lieh wie die Behandlung der Einzelheiten im
Ornament von der jeweiligen Stellung zu den
pflanzlichen Vorbildern abhängt. Denn „die Wande-
lungen, die die Pflanze bei Veränderung von Klima
und Bodenbedingungen in der schrittweisen Um-
bildung, Vervollkommnung oder Verkümmerung
ihrer Blattorgane zeigt, lassen sich auch in der
Geschichte des Blattornamentes sowohl bei der
Übertragung ihrer Formen von Land zu Land und
von Zeit zu Zeit, wie bei ihrer Anpassung an den
Wechsel von Werkstoffen und Konstruktionsweisen
beobachten."
Die einzelnen Zeiten halten sich zuweilen mit
einer gewissen bedingungslosen Einseitigkeit an
bestimmte Pflanzenformen. Ein Beispiel möge ge-
nügen. Während die Antike die feingliedrige Linie,
das gefiederte Blatt bevorzugt, wählte das Mittel-
alter, daß das robuste Relief der pflanzlichen Keim-
welt überhaupt liebte, für die plastische Behand-
lung der ornamentalen Blätter die Fächerlagen
jugendlicher Sprossen. Die mittelalterliche Blatt-
schuppe unterscheidet sich dann weiterhin von
dem antiken Blattschema durch ihren Rippenlauf
und ihre Randbildung. „Die seitlichen Streifen-
nerven der Schuppe divergieren nicht, wie dies
beim Hochblatt des Akanthus der Fall ist, sondern
laufen in ihrem Kopfteile zusammen. Während
sich die Rippen der ersten in konkaven Kurven
auswärts gegen den Blattrand wenden und da-
durch dessen Bezackung verursachen, krümmen
sich die Rippen der Schuppe nach einwärts gegen
die Unterlippe; ihre seitlichen Ränder sind dem-
entsprechend ganz ungegliedert."
Die aus der naturwissenschaftlichen Disziplin
gewonnenen Merkmale, in diesem Falle die for-
male Bedingtheit des Blattrandes durch die Blatt-
rippen, hat zur Aufdeckung eines wesentlichen
Unterschiedes in den Ornamentformen der Antike
und des Mittelalters geführt. Diese vergleichende
Forschungsmethode erstreckt sich bei Meurer bis
in das letzte formgestaltende Detail. Infolgedessen
konnte Meurer für eine Anzahl pflanzlicher Orna-
mentformen charakteristische Merkmale gewinnen,
die in stilkritischer Untersuchung sichere Be-
stimmungen über Entstehungszeit und Ort zu
liefern vermögen. Auf Einzelheiten sei nur in
Kürze hingewiesen.
Die Abhängigkeit der Ornamentik des Abend-
landes von gewissen ornamentalen Typen des
asiatischen und ägyptischen Kulturreiches wurde
mit Recht stark betont. Bestimmte Ornamente
finden sich von Mesopotamien bis nach Ägypten,
sich in modulationsreichen Wandlungen durch
Syrien, Palästina und Arabien hinziehend. Die
stilistischen Formveränderungen innerhalb der
verschiedengearteten Rassen lassen immer wieder
den Grundtypus und damit das jedesmalige Ur-
sprungsgebiet des betreffenden Ornamentes er-
kennen. Die Ornamente nun, die durch ihre Ver-
breitung über große Landstrecken und in ver-
schiedenen Rassen eine hohe Lebenskraft erwiesen
haben, scheinen für die europäische Kunst von
größter Bedeutung, da sie in der abendländi-
schen Ornamenlik, sowohl im Altertum als auch
im Mittelalter die grundlegende Form hergeben
mußten. Die Wandlungsfähigkeit solcher lebens-
kräftiger ornamentaler Typen werden im einzelnen
in der Umbildung des ägyptischen Südzeichens
und der Sistrumspirale in der mykenischen, assy-
rischen, cyprischen, phönikischen, frühgriechi-
schen, persischen und etruskischen Kunst ge-
zeigt. Ähnliches gilt auch für die Gefäßformen,
die auf bestimmte Blütenformen zurückgehn, für
deren Entwicklungsgeschichte schon G. Semper
die bedeutsamsten Momente gefunden hatte. Wie
die Blütenkelche Vorbilder zu kunstgewerblichen
Erzeugnissen abgeben, so sind es in andern
Fällen die Schaftformen und Verzweigungen der
Pflanze, die Keimformen und Knospen, das Ranken-
werk und weiterhin pflanzliche Elemente in Ver-
bindung mit Textilformen, aus denen kunstgewerb-
lich verwendbare Formen gewonnen wurden. Es
sei nur hingewiesen auf die Form des Pastorale
und Hirtenstabes, die in den Blattsprossen des
Streifenfarn ihr Analogon finden, auf die Kande-
laber, Leuchter, Schmucksäulen und Geräte aller
Art, vor allem aber auf die Säulenformen und Ka-
pitelle, von den antiken bis zu den mittelalterlichen
und Renaissanceformen, die aus pflanzlichen Vor-
bildern hervorwuchsen.
