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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Dem heiligen Mönch, der seine Studierstube ins Freie verlegt hat, erscheint die
Gottesmutter mit dem Jesuskind, dem frommen Verehrer einen Strahl göttlicher Milch
spendend. Das Gemälde befindet sich heute in der Sala de juntas des kleinen
Hospital de los viejos in Sevilla. Einst schmückte es den Hochaltar der Spital-
kirche, mußte aber im XVIII. Jahrhundert einem scheußlichen Barockaltarwerk
Platz machen. Bereits Ponz erhebt bittere Klage über die Verbannung des Gemäldes
von Ruelas, das er eines seiner hervorragendsten Werke nennt1).
Ist in dem „Hl. Bernhard" im Gegensatz zu den großen Helldunkelbildern ein fast
übermäßig starker Nachdruck auf die ganz lichte, kühle Haltung gelegt, so zeigt die
„Beschneidung Christi" in der Universität zu Sevilla den harmonischsten Ausgleich
zwischen den beiden Tendenzen (Abb. 4 u. 5). Ich stehe nicht an, dieses Mittelstück
des Universitätsaltares für das schönste, vollendetste Werk des Ruelas zu erklären.
Justi meint, es sei wohl das beste, was die Malerei in Sevilla vor Murillo hervor-
gebracht habe. Murillo hat später ähnliche Werke zu schaffen versucht, es ist
ihm aber nie in dem Maß gelungen, mit der Lieblichkeit und Anmut der Gestalten
eine gleiche Großzügigkeit und Würde zu verbinden. Auch in malerischer Hinsicht
übertrifft kaum eines seiner Bilder dieses Werk, das als Malerei getrost neben
Schöpfungen eines Tizian und Rembrandt bestehen kann.
Die blonde Maria ist von großer Anmut und Schönheit, „eine wonnige Vision
zarter, hoher Weiblichkeit" (Justi). In hellrotem Kleid und grünem, purpurgefütterten
Mantel hält sie, dreiviertel nach links gewendet, die Augen niedergeschlagen, leise
lächelnd das Christkind, das auf ihrer Hand sitzt. Bei diesem recht unsicheren
Halten versteht man das Zugreifen des dunkelbärtigen Joseph, der, in violettes Ge-
wand und gelben Mantel gekleidet, dreiviertel nach rechts gewandt nach dem Kind
greift, jedoch nicht nur um es zu halten, sondern um es für den feierlichen Akt zu
übernehmen. Links von ihm erblickt man halb im Dunkel an einem Tisch mit
purpurner Decke den weißbärtigen Priester, der an einem weißen Tuch das Messer
abwischt, mit dem die heilige Handlung vollzogen werden soll. Neben ihm steht
ein Begleiter mit einer Schüssel.
Links vorn ist S. Ignaz Martyr dargestellt, eine herkulisch gebaute Gestalt mit
nacktem Oberkörper und nur mit einem dunkelgrünen Mantel bekleidet. Dreiviertel
nach rechts gewandt blickt er nach oben, den linken Zeigefinger ausgestreckt und
mit der Rechten den Löwen umfassend, der das Ende eines weißen Tuches im
Maule hält. Über den Tuch erstrahlt in einer hostienartigen, duftigen Scheibe das
Monogramm IHS. Links am Boden sieht man die Mitra des Heiligen.
Dem Märtyrer Ignaz entsprechend kniet auf der rechten Seite vornen, eine Stufe
tiefer, der hl. Ignaz von Loyola dreiviertel nach links, die Augen gen Himmel ge-
richtet, mit dem rechten Zeigefinger nach oben weisend, die Linke auf der Brust.
Über dieser irdischen Gruppe schweben Engel, in der Mitte zwei nackte Putten,
die Rosen streuen, links zwei mit Rosen und Lilien und rechts Engelchen eines
mit weißem und eines mit violettem Tuch, dieses lächelnd zum Bild herausblickend.
Diese Englein sind hier wirkliche Mittler zwischen Himmel und Erde, denn sie
bilden das Bindeglied zwischen der irdischen und der himmlischen Figurengruppe,
die sehr zahlreich ist. In der Mitte strahlt wiederum das Monogramm Jesu, das
Wahrzeichen der Compahia de Jesus IHS rot in blauer Scheibe. Diese schwebt
wiederum inmitten einer gelbbraunen Gloriole mit Cherubinköpfchen. Auf beiden
Seiten sind musizierende Engel angebracht. Einer in rosa spielt Cello, ein anderer

(1) Ponz, Viaje, IX, 127,

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