HERMANN VOSS, Albrecht Altdorfer
u. Wolf Huber. Meister der Graphik III.
Verlag Klinkhardt & Biermann, Leipzig.
Die beiden danubischen Künstler Altdorfer und
Huber zusammenzufassen, ist heute beinahe kunst-
historische Notwendigkeit, sie mochte dem recht
bequem liegen, der den künstlerischen Donaustil
in gelehrter Forschung erörtert und mit ausgiebi-
ger Gründlichkeit dargestellt hat. Für die Behand-
lung allein der graphischen Produktion der beiden
ergibt sich freilich der Übelstand, daß Altdorfers
umfangreiches Werk die wenigen Holzschnitte
Hubers nicht nur nummerisch erdrückt, In der
Geschichte der gedruckten Kunst steht Huber
überhaupt und keineswegs allein mit Altdorfer ge-
messen bei Seite. Das Mißverhältnis tritt äußer-
lich schon hervor, daß von den 63 Tafeln des
Buches nur 10 dem Huber gelten. Bei einem
Werke, dem die Abbildungen nicht Beigabe, son-
dern wesentlicher Bestandteil sind, muß es erlaubt
sein, von diesen vor dem Text zu sprechen. Es
sind, wie bei den früheren Bänden dieser Folge
unretuschierte (hoffentlich !) Lichtdrucke, denen die
schmeichlerische Gefälligkeit der gebräuchlichen
Nachbildungsarten für Stiche und Holzschnitte
zwar fehlt, die aber dafür um so verläßlicher sind.
Diese Lichtdrucke erzählen mit unbarmherziger
Wahrhaftigkeit, daß die genaue Prüfung erkennen
läßt, welche Abbildungen von den Originalen auf-
genommen wurden und welche durch das Medium
einer Reproduktion. Entgegen dem heutigen Brauch
bei wissenschaftlichen Publikationen sind die Vor-
lagen der Abbildungen nicht genannt. Der Farben-
holzschnitt der schönen Maria von Regensburg (übri-
gens ein häßlicher Titel für ein religiöses Blatt:
er klingt wie der Spitznamen einer Kellnerin) ist
nicht nach dem einzigen vielfarbigen Exemplar in
Wolfegg wiedergegeben, sondern nach einer der
beiden Berliner Reproduktionen, entweder der litho-
graphischen im Jahrbuch oder dem Lichtdruck der
Reichsdruckerei. Beide fehlen in der Literatur-
Übersicht, die doch sonst auskömmlich ist und
die eigenen Arbeiten des Verfassers mit Kritiken
und Antikritiken lückenlos angibt. Und nun zum
Text. Er ist natürlich vortrefflich, wenn auch für
meinen Geschmack zuviel von Malerei und Bildern
gesprochen wird, wenn sich auch neben den Arten
die Unarten der neueren kunstgeschichtlichen An-
schauungsweise zeigen. Zu letzteren rechne ich
z. B. die Unterschätzung Martin Schongauers und
die Überschätzung des Veit Stoß. So wurde es
gelehrt. Und in die Kerbe, die der Lehrer mit
wohlgezielten Hieben geschlagen hat, hauen die
so Belehrten nun weiter ein. Das ist etwas Epi-
gonen-Brauch, dessen die jüngere Generation der
Kunsthistoriker bei sonst doch nicht kleiner Mei-
nung von der eignen Kraft entbehren könnte.
Altdorfers Kunst und Stil wird gut geschildert.
Der Hinweis auf den Meister M. Z. als einen der
Leiter für Altdorfers Graphik ist recht diskutabel.
Neben Dürer natürlich. Es werden etwas reich-
lich Einflüsse konstatiert, die den Stil Altdorfers
gezeitigt haben: Michael Pacher, Mantegna, Mar-
canton. Auch das ist ja kunsthistorische Mode.