Eine allgemeine Feststellung der Abhängigkeit
der vegetabilen Formen im Kunstgewerbe von
ihren jedesmaligen Vorbildern, hätte keine neuen
Resultate zeitigen können. Meurer ging daher einen
Weg, der ihn entsprechend seiner naturwissen-
schaftlichen, oekologischen Betrachltungsweise,
stets bis in das kleinste Detail vordringen ließ.
Aus der Beobachtung der Gestaltungsgesetze und
der Formen der Natur gewann er eine Bereicherung
der stilkritischen Merkmale der gesamten pflanz-
lichen Ornamentik.
Für jede auf stilkritischen Untersuchungen be-
ruhende wissenschaftliche Bearbeitung der histo-
rischen Entwicklung ornamentaler Formen sind
die Ergebnisse Meurers, die aus der vergleichen
den Beobachtung der Ornamentik und der Pflanze
gewonnen wurden, von grundlegender Bedeutung.
Zwar zielte die Arbeit nicht auf eine systematische
139
Ornament von der jeweiligen Stellung zu den
pflanzlichen Vorbildern abhängt. Denn „die Wande-
lungen, die die Pflanze bei Veränderung von Klima
und Bodenbedingungen in der schrittweisen Um-
bildung, Vervollkommnung oder Verkümmerung
ihrer Blattorgane zeigt, lassen sich auch in der
Geschichte des Blattornamentes sowohl bei der
Übertragung ihrer Formen von Land zu Land und
von Zeit zu Zeit, wie bei ihrer Anpassung an den
Wechsel von Werkstoffen und Konstruktionsweisen
beobachten."
Die einzelnen Zeiten halten sich zuweilen mit
einer gewissen bedingungslosen Einseitigkeit an
bestimmte Pflanzenformen. Ein Beispiel möge ge-
nügen. Während die Antike die feingliedrige Linie,
das gefiederte Blatt bevorzugt, wählte das Mittel-
alter, daß das robuste Relief der pflanzlichen Keim-
welt überhaupt liebte, für die plastische Behand-
lung der ornamentalen Blätter die Fächerlagen
jugendlicher Sprossen. Die mittelalterliche Blatt-
schuppe unterscheidet sich dann weiterhin von
dem antiken Blattschema durch ihren Rippenlauf
und ihre Randbildung. „Die seitlichen Streifen-
nerven der Schuppe divergieren nicht, wie dies
beim Hochblatt des Akanthus der Fall ist, sondern
laufen in ihrem Kopfteile zusammen. Während
sich die Rippen der ersten in konkaven Kurven
auswärts gegen den Blattrand wenden und da-
durch dessen Bezackung verursachen, krümmen
sich die Rippen der Schuppe nach einwärts gegen
die Unterlippe; ihre seitlichen Ränder sind dem-
entsprechend ganz ungegliedert."
