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Erweiterungen und Ende des Musee Napoleon. 23

nahmen. Wie würde sich wohl 1871 die gebildete Welt empört
haben, wenn in die Bedingungen des Frankfurter Friedens die
Herausgabe der Aphrodite von Melos und einiger Hauptbilder der
Saite carree aufgenommen worden wäre!

Die Antikenabteilung des Musee Napoleon trug ganz und
gar römisches Gepräge. Die vornehmsten Stücke der römischen
Sammlungen, mit Ausnahme der Sammlung Ludovisi, waren hier
vereinigt, aber doch die Fülle der Anschauung, wie sie Rom
mit seinem ganzen antiken Charakter geboten hatte, nicht erreicht.
Daß Neapels eigenartige Schätze fehlten, entzog dem Museum
einen Vorzug, den es im Besitz jener Gemälde und Bronzen
vor Rom vorausgehabt haben würde. Immerhin waren die
klassischen Zeiten der griechischen Kunst in so vielen mehr oder
weniger guten Kopien, die Zeiten des Hellenismus, zum Teil
auch die römische Kunst in so vortrefflichen Originalwerken ver-
treten, daß Viscontis Ansicht begreiflich wird, die antike Kunst
habe sich von Phidias bis Hadrian auf gleicher Höhe gehalten.
Es war der erste Versuch, die Gesamtanschauung Winckelmanns
und seiner Nachfolger durch eine andere zu ersetzen. Daß diese
eine historische Unmöglichkeit in sich schloß — man denke nur;
sechs Jahrhunderte voll des größten Wechsels der Völker, der
Örtlichkeiten, aller politischen und Kulturverhältnisse, und dabei
die Kunst stets in gleicher Höhe wie über den Wolken wandelnd! —
darüber täuschte der große Name Viscontis hinweg. Das Musee
Napoleon war die Bildungsanstalt der damaligen Archäologen;
für diese war Visconti, der Hofarchäologe Napoleons, das Orakel.
In Deutschland ward Friedrich Thiersch, der um jene Zeit die
Antiken in Paris studierte, zum Verkündiger jener unhistorischen
Lehre.

Mit dem Sturze Napoleons im Jahre 1815 brach auch seine
stolze Schöpfung zusammen. Es war nur gerecht, daß das, was
durch Kriegsrecht zusammengebracht war, nun auch nach Kriegs-
recht seinen ursprünglichen Besitzern zurückgegeben ward. Der
Kardinal-Staatssekretär Consalvi vertrat die Rechte Roms; Wilhelm
von Humboldt und der Herzog von Wellington bemühten sich mit
Erfolg, den begreiflichen Widerstand der französischen Kommissäre,
 
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