Die Bedeutung der italienischen Kunst wird als
Bildungsmittel für Altdorfer zu hoch bewertet, wie
jetzt bei allen Altdeutschen. Er hat italienische
Niellen und Stiche Marcantons kopiert, aber er
tuts doch harmlos. Mit und ohne Italien bleibt
Altdorfer ein Regensburger. Über Wolf Hubers
Holzschnitte wäre mehr und neues zu sagen ge-
wesen. Da er doch ausreichend über Huber be-
richten will, hätte der Verfasser aus seinem grö-
ßeren Buch über den Donaustil mehr hineinnehmen
müssen in eine Studie, die Huber zusammenfassend
darstellen soll. Eine erneute Äußerung über die von
W. Schmidt dem Huber zugewiesenen Holzschnitt-
folge der Wunder von Maria-Zell war zu erwarten.
Auch eine Bemerkung über die Stellung des Mono-
grammisten H WG zu Huber. Sind solche Dinge,
wie es fast den Anschein hat, absichtlich ver-
schwiegen worden, so möchte ich sagen, daß der
Versuch, ihn an Kritik und Zuweisung teilnehmen
zu lassen, dem Leser nützlicher ist und ihn besser
erzieht, als geistreiche Paraphrasen und klingende
Worte über Sonderart und lokale Varietät.
Jaro Springer.
CORRADO RICCI, Geschichte der
Kunst in Nord-Italien. Mit 770 Ab-
bildungen und 4 Farbentafeln. Deutsche
Übersetzung von Dr. L. Pollak. Rom.
Julius Hoffmann. Verlag. Stuttgart 1911.
In dem unter dem Sammeltitel „Ars una species
mille" bekannten Unternehmen der in allen Kultur-
sprachen erscheinenden Handbücher der Kunst-
geschichte ist kürzlich der zweite Band über die
norditalienische Kunst herausgekommen, dessen
Bearbeitung dem Generaldirektor der Altertümer
und schönen Künste in Rom Corrado Ricci ge-
dankt wird.
Man darf ohne weiteres der Autorität des ver-
dienstvollen Forschers für ein solches Thema
die höchsten Erwartungen entgegenbringen und
dennoch wird man überrascht von der Methode,
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u. Wolf Huber. Meister der Graphik III.
Verlag Klinkhardt & Biermann, Leipzig.
Die beiden danubischen Künstler Altdorfer und
Huber zusammenzufassen, ist heute beinahe kunst-
historische Notwendigkeit, sie mochte dem recht
bequem liegen, der den künstlerischen Donaustil
in gelehrter Forschung erörtert und mit ausgiebi-
ger Gründlichkeit dargestellt hat. Für die Behand-
lung allein der graphischen Produktion der beiden
ergibt sich freilich der Übelstand, daß Altdorfers
umfangreiches Werk die wenigen Holzschnitte
Hubers nicht nur nummerisch erdrückt, In der
Geschichte der gedruckten Kunst steht Huber
überhaupt und keineswegs allein mit Altdorfer ge-
messen bei Seite. Das Mißverhältnis tritt äußer-
lich schon hervor, daß von den 63 Tafeln des
Buches nur 10 dem Huber gelten. Bei einem
Werke, dem die Abbildungen nicht Beigabe, son-
dern wesentlicher Bestandteil sind, muß es erlaubt
sein, von diesen vor dem Text zu sprechen. Es
sind, wie bei den früheren Bänden dieser Folge
unretuschierte (hoffentlich !) Lichtdrucke, denen die
schmeichlerische Gefälligkeit der gebräuchlichen
Nachbildungsarten für Stiche und Holzschnitte
zwar fehlt, die aber dafür um so verläßlicher sind.
