96
Kapitel 3
gewesen, die man als tyrannisch ansah. Wenn der König gerecht herrschte, so
reichte es aus, wenn er die Belange seiner bedeutenden Untertanen ernst nahm
und sie bei seinen Entscheidungen angemessen berücksichtigte. Mit dem Rück-
gang des Misstrauens konnten auch die Freiheitsgarantien knapper gefasst wer-
den. Die Text der Magna Carta von 1225 ist daher deutlich kürzer als der Text von
1215Ü Der Wortlaut von 1225 wurde zum verbindlichen Text der Magna Carta. Es
war dieser Text, der im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts immer wieder bestä-
tigt wurde und den Edward I. im Jahr 1297 ein letztes Mal in Form einer königli-
chen Urkunde bekräftigte/ Das weitere Schicksal der Magna Carta im 13. Jahr-
hundert ist indes das Thema des nächsten Kapitels, zunächst soll es um die Frage
gehen, wie sich die politischen Konstellationen im 13. Jahrhundert weiter entwi-
ckelten.
Die Geschichte der Verfassungskonflikte im englischen 13. Jahrhundert ist zu
einem großen Teil die Geschichte des Königtums von Heinrich III., denn Heinrich
regierte das Land von 1227 bis 1272T Er war kein populärer König und auch keine
energische Herrschergestalt wie sein Sohn Edward I. (1274-1307), aber er war im-
merhin fast 30 Jahre König, bevor es einen ersten massiven Widerstand gegen
seine Politik gab. Unzufriedenheit hatte es allerdings schon zuvor gegeben, doch
wollen wir uns in diesem Kapitel auf tatsächliche Krisen konzentrierend Im Jahre
1227 hatte Heinrich sich für volljährig erklärt und die Regierungsgeschäfte weit-
gehend in die eigene Hand genommen. Die lange erste Phase seiner eigenständi-
gen Regierung 1227-58 wird als die Zeit der „personal rule" Heinrichs III. be-
zeichnet.'" Sie endet in einer längeren schweren Herrschaftskrise 1258-65, in der
6 Chartes des Libertes Anglaises, ed. Bemont, S. 46-60.
7 Zu den Bestätigungen der Magna Carta im 13. Jahrhundert vgl. etwa F. THOMPSON, The First
Century of Magna Carta: why it persisted as a Document (Research Publications of the Uni-
versity of Minnesota 16), Minneapolis 1925, Appendix C; zur Magna Carta von 1297 vgl.
auch Chartes des Libertes Anglaises, ed. Bemont, S. 45, vgl. auch Abb. 1.
8 Zur Königsherrschaft Heinrichs III. etwa neben der klassischen und noch immer hilfreichen
Studie von M. POWICKE, King Henry III and the Lord Edward. The Community of the Realm
in the 13th Century, Bd. 1-2, Oxford 1947, v. a.: D. A. CARPENTER, The Reign of Henry III,
London/Rio Grande 1996; M. T. CLANCHY, Did Henry III have a Policy?, in: History 53 (1968),
S. 203-216; vgl. auch B. K. U. WEILER, Henry III of England and the Staufen Empire. 1216-
1272, Woodbridge 2006; CARPENTER, The Plantagenet Kings, S. 327-342.
9 Ein Hinweis auf Unzufriedenheiten mit der Herrschaft Heinrichs III. liefert die sogenannte
„Paper Constitution" von 1238 oder 1244 (ihre genaue Datierung ist unklar): Matthaeus Pari-
siensis. Chronica maiora, Bd. 4, ed. Luard, S. 366-368. Da die „Paper Constitution", die eher
einen unfertigen Entwurf für eine politische Reform darstellt, nicht eindeutig einer histori-
schen Situation oder bekannten Krise zuzuordnen ist, wird sie im nächsten Kapitel behan-
delt, wenn es um die Überlieferungstradition der Magna Carta und ihrer Freiheitsrechte
geht. Vgl. zur „Paper Constitution" auch: C. R. CHENEY, The ,Paper Constitution' preserved
by Matthew Paris, in: The English Historical Review 65 (1950), S. 213-221; zuletzt in:
C. R. CHENEY, Medieval Texts and Studies, Oxford 1973, S. 231-241 (insb. zur Frage der his-
torischen Zuordnung und Datierung).
10 Zur „personal rule" Heinrichs III. vgl. etwa: D. A. CARPENTER, King, Magnates and Society:
The Personal Rule of King Henry III (1234-1258), in: Speculum 60 (1985), S. 39-70. .
