsauffassung nicht sehr glücklich gewählt. Vor dem
Bedeutungshintergrund, der dem Begriff allerdings im engeren philosophischen Diskurs zuge-
schrieben wird, trifft er genau das Richtige: Er bezeichnet dort eben nicht eine fatalistisch-
negative Geisteshaltung im allgemeinen, sondern eine durchaus mit dem >Willen zum Glück<
konzipierte Weitsicht, nur eben von den denkbar ungünstigsten Prämissen ausgehend, die aus
einer schonungslosen Betrachtung der realen Begebenheiten gewonnen sind.
 
Annotationen