Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift (26.1911-1912)

BEILAGE ZUR „MODERNEN KUNST".

allen möglichen Richtungen durcheinander laufen und
tanzen. Nach beendetemTanz zerstreut sich die Gesellschaft
wieder. Der schwarzköpfige Ibis Patagoniens pflegt
ebenfalls den Tanz. Gegen Abend versammeln sich die
Vögel truppweise an einer bestimmten Stelle und
führen hier plötzlich die wunderlichsten Bewegungen
aus. Sie fliegen senkrecht in die Höhe, stürzen wieder
herab, hüpfen und springen, bis sie ermüdet ihre Schlaf-
plätze aufsuchen.
Der beste Tänzer unter den Vögeln ist aber der
Sporenkibitz, so genannt, weil er am Flügel einen horn-
artigen Sporen trägt. Zu dem Tanze dieser Vögel sind drei
Mitwirkende nötig, und zwar die beiden Gatten eines
Paares und ein anderer Kiebitz, der zu Besuch kommt.
Das Ehepaar empfängt diesen Besucher mit großer
Freude. Sie gehen ihm entgegen, stellen sich hinter ihm
auf, und nun beginnen alle einen schnellen Lauf, wobei
sie schnarchende, im Takte zu ihren Bewegungen stehende
Töne ausstoßen. So geht der Tanzlauf hin und her,
plötzlich bleibt der vordere Vogel stehen, hebt die Flügel
und stößt einige hohe Töne aus, während die beiden
andern ihr Gefieder aufplustern und sich dann neben
dem Vortänzer in eine Reihe stellen. Nun neigen alle

drei den Kopf, bis der Schnabel den Boden berührt und
verharren kurze Zeit in dieser Stellung, dann erhebt sich
der Besucher und fliegt wieder seinem eignen Heim zu, denn
mit dieser Verbeugung war die Tanzvorstellung zu Ende.
Aus diesen wenigen Beispielen sehen wir, daß die
Tanzkunst in der Vogelwelt nicht gerade selten ist, sie
tritt in den verschiedensten Entwicklungsstufen auf, vom
regellosen Umherspringen bis zum vollendeten Tanz des
Sporenkiebitzes, aber es ist eigentlich sonderbar, daß
diese Kunst gerade bei den leichtbeschwingten Vögeln
sich ausbilden konnte, bei denen es doch viel näher liegt,
daß sie sich auch zum Ausdruck freudiger Bewegungen
anstatt der Füße der Flügel bedienen. Sehr viele Vögel
erfreuen denn auch in der Tat sich und ihre Genossen
durch schöne Flüge und Gaukelspiele in der Luft, und
wenn man auch dieses Wiegen, Schweben und Gleiten
in der Luft in gewissem Sinn als Tanzbewegung auf-
fassen könnte, der es nach Ursache und Zweck analog
ist, so steht es doch wieder in direktem Gegensätze dazu,
weil der Tanz ganz andere Bewegungen auslöst als der
Flug; Tänzer und Flugkünstler der Vogelwelt sind also
nicht miteinander identisch, wenn sie auch durch ihre
verschiedenen Künste demselben Zwecke dienen.

Früchte und Fruchtkörbe.
Von Julius Jolowicz.
In aller Farbigkeit liegt unverwüstlicher Frohsinn
verborgen. Dreist kann man davon ein bischen zuviel
herausholen, wenn man nur die Farbe zur Verstärkung
freundlicher Stimmung zu Hilfe ruft. Denn die lähmende
Wirkung einer starren Farblosigkeit ist oft schlimmer,
als ein kleiner koloristischer Übermut, vorausgesetzt
natürlich, daß ein sicherer Geschmack ihm Pate war.
Ganz gewiß ist es auch bei der Verwendung der Früchte
als Dekorationsmittel so. Daß aber eine Frucht ein
Schinuckgegenstand an sich sein kann, und nicht nur als
Nutzobjekt zu bewerten sei, ist nicht so sehr eine Ent-
deckung unserer Tage, wie mancher in Pfadfinderstolz
vielleicht glauben machen möchte. Die kultivierten Ge-
nießer jeder Zeit schon verstanden durch sinngemäßes
Aufstellen von Fruchtschalen, der Ausschmückung ihrer
Tafel Nachdruck zu geben, und oft genug hat die Frucht
da die Blume verdrängt.
Nur ist der Phantasie heute in kargen und kühlen
Ländern bei solchem Festwerke mehr Spielraum gewährt,

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