Kapitel 3
gewesen, die man als tyrannisch ansah. Wenn der König gerecht herrschte, so
reichte es aus, wenn er die Belange seiner bedeutenden Untertanen ernst nahm
und sie bei seinen Entscheidungen angemessen berücksichtigte. Mit dem Rück-
gang des Misstrauens konnten auch die Freiheitsgarantien knapper gefasst wer-
den. Die Text der Magna Carta von 1225 ist daher deutlich kürzer als der Text von
1215Ü Der Wortlaut von 1225 wurde zum verbindlichen Text der Magna Carta. Es
war dieser Text, der im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts immer wieder bestä-
tigt wurde und den Edward I. im Jahr 1297 ein letztes Mal in Form einer königli-
chen Urkunde bekräftigte/ Das weitere Schicksal der Magna Carta im 13. Jahr-
hundert ist indes das Thema des nächsten Kapitels, zunächst soll es um die Frage
gehen, wie sich die politischen Konstellationen im 13. Jahrhundert weiter entwi-
ckelten.
Die Geschichte der Verfassungskonflikte im englischen 13. Jahrhundert ist zu
einem großen Teil die Geschichte des Königtums von Heinrich III., denn Heinrich
regierte das Land von 1227 bis 1272T Er war kein populärer König und auch keine
energische Herrschergestalt wie sein Sohn Edward I. (1274-1307), aber er war im-
merhin fast 30 Jahre König, bevor es einen ersten massiven Widerstand gegen
seine Politik gab. Unzufriedenheit hatte es allerdings schon zuvor gegeben, doch
wollen wir uns in diesem Kapitel auf tatsächliche Krisen konzentrierend Im Jahre
1227 hatte Heinrich sich für volljährig erklärt und die Regierungsgeschäfte weit-
gehend in die eigene Hand genommen. Die lange erste Phase seiner eigenständi-
gen Regierung 1227-58 wird als die Zeit der „personal rule" Heinrichs III. be-
zeichnet.'" Sie endet in einer längeren schweren Herrschaftskrise 1258-65, in der
6 Chartes des Libertes Anglaises, ed. Bemont, S. 46-60.
7 Zu den Bestätigungen der Magna Carta im 13. Jahrhundert vgl. etwa F. THOMPSON, The First
Century of Magna Carta: why it persisted as a Document (Research Publications of the Uni-
versity of Minnesota 16), Minneapolis 1925, Appendix C; zur Magna Carta von 1297 vgl.
auch Chartes des Libertes Anglaises, ed. Bemont, S. 45, vgl. auch Abb. 1.
8 Zur Königsherrschaft Heinrichs III. etwa neben der klassischen und noch immer hilfreichen
Studie von M. POWICKE, King Henry III and the Lord Edward. The Community of the Realm
in the 13th Century, Bd. 1-2, Oxford 1947, v. a.: D. A. CARPENTER, The Reign of Henry III,
London/Rio Grande 1996; M. T. CLANCHY, Did Henry III have a Policy?, in: History 53 (1968),
S. 203-216; vgl. auch B. K. U. WEILER, Henry III of England and the Staufen Empire. 1216-
1272, Woodbridge 2006; CARPENTER, The Plantagenet Kings, S. 327-342.
9 Ein Hinweis auf Unzufriedenheiten mit der Herrschaft Heinrichs III. liefert die sogenannte
„Paper Constitution" von 1238 oder 1244 (ihre genaue Datierung ist unklar): Matthaeus Pari-
siensis. Chronica maiora, Bd. 4, ed. Luard, S. 366-368. Da die „Paper Constitution", die eher
einen unfertigen Entwurf für eine politische Reform darstellt, nicht eindeutig einer histori-
schen Situation oder bekannten Krise zuzuordnen ist, wird sie im nächsten Kapitel behan-
delt, wenn es um die Überlieferungstradition der Magna Carta und ihrer Freiheitsrechte
geht. Vgl. zur „Paper Constitution" auch: C. R. CHENEY, The ,Paper Constitution' preserved
by Matthew Paris, in: The English Historical Review 65 (1950), S. 213-221; zuletzt in:
C. R. CHENEY, Medieval Texts and Studies, Oxford 1973, S. 231-241 (insb. zur Frage der his-
torischen Zuordnung und Datierung).
10 Zur „personal rule" Heinrichs III. vgl. etwa: D. A. CARPENTER, King, Magnates and Society:
The Personal Rule of King Henry III (1234-1258), in: Speculum 60 (1985), S. 39-70. .