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Kapitel 5
Allerdings stellte eine solche zentralistische Ekklesiologie ein altes Verständnis des
bischöflichen Amtes in Frage, das auch zu Zeiten Innozenz' IV. noch entschiedene
Verfechter fand. Diese Verteidiger einer eigenen apostolischen Tradition des Bi-
schofsamtes formulierten ihre Position in den Jahren nach dem Pontifikat Inno-
zenz' IV. an dem Ort, an dem theologische Streitfragen mit besonderer Leiden-
schaft diskutiert wurden, an der Universität Paris W Einer der dortigen
weltgeistlichen Magister, Wilhelm von Saint-Amour, wurde zum Wortführer der
„Episkopalisten" und griff die Mendikanten als Vertreter einer streng hierarchi-
schen Kirchen Verfassung scharf anW Non ergo, zA uzüHur, fofa poüshzs occVsü z'n
zYz/HzönÜMS pmNfz's &sce?Hz'f a summe ponh/i'cg, sod pofzYzs a CEn'sfo Doznzno, capz'fe
fofz'as gcdgsz'g hielt Gerhard von Abbeville den Fürsprechern einer weitgehend auf
den Papst ausgerichteten Ekklesiologie entgegenV Aber die Hierarchie war nicht
mehr bereit, ihre Position infrage stellen zu lassen, und die Auseinandersetzung
wurde nicht nur mit theologischen Argumenten geführt. Das war auch eine Folge
der Genese dieses Streites, der sich an der Frage entzündet hatte, ob die Bettel-
ordenstheologen in Paris Mitglieder der theologischen Magisterkorporation sein
könnten, und der sich in der Folge zu einem grundsätzlichen Konflikt über die
Berechtigung der mendikantischen Lebensweise und der Ordnung in der Kirche
entwickelte.^ Der Papst verhängte energische Sanktionen gegen Wilhelm von
Saint-Amour. Wilhelm verlor seine Position in Paris und mußte sogar das König-
reich verlassen.^ Die theologische Antwort auf die Kritik der „Konservativen"
35 Vgl. zum sogenannten „Pariser Armutsstreit" die Quellen in: Chartularium Universitatis
Parisiensis, Bd. 1, hg. von H. Denifle, Paris 1889; M. BIERBAUM, Bettelorden und Weltgeist-
lichkeit an der Universität Paris. Texte und Untersuchungen zum literarischen Armuts- und
Exemtionsstreit des 13. Jahrhunderts (1255-1272) (Franziskanische Studien, Beiheft 2), Mün-
ster 1920; E. FARAL, Les „Responsiones" de Guillaume de Saint-Amour, in: Archives
d'histoire doctrinale et litteraire du moyen äge 25-26 (1950-1951), S. 337-394; Wilhelm von
Saint-Amour war der maßgebliche Wortführer der Gegner des neuen Zentralismus, dessen
Verteidiger die Theologen der Bettelorden waren; M. M. DUFEIL, Guillaume de Saint Amour
et la polemique Universitaire Parisienne 1250-1259, Paris 1972; S. CLASEN, Der Hl. Bonaven-
tura und das Mendikantentum. Ein Beitrag zur Geschichte des Pariser Mendikantenstreites
(1252-1272) (Franziskanische Forschungen 6), Werl 1940; J. RATZINGER, Der Einfluß des Bet-
telordensstreites auf die Entwicklung der Lehre vom päpstlichen Universalprimat unter be-
sonderer Berücksichtigung des heiligen Bonaventura, in: Theologie in Geschichte und Ge-
genwart. Festschrift für M. Schmaus, hg. von J. Auer/H. Volk, München 1957, S. 697-724;
erneut abgedruckt in: J. RATZINGER, Das neue Volk Gottes. Entwürfe zur Ekklesiologie, 2.
Aufl. Düsseldorf 1970, S. 49-71; DERS., Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura,
München 1959; Y. CONGAR, Aspects ecclesiologique de la querelles entre Mendiants et secu-
liers dans la seconde moitie du Xllle siede et la debut du XlVe, in: Archives d'historire doc-
trinale et litteraire du moyen äge 36 (1961), S. 35-152; Die Auseinandersetzungen an der Pari-
ser Universität im 13. Jahrhundert (Miscellanea Medievalia 10), hg. von A. Zimmermann,
Berlin/New York 1976.
36 Vgl. vorangehende Anm. und J. D. DAWSON, William of Saint-Amour and the Apostolic
Tradition, in: Medieval Studies 40 (1978), S. 223-238.
37 Text in BIERBAUM, Bettelorden und Weltgeistlichkeit, S. 203.
38 Vgl. dazu Anm. 35, für einen (sehr) knappen Überblick über die Entwicklung des Konflikts
vgl. DAWSON, William of Saint-Amour, S. 226-232.
