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Erinnerungszeichen, das sowohl in seiner Stilart als auch in Bestimmung und Schicksal sich
seiner Umgebung fremd darstellt. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang war es in Pest das
größte Gebäude, neben dem die damals noch im Aufbau befindliche Stadt einen verkrüp-
pelten Anschein erweckte, während der Stadtrat dessen Bewohnern, von denen ja nur ein
sehr mäßiges Einkommen zu erwarten war und die darin ihr merkwürdig abgeschlossenes
Leben (mit eigenen Läden und Werkstätten, sogar mit eigens für sie geprägten Münzen)
führten, mit Abneigung. Das Invalidenhaus sollte auch des Kaiserkönigs Dank und Fürsorge
zum Ausdruck bringen, der die Wünsche und Ansprüche seiner Völker und Länder wohlwol-
lend erfüllt und zufriedenstellt, als Herrscher sich brav und tapfer gezeigt und seinen Unter-
tanen Wohlstand gewährleistet hatte, und zu dessen Unsterblichkeit und Ehre seiner kriegs-
errungenen Macht die Veteranen so viel beigetragen hatten.
Von den kaiserlichen und im Reichsinteresse entstandenen Bauten gibt es in Ungarn nur die
amtlich monumentale Gattung, aber auch diese nicht von einem Fischer von Erlach ausge-
führt, dessen Klage "bei gegenwärtigen Kriegsläufften, wo seiner Kayserlichen Majestät
glorreiche Waffen mehr der Kriegs-Bau-Kunst, als der Civil-Architektur zu verrichten ge-
geben" sich hauptsächlich auf Ungarn bezieht. Hier ist das Bausymbol der Macht kein Tempel
der Wissenschaften, keine Ruhmeshalle des Herrscherhauses für Krieg und Frieden, und auch
keine (gewissermaßen als Friedenstempel erbaute) Karlskirche oder Hofbibliothek; hier kommt
nur die sparsame Formensprache der Mitarbeiter für Kasernenzwecke zu Wort, so daß Mar-
tinelli nur beim Hochaltar der Invalidenkapelle einen ungarländischen Widerhall der Joseph-
Säule Fischers von Erlach geben kann.
Besonders dieses Bauwerk ist eines der unbegreiflichsten in Ungarn, zumal die Bauidee selbst
von dem ungarischen Primas Szöchenyi aufgeworfen wurde und die Baukosten größtenteils
durch seinen Nachlaß gesichert waren; versinnbildlichte es doch in seiner Auffassung für
den zeitgenössischen Ungar die ausbeutende Oberherrschaft. Antal Höller (1733), Mätyäs
Bel (1737) und später auch Ferenc Kazinczy (1828) äußern sich darüber zwar mit Anerken-
nung, aber in der ungarischen Tiefebene (Alföld), im jazyg-kumanen Bezirk ist der prä-
potente Steuerausschuß des Invalidenhauses, der dort herrschaftliche Gutsverwaltungen und
Häuser errichten ließ, stark verhaßt; und vielleicht offenbarte sich nicht nur wegen der ver-
änderten Lebensverhältnisse die allgemeine Wut, als der großkumane Bezirksobmann Istvän
Orczy das Dreißigerhaus in Madaras mit dem kaiserlichen Adler im Giebel (ein vermutliches
Werk Martinellis, ähnlich dem in Jäszberöny) nach der Feldvergütung bis zum Boden abtragen
ließ.
Martinellis sonstige Bauten in Ungarn müssen, obwohl keinen militärischen Zwecken dienend,
dennoch in den Kreis der Festungsbauten einbezogen werden. Das für Imre Csäky in Magyar-
bdl umfangreich und festungsartig (vielleicht auf alten Fundamenten?) errichtete Schloß mit
den schief gestellten Türmen an den Ecken ist in Oberungarn eines der hervorragendsten Bei-
spiele in den üblichen Frühformen, welches vermutlich ebenfalls von Martinelli in dem ein-
geschossigen Jagdschloß in Hajös (auch für Csäky) in seiner Urgestalt verkleinert wiederholt
ist. Auch beim Umbau und der Erweiterung von Schloß Csäktornya (1720/30), welches dem
Grafen Michael Althan für seinen Felddienst vom Herrscherhaus geschenkt wurde, ist Marti-
nelli tätig. Durch derartige Bauaufgaben wird Martinellis Kunstschaffen dem von Bauinge-
nieuren ähnlich, und sie setzen ihn in die Reihe der Ausländer, die im 17. Jahrhundert beim
ungarischen Festungsbau tätig waren. Diese internationale Architektenschar wurde zumeist
amtlich nach Ungarn entsendet; die Genieoffiziere mit Vertrag vom Ärar, nach dessen Ab-
lauf sie das Land wieder verlassen. Ihr Betätigungsfeld in Ungarn gehört zu ihrem Handwerk,
und besonders dadurch sind sie von den einheimischen Meistern leicht zu unterscheiden; ihre
Schöpfungen haben in ihrem Wesen und in ihrer Kunstgestalt einen "importmäßigen" Cha-
rakter. Es ist wohl bezeichnend, daß wir z. B. Donato Felice Allio, dem Entwerfer des öster-
reichischen Escorials, der großen kaiserlichen und dynastischen Bauaufgabe, in Ungarn nur
anläßlich der Errichtung von Militärdepots und Zeughäusern begegnen.
