Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Zitierlink:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0122

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
holt er aber auch ohne Bedenken manchen Fehler Richels. Selbstverständlich ist
die alemannische Mundart der Vorlage in die rheinfränkische übertragen, was ja
mit keinen großen Schwierigkeiten verbunden war, meist brauchten nur die Diphtonge
in einfache lange Vokale, die dunkelen Vokale in hellere umgeändert zu werden.
Bei Drach sind, wie ich schon angab, die Überschriften der Holzschnitte mit
einer größeren, sonst nicht weiter verwendeten Schrift gedruckt. Mit fast derselben
Schrift ist der ganze Richelsche Heilsspiegel gedruckt, was sicherlich nicht ohne
Einfluß auf Drachs Wahl einer größeren Type gewesen ist.
Das bei Drach am Schluß stehende Deo gratias mit dem Druckerzeichen dar-
unter ist ebenfalls nichts anderes als eine Nachahmung des Schlusses des Richelschen
Werkes, bei dem allerdings zwischen dem Deo gratias und dem Druckerzeichen
noch das 5 Zeilen umfassende Kolophon steht.
Die Holzschnitte endlich sind bei Drach an derselben Stelle in den Text ein-
gesetzt, wie bei Richel. Nur in der Zahl ist ein Unterschied: Richel hat 278,
Drach 277. Auch hierfür gibt es eine Erklärung. Bei Richel steht ein Abschnitt
von fast 6 Kolumnen Länge an einer Stelle, wo er offenbar nicht hingehört. Er
beginnt Bl. 42b mit den Worten: Hie erkickete vnser herre der witwe sun vnd
erlöst ouch einen besessenen menschen, und endet Bl. 44a mit den Worten: mit
vastende vnd mit bettende. Dazu gehört ein Holzschnitt. Fast dieser ganze Ab-
schnitt kommt nun an der richtigen Stelle viel weiter hinten noch einmal vor, wo
ihm aber ein anderer Holzschnitt beigegeben ist. Im Drachschen Nachdruck ist
an der ersten Stelle der Abschnitt gestrichen, der dazu gehörige Holzschnitt fehlt
selbstverständlich auch.
Wie ich bei der Besprechung des Drachschen Heilsspiegels erwähnte, fehlt in
diesem ein Holzschnitt, die Heimsuchung, obwohl die Überschrift dazu dasteht.
Darunter ist ein freier Raum für die Aufnahme des Holzschnitts gelassen. Ganz
so bei Richel, nur daß dort der freie Raum nicht so groß ist, daß der Holzstock
noch hätte eingefügt werden können.
Und nun zu den Drachschen Holzschnitten selbst und ihrem Verhältnis zu den
Richelschen. Machen wir uns erst einmal die Umstände klar, von denen ihre Ent-
stehung abhing.
Peter Drach in Speier beschließt, den Richelschen Spiegel der menschlichen Be-
hältnis nachzudrucken. Er übergibt ein Exemplar von diesem zunächst einem
Korrektor, der die ihm nötig erscheinenden Verbesserungen des Textes vornimmt
und die Mundart verändert. Dies korrigierte Exemplar, das als direkte Vorlage für
den Nachdruck bestimmt ist, wandert, bevor es der Setzer in die Hände bekommt,
zu dem Maler, der den Auftrag erhalten hat, in Anlehnung an die Richelschen
Vorbilder neue Zeichnungen anzufertigen. Die Größe der neuen Holzschnitte steht
von vornherein fest, die Breite muß sich nach der Kolumnenbreite richten, die
Drachschen Maße sind viel geringer als die Richelschen. Dem Künstler sind also
Beschränkungen auferlegt, von denen jedenfalls die äußerliche ihm lästiger sein
muß als die innerliche, die die Rücksicht auf die Vorlage verursacht. Eine Durch-
schnittsnatur hätte sich damit begnügt, mehr oder weniger getreue verkleinerte
Kopien der Richelschen Holzschnitte zu liefern. Wie der Hausbuchmeister sich
mit seiner Aufgabe abgefunden hat, zeugt für seine hohe Begabung und sein großes
Können. Eine bessere Gelegenheit, einen Blick in seine geistige Werkstatt zu
werfen, gibt es gar nicht, als wenn man jeden Holzschnitt des Drachschen Heils-
spiegels mit dem entsprechenden des Richelschen vergleicht.
Die Richelschen Holzschnitte gehören sicher verschiedenen Händen und ver-
108
 
Annotationen