39 Chartularium Universitatis Parisiensis, Bd. 1, ed. Denifle, Nr. 314 und 315.
Kapitel 5
Allerdings stellte eine solche zentralistische Ekklesiologie ein altes Verständnis des
bischöflichen Amtes in Frage, das auch zu Zeiten Innozenz' IV. noch entschiedene
Verfechter fand. Diese Verteidiger einer eigenen apostolischen Tradition des Bi-
schofsamtes formulierten ihre Position in den Jahren nach dem Pontifikat Inno-
zenz' IV. an dem Ort, an dem theologische Streitfragen mit besonderer Leiden-
schaft diskutiert wurden, an der Universität Paris W Einer der dortigen
weltgeistlichen Magister, Wilhelm von Saint-Amour, wurde zum Wortführer der
„Episkopalisten" und griff die Mendikanten als Vertreter einer streng hierarchi-
schen Kirchen Verfassung scharf anW Non ergo, zA uzüHur, fofa poüshzs occVsü z'n
zYz/HzönÜMS pmNfz's &sce?Hz'f a summe ponh/i'cg, sod pofzYzs a CEn'sfo Doznzno, capz'fe
fofz'as gcdgsz'g hielt Gerhard von Abbeville den Fürsprechern einer weitgehend auf
den Papst ausgerichteten Ekklesiologie entgegenV Aber die Hierarchie war nicht
mehr bereit, ihre Position infrage stellen zu lassen, und die Auseinandersetzung
wurde nicht nur mit theologischen Argumenten geführt. Das war auch eine Folge
der Genese dieses Streites, der sich an der Frage entzündet hatte, ob die Bettel-
ordenstheologen in Paris Mitglieder der theologischen Magisterkorporation sein
könnten, und der sich in der Folge zu einem grundsätzlichen Konflikt über die
Berechtigung der mendikantischen Lebensweise und der Ordnung in der Kirche
entwickelte.^ Der Papst verhängte energische Sanktionen gegen Wilhelm von
Saint-Amour. Wilhelm verlor seine Position in Paris und mußte sogar das König-
reich verlassen.^ Die theologische Antwort auf die Kritik der „Konservativen"
35 Vgl. zum sogenannten „Pariser Armutsstreit" die Quellen in: Chartularium Universitatis
Parisiensis, Bd. 1, hg. von H. Denifle, Paris 1889; M. BIERBAUM, Bettelorden und Weltgeist-
lichkeit an der Universität Paris. Texte und Untersuchungen zum literarischen Armuts- und
Exemtionsstreit des 13. Jahrhunderts (1255-1272) (Franziskanische Studien, Beiheft 2), Mün-
ster 1920; E. FARAL, Les „Responsiones" de Guillaume de Saint-Amour, in: Archives
d'histoire doctrinale et litteraire du moyen äge 25-26 (1950-1951), S. 337-394; Wilhelm von
Saint-Amour war der maßgebliche Wortführer der Gegner des neuen Zentralismus, dessen
Verteidiger die Theologen der Bettelorden waren; M. M. DUFEIL, Guillaume de Saint Amour
et la polemique Universitaire Parisienne 1250-1259, Paris 1972; S. CLASEN, Der Hl. Bonaven-
tura und das Mendikantentum. Ein Beitrag zur Geschichte des Pariser Mendikantenstreites
(1252-1272) (Franziskanische Forschungen 6), Werl 1940; J. RATZINGER, Der Einfluß des Bet-
telordensstreites auf die Entwicklung der Lehre vom päpstlichen Universalprimat unter be-
sonderer Berücksichtigung des heiligen Bonaventura, in: Theologie in Geschichte und Ge-
genwart. Festschrift für M. Schmaus, hg. von J. Auer/H. Volk, München 1957, S. 697-724;
erneut abgedruckt in: J. RATZINGER, Das neue Volk Gottes. Entwürfe zur Ekklesiologie, 2.
Aufl. Düsseldorf 1970, S. 49-71; DERS., Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura,
München 1959; Y. CONGAR, Aspects ecclesiologique de la querelles entre Mendiants et secu-
liers dans la seconde moitie du Xllle siede et la debut du XlVe, in: Archives d'historire doc-
trinale et litteraire du moyen äge 36 (1961), S. 35-152; Die Auseinandersetzungen an der Pari-
ser Universität im 13. Jahrhundert (Miscellanea Medievalia 10), hg. von A. Zimmermann,
Berlin/New York 1976.
36 Vgl. vorangehende Anm. und J. D. DAWSON, William of Saint-Amour and the Apostolic
Tradition, in: Medieval Studies 40 (1978), S. 223-238.
37 Text in BIERBAUM, Bettelorden und Weltgeistlichkeit, S. 203.
38 Vgl. dazu Anm. 35, für einen (sehr) knappen Überblick über die Entwicklung des Konflikts
vgl. DAWSON, William of Saint-Amour, S. 226-232.
39 Chartularium Universitatis Parisiensis, Bd. 1, ed. Denifle, Nr. 314 und 315.