Sohn eines Weinhändlers und späteren Portiers an der Ecole royale des eleves
proteges — niemals den Anspruch erhoben, in den Salons von Paris eine Rolle zu
spielen. Aber schon als Freund d'Alemberts mußte er sich in engster Berührung
fühlen mit den führenden Geistern der Zeit. Und daß er sich der hohen Aufgabe
bewußt war, der bunten Welt, die ihn umwogte, das bleibende Denkmal zu setzen,
bekennt er selbst mit Worten, die nicht oft genug wiederholt werden können: „Un
des plus beaux attributs de l'art si difficile du statuaire est de conserver avec toute
la verite des formes et de rendre presque imperissable l'image des hommes, qui
ont fait la gloire ou le bonheur de leur patrie. Cette idee m'a constamment suivi
et encourage dans mes longs traveaux“1).
Wenige Bildhauer aller Zeiten aber haben die einmal erkannte Mission so ziel-
bewußt durchgeführt wie Houdon; wenige sind durch Schicksal und Umstände in
gleicher Weise begünstigt worden2). Weil eben Paris damals das Herz Europas
war, so boten sich dort einem tüchtigen Künstler von selbst die reichsten inter-
nationalen Beziehungen dar. In Rom hatte Houdon glückliche Jugend- und Lehr-
jahre verbracht; hier hat er sich sogar in der Statue des h. Bruno in S. Maria
degli Angeli ein Denkmal gesetzt3). An den Höfen der Kaiserin Katharina von
Rußland, Friedrichs II. von Preußen und des kunstsinnigen Herzogs Ernst Ludwig
von Sachsen-Gotha wurde er durch seine Freunde, die Enzyklopädisten, und vor
allem durch Diderots Berichte über die Pariser Salons eingeführt. Für die Aus-
führung der Statue Washingtons endlich auf dem Kapitol von Richmond, die ihn
etwa drei Monate lang in Amerika festhielt, war der Künstler durch die Amerika-
nische Gesandtschaft in Paris den Ständen Virginiens empfohlen worden.
Aber nicht nur weil die französische Kultur damals Europa beherrschte, sondern
auch weil das Schicksal ihm Zeit ließ, zu voller Reife und harmonischer Ausge-
staltung seiner Kräfte zu gelangen, ist Houdons Name unsterblich geworden. Unter
Ludwig XV. begann er seine Laufbahn, unter Ludwig XVI. erreichte er, vom Hofe
verhältnismäßig wenig begünstigt, den Gipfel seines Ruhmes. Er sah die fran-
zösische Revolution, und er erlebte Napoleons Größe und Fall4). Als er endlich hoch-
bejahrt am 15. Juli 1828 starb, hatte er mehr gesehen und erfahren als vielleicht
je ein Künstler vor ihm und nach ihm. Und er, der bereits als Sechsunddreißig-
jähriger nicht weniger als dreißig Werke seiner Hand im Salon d. J. 1777 ausstellen
konnte, durfte auch behaupten mehr gearbeitet zu haben als sie alle.
Die Gesichtspunkte, welche für die mecklenburgischen Herrschaften bei der Aus-
(1) Abgedruckt sowohl bei Dierks als auch bei Seidel nach A. de Montaiglon et G. Duplessis, Houdon
sa vie et ses ouvrages in der Revue universelle des Arts I u. II 1855, p. 420.
(2) Die denkbar vollständigste Bibliographie Houdons findet sich bei Lami, Diktionnaire des sculpteurs
de L'Ecole francaise, Paris 1910. Tom. I, p. 435 und 436.
(3) Dagegen ist die Statue Johannes des Täufers, die einst in Gips ausgeführt dem h. Bruno gegen-
über die heute leere Nische schmückte, spurlos verschwunden. Dierks scheint diese Statue noch ge-
sehen zu haben. Vgl. a. a. O. p. 17. Als einzige Reliquie dieses Jugendwerkes muß daher der Gips-
abguß vom Kopf des Täufers im Gothaer Museum gelten. Ich verdanke der Güte des Herrn Geheimrat
Purgold in Gotha die Aufnahme der Houdon-Schätze im dortigen Museum, die weniger bekannt sind,
als sie es verdienen. Bei einem flüchtigen Besuch der Bibliothek der Villa Medici in Rom sah ich
dort eine Büste, an der ich alle Eigentümlichkeiten von Houdons Stil zu erkennen glaubte.
(4) Eine Terrakottabüste Ludwigs XV. von Houdon befindet sich im Musee de l'Ecole des Beaux-
Arts in Paris, eine Marmorbüste Ludwigs XVI. in Versailles (Vgl. L. Gonse, La sculpture francaise, p. 242 u.
p. 247). Eine besonders schöne Terrakotta Napoleons v. J. 1806 bewahrt das Museum von Dijon.
