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Mojzer, Miklós
Werke deutscher Künstler in Ungarn — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 329: Baden-Baden: Heitz, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.73091#0019
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II

Die große Blutübertragung der deutschen und österreichischen Architektur nach Ungarn erfolgt
durch die Ansiedlung von Maurermeistern und Baugehilfen, die ohne festen Kontrakt - eine
neue Heimat und Arbeitsmöglichkeiten suchend - in das von den Türken gesäuberte Land
strömen. Der Festungsbaumeister Venerip Ceresola wirbt schon im Frühjahr 1687 in der Stei-
ermark 29 Maurer für den Burgbau in Buda, zu denen sich kurz darauf noch Wiener gesellen,
und am 28. Mai 1691 weitere 28 Maurer aus dem Ennstal zum Fortifikationsbau. Durch die
Organisation Ceresolas entfaltet sich die Baumeisterzunft* in Buda, die ihre 1691 errungenen
Sonderrechte verstärken kann und sich 1695 von der in Pest abtrennt, bzw.von nun an mit
ihr zusammen als Oberzunft privilegisiert ist. Ihre Meister dürfen sowohl in Buda wie auch
in Pest und wo immer Arbeit annehmen, so daß sie die Möglichkeit haben, ihre Tätigkeit
auf das ganze Land auszudehnen. Die Anzahl der Meister ist nicht hoch, in Buda gibt es 9
ständige Zunftmeister (davon 6 Maurer und 2 Steinmetze), in Pest sind es 6 (4 Maurer und
2 Steinmetze); ihre Tätigkeit erhält aber in der ungarischen Barockkunst eine zentrale Be-
deutung; sind sie doch diejenigen, die weit herum in der Großebene, in Siebenbürgen, ja
sogar im Oberland wirken und schaffen.
Diese Einwanderer bilden also den Kern der ungarländischen Bauzünfte. Während die Mili-
täringenieure in der Mehrzahl Franzosen sind, überwiegen bei den Maurern und Steinmetzen
(bei letzteren Bildhauer und Stukkateure nicht mitgerechnet) die Österreicher. In Buda, also
in der wichtigsten Stadt, tragen in den Jahren von 1686 bis 1740 (wo die Namen bekannt
sind) von rund vierhundert angesiedelten Maurer-Pallier-Gehilfen, Steinsetzern und Lehr-
lingen etwa 370 einen deutschen Namen, die übrigen italienische, und kaum ein Prozent
davon sind ungarisch. Innerhalb der Zünfte ist das Verhältnis zu Gunsten der Deutschen noch
größer: in dem genannten Zeitraum sind unter den Zunftmeistern nur mitunter Italiener (von
34 Maurermeistern 3 Italiener, von 13 Pallierern lediglich 1 Italiener). Auch ein Teil der
Steinsetzer und Stukkateure ist italienisch. Das ganze Jahrhundert hindurch schreibt sich
jedoch kein einziger Baumeister in Pest oder Buda mit ungarischem Namen, der bedeutsam
wäre. Im Zeitraum von 1686 bis 1740 werden Zunftmeister deutscher Abstammung in Györ
(Raab), P6cs (Fünfkirchen), Veszprüm, Päpa, Komärom, Eger (Erlau) und Szeged ansässig, und je
nachdem, in wie weit das Stadtleben noch ununterbrochen oder schon im Neuaufbau begrif-
fen war, finden sich auch einheimische und ungarische Meister. Nur an der Westgrenze und
in den meisten Städten des Oberlandes gibt es schon bedeutende ungarische Meister - so in
Kassa (Kaschau) Tamäs Tornyosi -, diese Provinzen sind sogar zur Entsendung von Baumei-
stern in die befreiten Landesteile fähig. Bemerkenswert assimiliert die Baukunst in Sieben-
bürgen die Traditionen von Schöpfungen ungarischer und aus Italien stammender Künstler
des 17. Jahrhunderts, so in Kolozsvär (Klausenburg) Johann Blaumann aus Württemberg.
Die Einwanderer lassen sich als 20- bis 30jährige im Lande nieder, keiner von ihnen vermag
eine vorherige selbstständige Tätigkeit vorzuweisen; meist waren sie gezwungen ihre Heimat
aus wirtschaftlichen Gründen zu verlassen. Bei ihrer Ankunft sind sie noch keine namhaften
Meister, noch ganz am Beginn einer Laufbahn, und ihre Tätigkeit wird durch die Zünfte oft
geradezu verhindert. Die Ansiedlung selbst, die Erwerbung des Bürgerrechts (durch Aufnahme
in die Zunft) wird ihnen erschwert und meist erst nach Erwerb eines gewissen Vermögens,
oder durch eine gelungene Ehe nach langen Jahren möglich. Um Zunftmitglied zu werden,
benötigt man neben gewissen anderen Vorbedingungen (Präsentierung eines Meisterwerks)
die Unterstützung der Hofkammer oder eines einflußreichen Aristokraten, manchmal auch
des Stadtrats. Oft verschanzen sich die schon aufgenommenen Zunftbürger hinter ihren Vor-
* Das Namenverzeichnis der in Buda beschäftigten Baumeister bei Arnold Schoen, in Mü-
vöszettörtäneti Ertesitö VI/1957, pp. 297-302. Betr. Ceresola vgl. ebenda, VIII/1959, pp.
56-60. Über das Zunftleben in Pest, und besonders in Buda, vgl. die Veröffentlichungen
von Elemär Reh (Rävhelyi).
 
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