Diese Lichtdrucke erzählen mit unbarmherziger
Wahrhaftigkeit, daß die genaue Prüfung erkennen
läßt, welche Abbildungen von den Originalen auf-
genommen wurden und welche durch das Medium
einer Reproduktion. Entgegen dem heutigen Brauch
bei wissenschaftlichen Publikationen sind die Vor-
lagen der Abbildungen nicht genannt. Der Farben-
holzschnitt der schönen Maria von Regensburg (übri-
gens ein häßlicher Titel für ein religiöses Blatt:
er klingt wie der Spitznamen einer Kellnerin) ist
nicht nach dem einzigen vielfarbigen Exemplar in
Wolfegg wiedergegeben, sondern nach einer der
beiden Berliner Reproduktionen, entweder der litho-
graphischen im Jahrbuch oder dem Lichtdruck der
Reichsdruckerei. Beide fehlen in der Literatur-
Übersicht, die doch sonst auskömmlich ist und
die eigenen Arbeiten des Verfassers mit Kritiken
und Antikritiken lückenlos angibt. Und nun zum
Text. Er ist natürlich vortrefflich, wenn auch für
meinen Geschmack zuviel von Malerei und Bildern
gesprochen wird, wenn sich auch neben den Arten
die Unarten der neueren kunstgeschichtlichen An-
schauungsweise zeigen. Zu letzteren rechne ich
z. B. die Unterschätzung Martin Schongauers und
die Überschätzung des Veit Stoß. So wurde es
gelehrt. Und in die Kerbe, die der Lehrer mit
wohlgezielten Hieben geschlagen hat, hauen die
so Belehrten nun weiter ein. Das ist etwas Epi-
gonen-Brauch, dessen die jüngere Generation der
Kunsthistoriker bei sonst doch nicht kleiner Mei-
nung von der eignen Kraft entbehren könnte.
Altdorfers Kunst und Stil wird gut geschildert.
Der Hinweis auf den Meister M. Z. als einen der
Leiter für Altdorfers Graphik ist recht diskutabel.
Neben Dürer natürlich. Es werden etwas reich-
lich Einflüsse konstatiert, die den Stil Altdorfers
gezeitigt haben: Michael Pacher, Mantegna, Mar-
canton. Auch das ist ja kunsthistorische Mode.
Die Bedeutung der italienischen Kunst wird als
Bildungsmittel für Altdorfer zu hoch bewertet, wie
jetzt bei allen Altdeutschen. Er hat italienische
Niellen und Stiche Marcantons kopiert, aber er
tuts doch harmlos. Mit und ohne Italien bleibt
Altdorfer ein Regensburger. Über Wolf Hubers
Holzschnitte wäre mehr und neues zu sagen ge-
wesen. Da er doch ausreichend über Huber be-
richten will, hätte der Verfasser aus seinem grö-
ßeren Buch über den Donaustil mehr hineinnehmen
müssen in eine Studie, die Huber zusammenfassend
darstellen soll. Eine erneute Äußerung über die von
W. Schmidt dem Huber zugewiesenen Holzschnitt-
folge der Wunder von Maria-Zell war zu erwarten.
Auch eine Bemerkung über die Stellung des Mono-
grammisten H WG zu Huber. Sind solche Dinge,
wie es fast den Anschein hat, absichtlich ver-
schwiegen worden, so möchte ich sagen, daß der
Versuch, ihn an Kritik und Zuweisung teilnehmen
zu lassen, dem Leser nützlicher ist und ihn besser
erzieht, als geistreiche Paraphrasen und klingende
Worte über Sonderart und lokale Varietät.
Jaro Springer.
CORRADO RICCI, Geschichte der
Kunst in Nord-Italien. Mit 770 Ab-
bildungen und 4 Farbentafeln. Deutsche
Übersetzung von Dr. L. Pollak. Rom.
Julius Hoffmann. Verlag. Stuttgart 1911.
In dem unter dem Sammeltitel „Ars una species
mille" bekannten Unternehmen der in allen Kultur-
sprachen erscheinenden Handbücher der Kunst-
geschichte ist kürzlich der zweite Band über die
norditalienische Kunst herausgekommen, dessen
Bearbeitung dem Generaldirektor der Altertümer
und schönen Künste in Rom Corrado Ricci ge-
dankt wird.
Man darf ohne weiteres der Autorität des ver-
dienstvollen Forschers für ein solches Thema
die höchsten Erwartungen entgegenbringen und
dennoch wird man überrascht von der Methode,
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