(Vgl. Gonse, Chefs d'oeuvre, p. 155.)
2II
proteges — niemals den Anspruch erhoben, in den Salons von Paris eine Rolle zu
spielen. Aber schon als Freund d'Alemberts mußte er sich in engster Berührung
fühlen mit den führenden Geistern der Zeit. Und daß er sich der hohen Aufgabe
bewußt war, der bunten Welt, die ihn umwogte, das bleibende Denkmal zu setzen,
bekennt er selbst mit Worten, die nicht oft genug wiederholt werden können: „Un
des plus beaux attributs de l'art si difficile du statuaire est de conserver avec toute
la verite des formes et de rendre presque imperissable l'image des hommes, qui
ont fait la gloire ou le bonheur de leur patrie. Cette idee m'a constamment suivi
et encourage dans mes longs traveaux“1).
Wenige Bildhauer aller Zeiten aber haben die einmal erkannte Mission so ziel-
bewußt durchgeführt wie Houdon; wenige sind durch Schicksal und Umstände in
gleicher Weise begünstigt worden2). Weil eben Paris damals das Herz Europas
war, so boten sich dort einem tüchtigen Künstler von selbst die reichsten inter-
nationalen Beziehungen dar. In Rom hatte Houdon glückliche Jugend- und Lehr-
jahre verbracht; hier hat er sich sogar in der Statue des h. Bruno in S. Maria
degli Angeli ein Denkmal gesetzt3). An den Höfen der Kaiserin Katharina von
Rußland, Friedrichs II. von Preußen und des kunstsinnigen Herzogs Ernst Ludwig
von Sachsen-Gotha wurde er durch seine Freunde, die Enzyklopädisten, und vor
allem durch Diderots Berichte über die Pariser Salons eingeführt. Für die Aus-
führung der Statue Washingtons endlich auf dem Kapitol von Richmond, die ihn
etwa drei Monate lang in Amerika festhielt, war der Künstler durch die Amerika-
nische Gesandtschaft in Paris den Ständen Virginiens empfohlen worden.
Aber nicht nur weil die französische Kultur damals Europa beherrschte, sondern
auch weil das Schicksal ihm Zeit ließ, zu voller Reife und harmonischer Ausge-
staltung seiner Kräfte zu gelangen, ist Houdons Name unsterblich geworden. Unter
Ludwig XV. begann er seine Laufbahn, unter Ludwig XVI. erreichte er, vom Hofe
verhältnismäßig wenig begünstigt, den Gipfel seines Ruhmes. Er sah die fran-
zösische Revolution, und er erlebte Napoleons Größe und Fall4). Als er endlich hoch-
bejahrt am 15. Juli 1828 starb, hatte er mehr gesehen und erfahren als vielleicht
je ein Künstler vor ihm und nach ihm. Und er, der bereits als Sechsunddreißig-
jähriger nicht weniger als dreißig Werke seiner Hand im Salon d. J. 1777 ausstellen
konnte, durfte auch behaupten mehr gearbeitet zu haben als sie alle.
Die Gesichtspunkte, welche für die mecklenburgischen Herrschaften bei der Aus-
(1) Abgedruckt sowohl bei Dierks als auch bei Seidel nach A. de Montaiglon et G. Duplessis, Houdon
sa vie et ses ouvrages in der Revue universelle des Arts I u. II 1855, p. 420.
(2) Die denkbar vollständigste Bibliographie Houdons findet sich bei Lami, Diktionnaire des sculpteurs
de L'Ecole francaise, Paris 1910. Tom. I, p. 435 und 436.
(3) Dagegen ist die Statue Johannes des Täufers, die einst in Gips ausgeführt dem h. Bruno gegen-
über die heute leere Nische schmückte, spurlos verschwunden. Dierks scheint diese Statue noch ge-
sehen zu haben. Vgl. a. a. O. p. 17. Als einzige Reliquie dieses Jugendwerkes muß daher der Gips-
abguß vom Kopf des Täufers im Gothaer Museum gelten. Ich verdanke der Güte des Herrn Geheimrat
Purgold in Gotha die Aufnahme der Houdon-Schätze im dortigen Museum, die weniger bekannt sind,
als sie es verdienen. Bei einem flüchtigen Besuch der Bibliothek der Villa Medici in Rom sah ich
dort eine Büste, an der ich alle Eigentümlichkeiten von Houdons Stil zu erkennen glaubte.
(4) Eine Terrakottabüste Ludwigs XV. von Houdon befindet sich im Musee de l'Ecole des Beaux-
Arts in Paris, eine Marmorbüste Ludwigs XVI. in Versailles (Vgl. L. Gonse, La sculpture francaise, p. 242 u.
p. 247). Eine besonders schöne Terrakotta Napoleons v. J. 1806 bewahrt das Museum von Dijon.
(Vgl. Gonse, Chefs d'oeuvre, p. 155.)
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