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Seibert, Hubertus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Grafen, Herzöge, Könige: der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079 - 1152) — Mittelalter-Forschungen, Band 18: Ostfildern, 2005

DOI Artikel:
Winterling, Monika,: Zur Darstellung Heinrichs V. und Lothars III. in der deutschen Kaiserchronik des 12. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.34732#0410

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398

Monika Winterling

vielfach fabelhaft bleibt5, ändert sich dies mit Beginn der Erzählungen zu den
Herrschern des Mittelalters ab Ludwig dem Frommen, die zumindest inhalt-
lich den Berichten aus den bekannten lateinischen Quellen nahe stehen6.
Daß mit der Darstellung von Wissen aus und über die Vergangenheit in
der Kaiserchronik offensichtlich einem Bedürfnis der Zeit entsprochen wurde,
macht die weite Verbreitung des Werkes bis ins 16. Jahrhundert hinein deut-
lich7. Dies mag auch an der außergewöhnlichen Konzeption der Kaiserchronik
gelegen haben, die als erste deutsche Reimchronik erstmals zwei Traditionen
zu verbinden versucht, die bisher als weitgehend unvereinbar galten: die von
Schriftsprache geprägte Tradition lateinischer chronikalischer Historiographie
auf der einen und die bisher weitgehend durch mündliche Tradition geprägte
Volkssprache auf der anderen Seite. Im Prolog der Kaiserchronik kommt die-
ses Spannungsverhältnis in den Worten crönica und ze diute8 zum Ausdruck.
Denn mit der Bezeichnung seines Werkes als crönica reiht sich der Dichter
einerseits in die Tradition lateinischer Weltchronistik ein, die in ihrer Art der
Darstellung weitgehend von klaren Regeln bestimmt war. Indem er sein Werk
aber in der Volkssprache, ze diute, verfaßt, folgt er andererseits einer Tradition,
für deren schriftliche Umsetzung sich diese Regeln im Laufe des 12. Jahrhun-
derts erst auszubilden begannen.

5 Eine umfassende Untersuchung zu den Quellen im ersten Teil des Werkes bis Karl den Großen
bei Ernst Friedrich Ohly, Sage und Legende in der Kaiserchronik, Münster 1940 (ND Darm-
stadt 1968).
6 So eines der Ergebnisse meiner Dissertation (wie Anm. 1), in welcher ich entsprechende ver-
gleichende Untersuchungen zwischen den Erzählungen der Kaiserchronik und ausgewählten
lateinischen Quellen angestellt habe.
7 Überliefert ist die Kaiserchronik im Codex 276 der Sammelhandschrift aus dem Augustiner-
Chorherrenstift Vor au zusammen mit einer Reihe frühmittelhochdeutscher Gedichte sowie den
Gesta Frederici Ottos von Freising vgl. hierzu KLAUS GRUBMÜLLER, Die Vorauer Handschrift
und ihr Alexander. Die kodikologischen Befunde: Bestandsaufnahme und Kritik, in: Alexan-
derdichtungen im Mittelalter. Kulturelle Selbstbestimmungen im Kontext literarischer Be-
ziehungen, hg. von Jan Cölln/Susanne Friede/Hartmut Wulfram (Veröffentlichungen aus
dem Göttinger Sonderforschungsbereich 529 »Intemationalität nationaler Literaturen«. Serie A,
Bd. I), Göttingen 2000, S. 208-221, und PETER WIND, Die Entstehung des Vorauer Evangeliars in
der Steiermark, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark 86,1995, S. 45-61; zur Be-
schreibung der Vorauer Handschrift vgl. KARL KONRAD POLHEIM, Die deutschen Gedichte der
Vorauer Handschrift (Kodex 276 - II. Teil), Graz 1958; über den Vorauer Codex hinaus hat die
Kaiserchronik mit über 40 Handschriften verschiedener Redaktionen bis ins 16. Jahrhundert
und mindestens 15 Zeugen einer Prosaauflösung weite Verbreitung gefunden. Benutzt wurde
die Kaiserchronik vor allem in deutschen Chroniken, im Schwabenspiegel, im Rolandslied so-
wie bei Wolfram von Eschenbach. Weiter diente sie dem Dichter Otte in seinem Eraclius neben
der Chronik Ottos von Freising als Quelle. Eine Handschrift der Chronik Frutolfs von Michels-
berg aus dem 12. Jahrhundert bringt die Verse der Kaiserchronik von der Umweihung des
Pantheon in lateinischer Übersetzung; vgl. hierzu EBERHARD Nellmann, Kaiserchronik (wie
Anm. 2), Sp. 856f.; DERS., Die Reichsidee in deutschen Dichtungen der Salier- und frühen
Stauferzeit. Annolied - Kaiserchronik - Rolandslied - Eraclius (Philologische Studien und
Quellen 16), Berlin 1963, S. 64; SCHRÖDER, Kaiserchronik (wie Anm. 3), S. 73-78.
8 Im Prolog der Kaiserchronik, SCHRÖDER, Kaiserchronik (wie Anm. 3), vv 15-17 heißt es: Ein
buoch ist ze diute getihtetjdaz uns Römisces riches wol berihtetjgehaizzen ist iz crönica.
 
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