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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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ist es nicht die Lichtmalerei die der Vorzug viel späterer Künstler werden sollte,
aber es ist wie ein natürliches Vorgefühl dessen was sie werden sollte: Die Ge-
stalten und alle Gegenstände in den Bildern werden stets in dem Lichte gesehen,
das alles zu einem harmonischen Ganzen zusammenschmelzen läßt. Und das Licht
ist zart, schillernd und alle Farben fein ohne schreiende Effekte, nur hier und dort
durch einen meisterhaft hingesetzten Pinselstrich in leuchtendem Gold oder leb-
haftem Hellblau belebt. Zu diesen Gemälden mit den duftigen Farben gesellen sich
die beiden hier von mir zum ersten Male publizierten1), die in der Galerie des
Schlosses Schleißheim bei München dem Domenico Feti 2) zugeschrieben worden sind.
Von der Malweise dieses ausgezeichneten römischen Künstlers aus dem XVI. Jahr-
hundert ist unser Meister grundverschieden, besonders in der Art, das Licht zu be-
handeln. Feti, der unter den Malern des XVI. Jahrhunderts eine Sonderstellung
und mit den ersten Rang einnimmt, ist ein gewissenhafter Zeichner, viel genauer
als Cavallino; er komponiert seine Bilder, ohne sich irgendwie um die Symmetrie
zu kümmern, während der Neapolitaner als echter Schüler Stanzionis seine Gestalten
mit großer Genauigkeit zusammenstellt und jede ihrer Bewegungen studiert. Auch
Feti ist ein Maler des Lichtes, doch statt des allgemeinen Zusammenschmelzens
der Farben zu einer etwas grauen, bläulichen Atmosphäre, die alle Kontraste ver-
wischt, bevorzugt er lebhafte, leuchtende Farben, wie in seinem wundervollen Bilde
„das Gleichnis vom ungetreuen Haushalter" in der Dresdener Galerie. In den beiden
Gemälden des Schlosses Schleißheim finden sich die grauen, dem Cavallino eigenen
Töne wieder, sein lebhaftes Blau und Gelb, seine Halbtöne in braun und grün, die
langgestreckten Gestalten, und jene Meisterschaft, mit gleicher Sicherheit gewöhn-
liche Volkstypen und edle, verfeinerte Gestalten darzustellen. Die beiden Bilder
der Galerie Schleißheim, unter den Nummern 636 und 637 inventarisiert, sind auf
einer runden Leinwand von 50 cm Durchmesser gemalt. Sie stammen aus der
Mannheimer Galerie und stellen zwei Episoden aus dem befreiten Jerusalem von
Torquato Tasso dar: Erminia unter den Hirten (Abb. 4, Nr. 636) und Erminia, den
verwundeten Tankred pflegend (Abb. 5. Nr. 637).
Bernardo Dominici schreibt3): „In casa dei Signori Caputi che hanno la loro abita-
zione sopra l'amena collinetta detta Santa Lucia del monte si veggono due quadri
di palmi quattro e tre per traverso ne'quali sono rappresentate le favole d'Europa
rapita da Giove cangiato in tauro e di Erminia armata, che giunge alla capauna
del pastore: opere condotte con la piü squisita intelligenza dell' arte e con istudio
e con freschezza di colore maraviglioso." Im ersten Augenblick könnte man glauben,
daß sich diese Worte auf eines der beiden Bilder der Gallerie Schleißheim be-
ziehen, doch ist das fast unmöglich, da die Schleißheimer Bilder einen Durchmesser
von nur 50 cm haben, De Dominici hingegen von viel größeren und rechteckigen
Gemälden spricht. Wahrscheinlich behandelte Cavallino nicht nur in den Schleiß-
heimer Bildern Szenen aus dem befreiten Jerusalem, und man kann wohl dem Dominici
glauben, wenn er erzählt, daß der Maler in seiner Jugend ein begeisterter Be-
wunderer der phantastischen Schöpfungen Tassos war. De Dominici berichtet
ferner4), das Massimo Stanzioni, sein Meister, ihm riet, sich mit der Lektüre guter
Geschichtswerke und alter Fabeln zu beschäftigen, die er ihm freigiebig lieh. Der

(1) Katalog der Gemäldegalerie im Kgl. Schlosse zu Schleißheim. München 1905, pag. 134, Nr. 636, 637.

(2) Herr Dr. Voß, mit dem ich zuerst über diese Bilder sprach als über Werke des Bernardo Caval-
lino, war gleichzeitig mit mir zu demselben Resultate gekommen.

(3) De Dominici: op. cit. pag. 169.

(4) Op. cit. pag. 160.

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