Erinnerungszeichen, das sowohl in seiner Stilart als auch in Bestimmung und Schicksal sich
seiner Umgebung fremd darstellt. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang war es in Pest das
größte Gebäude, neben dem die damals noch im Aufbau befindliche Stadt einen verkrüp-
pelten Anschein erweckte, während der Stadtrat dessen Bewohnern, von denen ja nur ein
sehr mäßiges Einkommen zu erwarten war und die darin ihr merkwürdig abgeschlossenes
Leben (mit eigenen Läden und Werkstätten, sogar mit eigens für sie geprägten Münzen)
führten, mit Abneigung. Das Invalidenhaus sollte auch des Kaiserkönigs Dank und Fürsorge
zum Ausdruck bringen, der die Wünsche und Ansprüche seiner Völker und Länder wohlwol-
lend erfüllt und zufriedenstellt, als Herrscher sich brav und tapfer gezeigt und seinen Unter-
tanen Wohlstand gewährleistet hatte, und zu dessen Unsterblichkeit und Ehre seiner kriegs-
errungenen Macht die Veteranen so viel beigetragen hatten.
Von den kaiserlichen und im Reichsinteresse entstandenen Bauten gibt es in Ungarn nur die
amtlich monumentale Gattung, aber auch diese nicht von einem Fischer von Erlach ausge-
führt, dessen Klage "bei gegenwärtigen Kriegsläufften, wo seiner Kayserlichen Majestät
glorreiche Waffen mehr der Kriegs-Bau-Kunst, als der Civil-Architektur zu verrichten ge-
geben" sich hauptsächlich auf Ungarn bezieht. Hier ist das Bausymbol der Macht kein Tempel
der Wissenschaften, keine Ruhmeshalle des Herrscherhauses für Krieg und Frieden, und auch
keine (gewissermaßen als Friedenstempel erbaute) Karlskirche oder Hofbibliothek; hier kommt
nur die sparsame Formensprache der Mitarbeiter für Kasernenzwecke zu Wort, so daß Mar-
tinelli nur beim Hochaltar der Invalidenkapelle einen ungarländischen Widerhall der Joseph-
Säule Fischers von Erlach geben kann.
Besonders dieses Bauwerk ist eines der unbegreiflichsten in Ungarn, zumal die Bauidee selbst
von dem ungarischen Primas Szöchenyi aufgeworfen wurde und die Baukosten größtenteils
durch seinen Nachlaß gesichert waren; versinnbildlichte es doch in seiner Auffassung für
den zeitgenössischen Ungar die ausbeutende Oberherrschaft. Antal Höller (1733), Mätyäs
Bel (1737) und später auch Ferenc Kazinczy (1828) äußern sich darüber zwar mit Anerken-
nung, aber in der ungarischen Tiefebene (Alföld), im jazyg-kumanen Bezirk ist der prä-
potente Steuerausschuß des Invalidenhauses, der dort herrschaftliche Gutsverwaltungen und
Häuser errichten ließ, stark verhaßt; und vielleicht offenbarte sich nicht nur wegen der ver-
änderten Lebensverhältnisse die allgemeine Wut, als der großkumane Bezirksobmann Istvän
Orczy das Dreißigerhaus in Madaras mit dem kaiserlichen Adler im Giebel (ein vermutliches
Werk Martinellis, ähnlich dem in Jäszberöny) nach der Feldvergütung bis zum Boden abtragen
ließ.
Martinellis sonstige Bauten in Ungarn müssen, obwohl keinen militärischen Zwecken dienend,
dennoch in den Kreis der Festungsbauten einbezogen werden. Das für Imre Csäky in Magyar-
bdl umfangreich und festungsartig (vielleicht auf alten Fundamenten?) errichtete Schloß mit
den schief gestellten Türmen an den Ecken ist in Oberungarn eines der hervorragendsten Bei-
spiele in den üblichen Frühformen, welches vermutlich ebenfalls von Martinelli in dem ein-
geschossigen Jagdschloß in Hajös (auch für Csäky) in seiner Urgestalt verkleinert wiederholt
ist. Auch beim Umbau und der Erweiterung von Schloß Csäktornya (1720/30), welches dem
Grafen Michael Althan für seinen Felddienst vom Herrscherhaus geschenkt wurde, ist Marti-
nelli tätig. Durch derartige Bauaufgaben wird Martinellis Kunstschaffen dem von Bauinge-
nieuren ähnlich, und sie setzen ihn in die Reihe der Ausländer, die im 17. Jahrhundert beim
ungarischen Festungsbau tätig waren. Diese internationale Architektenschar wurde zumeist
amtlich nach Ungarn entsendet; die Genieoffiziere mit Vertrag vom Ärar, nach dessen Ab-
lauf sie das Land wieder verlassen. Ihr Betätigungsfeld in Ungarn gehört zu ihrem Handwerk,
und besonders dadurch sind sie von den einheimischen Meistern leicht zu unterscheiden; ihre
Schöpfungen haben in ihrem Wesen und in ihrer Kunstgestalt einen "importmäßigen" Cha-
rakter. Es ist wohl bezeichnend, daß wir z. B. Donato Felice Allio, dem Entwerfer des öster-
reichischen Escorials, der großen kaiserlichen und dynastischen Bauaufgabe, in Ungarn nur
anläßlich der Errichtung von Militärdepots und Zeughäusern begegnen.