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Mojzer, Miklós
Werke deutscher Künstler in Ungarn — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 329: Baden-Baden: Heitz, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.73091#0039
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VIII
In der ungarischen klassizistischen Baukunst* kam den österreichischen Architekten eine
viel unbedeutendere Rolle zu. In der Zeit der Entfaltung der ungarisch-nationalen Kunst
sind die Einflüsse aus Frankreich und Italien eigentümlicherweise stärker als die aus Deutsch-
land. Vom nationalen Standpunkt aus ist der ungarische Klassizismus in der neueren ungar-
ländischen Kunstgeschichte der einheitlichste und selbstständigste Stil; er blüht zu Beginn
des Jahrhunderts auf und dauert im großen und ganzen bis zum Freiheitskrieg. In der ersten
Hälfte des Jahrhunderts ist kaum ein österreichischer Künstler anzutreffen, der durch mehrere
Bauwerke den Beifall ungarischer Auftraggeber hätte finden können. Nach heutigem Wissen
hat nur Joseph Kornhausel durch ein einziges Bauwerk mit Ungarn zu tun. Binnen kurzer Zeit
werden alle Ausländer aus Planung und Lenkung gedrängt, wie zum Beispiel auch Aman aus
dem Pester Deutschen und dem Redouten-Theater, oder Louis R^my aus der Primitialresidenz.
Die österreichische Baukunst selbst stellt ja französische und italienische Künstler auf leitende
Posten, unter ihnen Louis de Montoyer, Pietro Nobile oder Thomas de Thomon, der auch
ungarische Beziehungen hatte. Besonders bedeutend ist nur die von der Kunstliebhaberfamilie
Esterhazy begünstigte Bautätigkeit des in Frankreich geborenen Karl von Moreau, dessen
Schaffen jenseits der Donau sein Mitarbeiter Franz Engel fortsetzt und zum Abschluß bringt.
Ähnlich kommen - unterstützt von hochadeligen Familien - Anton Pius Riegl und Ludwig
Pichl zu dem Durchschnittsniveau entsprechenden Bauaufgaben, ersterer beim Schloßbau in
Alsokorompa, letzterer bei der Pfarrkirche in Enying, einem schlichten Werk in glatter und
rationaler Form.
Die Bedeutung des Landesbauamtes und der Hofbaudirektion verwandelt sich zu jener Zeit
in eine rein administrative und überwachende Tätigkeit; ihre lenkende Wirksamkeit erstreckt
sich lediglich auf kleinere, ökonomische und geringfügige kirchliche Bauarbeiten. Ihre
bedeutungslosen, jedoch planmäßig ausgeführten Objekte können keinen Anspruch erheben,
Gegenstand kunsthistorischer Abhandlungen zu werden.
Unter den österreichischen Romantikern bewährt sich besonders Ludwig Förster, ein hervor-
ragender Vertreter seines Stils. Eine edle, maßhaltende Schöpfung der Romantik ist seine
Synagoge in Budapest (Dohänygasse), die in Schinkels Art diszipliniert unter der Mitwirkung
von Fessl entstand und für die Entwicklung der ungarischen Romantik hoch einzuschätzen ist.
Mehrere Jahre hindurch unterrichtet Hans Petschnig in den beiden Städten Pest und Buda,
und er entwirft die Realschule in Buda und die Kirche in Szekszärd-Neustadt, gotisierend
und dem eklektischen Stil von Försters Ziegelbauten ähnlich. Alls Dritter soll noch der den
vorigen stilverwandte Karl Rösner erwähnt werden: der Erzbischof von Kalocsa beauftragte
ihn mit Entwurfsarbeiten für ein Nonnenkloster samt Kirche, und der kroatische Bischof von
Djakovar (Strossmayer) ließ ihn Pläne zum Dombau verfertigen.
Neben den wenigen amtlich oder von Hochadeligen Beschäftigten kommen zur Zeit der
Eklektik deutsche und österreichische Architekten mit Ungarn durch internationale Preis-
ausschreiben in Berührung. Beim Wettbewerb für die Ungarische Akademie der Wissenschaften
beteiligte sich der Wiener Ferstel, sowie nach Aufforderung auch Klenze und Stüler, dessen
Grundlegende und ausführliche Erörterung der ungarländischen klassizistischen Architektur
und ihrer europäischen Zusammenhänge bietet A. Zädor/J. Rados: A klassicizmus Epitds-
zete Magya rorszägon, Budapest 1 943, ein mustergültiges, übersichtliches Werk. Ebenfalls
von A. Zädor ist die ausgezeichnete Monographie: Pollack Mihäly, Budapest 1960.
Außer der im Zusammenhang mit eklektischen Künstlern im Katalog angeführten Literatur
wartet die unga rische Eklektik noch immer auf eine grundlegende wissenschaftliche Studie.
Vgl. hierzu die Monographie von E. Ybl: Ybl Mikios, Budapest 1956.
 
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