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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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seiner Kunst die Eigenschaft gerühmt „of forming all the parts of his picture
together; the whole going on at the same time in the same manner as nature
creates her works1). Diese Einheitlichkeit der Behandlung, dies Stimmen aller
Farbenwerte auf einen Ton, diese dem Auge so unendlich wohltuende Harmonie
leicht ineinander fließender Töne zeichnet auch das Ludwigsluster Bild aus. Die
steife Galarobe der Königin erscheint als ein duftiges, weißes Gewebe aus durch-
sichtigem Mull mit goldgelbem Einschlag gesponnen. Und doch wirkt der un-
geheure Reifrock noch so aufdringlich, daß dem Beschauer die höheren künstlerischen
Werte des Bildes leicht entgehen können. Diese finden sich in der zarten und
überaus fein durchgebildeten Behandlung des rosig angehauchten Gesichtes, über
das sich turmartig die weißgepuderten Haare mit dem silbergrauen Kopfschmuck
aufbauen, sie finden sich auch in dem scheinbar nur flüchtig gemalten, schlanken,
weißen Händen, die man sich in einer so vollkommenen Vereinigung von Frauen-
anmut und Fürstenwürde überhaupt nicht anders denken kann. Wie eine leichte
Sommerwolke legt sich das Schleiertuch über Schultern und Busen und die Perlen-
schnüre am Hals und um die Arme ruhen kaum sichtbar auf der zarten weißen Haut2).
Im dämmernden und völlig skizzenhaft behandelten Hintergründe, von dem sich
die Gestalt der Königin so leuchtend wie ein Perlenschmuck von dunklem Seiden-
stoffe abhebt, sieht man rechts einen blaßroten Vorhang herniederfallen, links öffnet
sich der Blick in eine Gartenlandschaft mit jenen grünen Gebüschen, deren satte
Töne Gainsborough den großen Flamen entlehnt zu haben scheint, und die doch
ganz sein Eigentum geworden sind").
Wann wurde dies Porträt gemalt? Wenn es die Herzogin Luise wirklich schon
im Spätherbst 1766 dem englischen Gaste zeigen konnte — und ein anderes lebens-
großes Bildnis der Königin scheint tatsächlich niemals im Ludwigsluster Schloß
existiert zu haben — so besitzen wir hier den terminus ad quem. Da nun die
junge Prinzeß von Mecklenburg, wie gesagt, im Herbst des Jahres 1761 dem un-
längst zur Regierung gelangten König Georg vermählt wurde, so müßte Gains-
borough dies Porträt etwa in den Jahren 1764—65 gemalt haben, als sich schon
die ganze hohe englische Aristokratie von ihm in dem Modebade Bath porträtieren
ließ. Daß man bei Hofe schon in jenen Jahren auf den jungen Künstler aufmerk-
sam geworden war, beweist die Bewunderung Georgs III. für das im Jahre 1765
ausgestellte Reiterporträt des Generals Honywood4), beweist auch der Umstand,
daß Gainsborough damals eins der königlichen Kinder porträtiert haben soll, viel-
leicht den bereits am 12. August 1762 geborenen Prinzen von Wales5).

(1) Discourses delivered to the students of the royal Academy by Sir Joshua Reynolds. Ed. Roger
Frey. London p. 379.

(2) Leider hängt das Bild nicht günstig, und ich muß bekennen, daß es mir trotz mehrfacher Besuche
in Ludwigslust nicht gelungen ist das Porträt in wirklich guter Beleuchtung zu sehen. Trotzdem
darf ich hoffen, daß sich gegen die Einschätzung der Qualität dieses Gemäldes kein Widerspruch er-
heben wird. Gelegentlich der Matthieu-Ausstellung im Schweriner Museum im Frühling 1911 wird
sich für Jedermann die Gelegenheit bieten vielleicht das beste Porträt von Gainsborough, das wir in
Deutschland besitzen, eingehend zu studieren.

(3) Es ist interessant zu beobachten, daß Gainsborough diesen Hintergrund in den Gemälden der
Königin in Stuttgart und Herrenhausen einfach kopiert hat. Er führte ihn dort nur sorgfältiger aus,
während er hier absichtlich die ganze Aufmerksamkeit auf das Porträt konzentrieren wollte. Das
Stuttgarter Bildnis ist nach Konrad Lange um 1780, das Herrenhäuser noch später gemalt.

(4) Vgl. G. Pauli, Gainsborough in Velhagen und Klasings Künstlermonographien. Leipzig 1904, p. 22.

(5) K. Lange a. a. O. p. 20.

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