Die aus der naturwissenschaftlichen Disziplin
gewonnenen Merkmale, in diesem Falle die for-
male Bedingtheit des Blattrandes durch die Blatt-
rippen, hat zur Aufdeckung eines wesentlichen
Unterschiedes in den Ornamentformen der Antike
und des Mittelalters geführt. Diese vergleichende
Forschungsmethode erstreckt sich bei Meurer bis
in das letzte formgestaltende Detail. Infolgedessen
konnte Meurer für eine Anzahl pflanzlicher Orna-
mentformen charakteristische Merkmale gewinnen,
die in stilkritischer Untersuchung sichere Be-
stimmungen über Entstehungszeit und Ort zu
liefern vermögen. Auf Einzelheiten sei nur in
Kürze hingewiesen.
Die Abhängigkeit der Ornamentik des Abend-
landes von gewissen ornamentalen Typen des
asiatischen und ägyptischen Kulturreiches wurde
mit Recht stark betont. Bestimmte Ornamente
finden sich von Mesopotamien bis nach Ägypten,
sich in modulationsreichen Wandlungen durch
Syrien, Palästina und Arabien hinziehend. Die
stilistischen Formveränderungen innerhalb der
verschiedengearteten Rassen lassen immer wieder
den Grundtypus und damit das jedesmalige Ur-
sprungsgebiet des betreffenden Ornamentes er-
kennen. Die Ornamente nun, die durch ihre Ver-
breitung über große Landstrecken und in ver-
schiedenen Rassen eine hohe Lebenskraft erwiesen
haben, scheinen für die europäische Kunst von
größter Bedeutung, da sie in der abendländi-
schen Ornamenlik, sowohl im Altertum als auch
im Mittelalter die grundlegende Form hergeben
mußten. Die Wandlungsfähigkeit solcher lebens-
kräftiger ornamentaler Typen werden im einzelnen
in der Umbildung des ägyptischen Südzeichens
und der Sistrumspirale in der mykenischen, assy-
rischen, cyprischen, phönikischen, frühgriechi-
schen, persischen und etruskischen Kunst ge-
zeigt. Ähnliches gilt auch für die Gefäßformen,
die auf bestimmte Blütenformen zurückgehn, für
deren Entwicklungsgeschichte schon G. Semper
die bedeutsamsten Momente gefunden hatte. Wie
die Blütenkelche Vorbilder zu kunstgewerblichen
Erzeugnissen abgeben, so sind es in andern
Fällen die Schaftformen und Verzweigungen der
Pflanze, die Keimformen und Knospen, das Ranken-
werk und weiterhin pflanzliche Elemente in Ver-
bindung mit Textilformen, aus denen kunstgewerb-
lich verwendbare Formen gewonnen wurden. Es
sei nur hingewiesen auf die Form des Pastorale
und Hirtenstabes, die in den Blattsprossen des
Streifenfarn ihr Analogon finden, auf die Kande-
laber, Leuchter, Schmucksäulen und Geräte aller
Art, vor allem aber auf die Säulenformen und Ka-
pitelle, von den antiken bis zu den mittelalterlichen
und Renaissanceformen, die aus pflanzlichen Vor-
bildern hervorwuchsen.
Eine allgemeine Feststellung der Abhängigkeit
der vegetabilen Formen im Kunstgewerbe von
ihren jedesmaligen Vorbildern, hätte keine neuen
Resultate zeitigen können. Meurer ging daher einen
Weg, der ihn entsprechend seiner naturwissen-
schaftlichen, oekologischen Betrachltungsweise,
stets bis in das kleinste Detail vordringen ließ.
Aus der Beobachtung der Gestaltungsgesetze und
der Formen der Natur gewann er eine Bereicherung
der stilkritischen Merkmale der gesamten pflanz-
lichen Ornamentik.
Für jede auf stilkritischen Untersuchungen be-
ruhende wissenschaftliche Bearbeitung der histo-
rischen Entwicklung ornamentaler Formen sind
die Ergebnisse Meurers, die aus der vergleichen
den Beobachtung der Ornamentik und der Pflanze
gewonnen wurden, von grundlegender Bedeutung.
Zwar zielte die Arbeit nicht auf eine systematische
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