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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 26.1911-1912

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9. Heft
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Anwand, Oskar: Vom alten und neuen Lustspiel
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H., V.: Lebendes Porzellan
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https://doi.org/10.11588/diglit.31171#0305

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moderne;kunst.

wachen kommt und ihr aufdämmerndes Be-
greifen, daß es sich nur um einen Traum
handelt, waren bei Grillparzer vorgebildet.
Ja, noch mehr, der Grundgedanke ist in
beiden Traumstücken ein ähnlicher. Grill-
parzers Held Rustan sinkt, kurz nachdem er
einen bedeutsamen Entschluß gefaßt hat, in
Schlummer. Nun zeigt ihm der Traum sein
neues Leben und läßt ihn zum Mörder wer-
den. Der Erwachte ist froh, daß alles nur ein
Traum war, und steht geläutert von seinem
Entschlusse ab. Der Traum hat ihm als
Warnung gedient.
Trotz alledem sind Grillparzers und Apels
Stücke schon deshalb voneinander grundver-
schieden, weil der österreichische Klassiker
auch hier ein Drama mit tragischem Grund-
gedanken geschaffen hat, während Apels Spiel
komisch bis zum Ulkhaften ist. Einem jungen,
begabten Schriftsteller, dessen Mahlzeiten öfters
aus trockenem Brot bestehen, bietet sicli Ge-
legenheit, ein reiches Mädchen zu heiraten.
Bei aller Herzensgüte ist Minchen aber von
einer Banalität, die nur durch ihre Familien-
mitglieder übertrumpft wird. Trotzdem wird
Sonnenstößer durch ihren Reichtum, der ihm
die Mittel zum freien Schaffen geben soll,
gewaltig angelockt. Heute Abend ist er zu
Minchens Eltern eingeladen, und er will sich
mit ihr verloben. Vorher aber legt er sich
für eine Stunde zum Schlafe nieder, da er die ganze Nacht hindurch gearbeitet hat.
Nun setzt das Traumspiel ein, das den jungen Sonnenstößer als Gatten
Minchens zeigt. Sie hat für sein Schaffen nicht das geringste Verständnis, und
ihre Familie bringt Sonnenstößer derartig zur Verzweiflung, daß er schließlich
auf Rat seines Freundes der jungen Frau das Messer ins Herz stößt. Ganz ruhig,
ganz selbstverständlich, wie man so etwas im Traume tut, um endlich Muße
zur Arbeit zu finden. Nun folgt die groteske Gerichtsverhandlung und die
Vorbereitungen zur Hinrichtung — bis Sonnenstößers Höllenfahrt endet. Als ihn
die Nichte seiner Wirtin — Else — eine junge Lehrerin und im Gegensätze zu


Lebendes Porzellan: Im japanischen Teesalon. Phot. Zander & Labisch, Berlin.

Minchen ein kluger, tüchtiger Mensch — zur besprochenen Stunde weckt, dankt
er dem Schicksal für die Traumwarnung, die Verlobung wird unterbleiben.
Wie in Gozzis „Turandot", so schlägt auch hier eine tolle Laune ihre Purzel-
bäume. Die Verkörperung des Spießertums durch Minchens Elternhaus und der
schnelle Wechsel der Traumgestalten, so daß bald Minchen, bald Else an Sbnnen-
stößers Seite stehen, sind aufs Beste gegeben. Aber auch hier wirkt das Über-
maß parodistischer Einfälle auf die Dauer ermüdend, so daß der Höhepunkt nach
dem ersten der zwei Akte bereits überschritten ist. Aus dem bunten Hexenkessel
derber Komik steigt aufs neue die Sehnsucht nach feinerem, tieferem Humor.

^^ Lebendes porzellan. ^^

'Hinter den künstlerischen Darbietungen auf dem Gebiete des lebenden Bildes
nehmen Dr. Angelos Schöpfungen „Lebendes Porzellan", welche schon wieder-


„ „, Phot. Zander & Labisch, Berlin,
Lebendes Porzellan: Dornröschens Erwachen.

holt eine Zierde des Wintergartenprogramms bildeten, einen hervorragenden Platz
ein. Sei es nun Porzellan, Ton, Fayence, Marmor oder Goldbronze, seit etwa
einem Dezennium gehören derartige lebende
Bilder zu den beliebtesten Nummern des artisti-
schen Weltmarkts. Fast immer haben Schöpfun-
gen berühmter Bildhauer dabei als Sujet gedient
und bei dem Publikum einen starken künst-
lerischen Eindruck erzielt.
So haben auch die lebenden Bilder, welche
Dr. Angelo letzthin im Wintergarten stellte und
welche durch farbiges Licht wirklich als buntes
Porzellan erschienen, außerordentlichen Beifall
gefunden. Von dem reichhaltigen Repertoir seien
die reizenden Bilder „Dornröschens Erwachen"
und „Ein japanischer Teesalon" besonders her-
vorgehoben. — Der Schöpfer dieser Gruppen,
Dr. Angelo, ist eigentlich von Beruf Advokat, er
betreibt jedoch die Malerei und die Bildhauer-
kunst seit Jahren als Amateur und hatte bisher
mit seinen Tableaux vivants auf allen großen
Varietebühnen des In- und Auslandes einen
großen, anhaltenden Erfolg.
Zur Stellung der lebenden Bilder verwendet
Dr. Angelo ausschließlich jugendliche schlanke
Mädchengestalten, der Nation nach überwiegend
Französinnen, die als Modelle eine große Nach-
frage haben. Es ist sicherlich ein ganz beson-
ders ästhetischer Genuß, die reizvollen Schöpfun-
gen großer Meister in echt künstlerischer Aus-
führung auf sich wirken zu lassen; die Täuschung
ist so stark, daß man überrascht aufblickt, wenn
zum Schlüsse die zierlichen Persönchen, welche
der Künstler auf Tassen und Vasen zeigte, plötz-
lich Leben gewinnen und sicli vom Hinter-
gründe loslösen. V. H.
 
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