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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Mechitharisten zu Wien, Nr. 252, das an einer reinen, allerdings nicht biblisch-
historischen, sondern nur ornamentalen Randillustration der sog. Kanones des Eusebios
einen Illustrationstypus bewahrt hat, der entwicklungsgeschichtlich noch hinter der
berühmten syrischen Bilderhandschrift des Rabbülä vom Jahre 586 in der Biblioteca
Laurenziana zu Florenz zurückliegt1). Im folgenden möchte ich denn eine gerade
besonders junge Gruppe eng miteinander verwandter Evangelienbücher der Jakobus-
kathedrale in orientierendem Überblick vornehmen, von denen vier in dem kurzen
Zeitraum von noch nicht anderthalb Jahrzehnten in Jerusalem selbst entstanden sind.
Ich bezeichne der Kürze halber die einzelnen Glieder der Gruppe in der Reihen-
folge ihres Alters mit den sechs ersten Buchstaben des Alphabets und schicke hier
die notwendigen Angaben über Material, Format, Provenienz und Alter voran.
Was in Betracht kommt ist also folgendes.
A. Feines Pergament; 83X112 mm; geschrieben in Jerusalem bei der Jakobus-
kathedrale durch einen Johannes von Isan; datiert: 1099 der armenischen Ära
(1651 n. Chr.).
B. Pergament; 136X194 mm; geschrieben in Jerusalem von ungenanntem Schreiber;
datiert: 1102 (1654 n. Chr.).
C. Pergament; gleiches Format wie B; geschrieben in Jerusalem bei der Jakobus-
kathedrale wieder durch Johannes von Isan, datiert: 1104 (1656 n. Chr.).
D. Papier; 152X212 mm; geschrieben in Jerusalem im „Erlöserkloster" — an
der traditionellen Stätte des Kaiphashauses — von ungenanntem Schreiber; datiert:
1 112 (1664 n. Chr.).
E. Papier; 150X215 mm; geschrieben zu Kapha auf der Krim bei einer Kirche
des hl. Nikolaus von ungenanntem Schreiber; datiert: 1160 (1712 n. Chr.).
F. Papier; 142X210 mm; geschrieben zu Marasch in Cilicien bei einer Kirche
Johannes' des Täufers durch einen Priester Ahtvazzadar; datiert: 1178 (1730 n, Chr.).
Es umfaßt nun der von diesen Handschriften vertretene Illustrationstyp in seiner
— hier allerdings nur in D vorliegenden — reichsten Entfaltung viererlei: einen
im nebenangesetzten Bilde des Verfassers gipfelnden Titelschmuck der einzelnen
Evangelien; eine Einleitung des Gesamtbuches durch eine Serie die neutestament-
liche Heilsgeschichte erzählender bloßer Bilderblätter; eine im Gegensatz hierzu
beinahe ausschließlich ornamentale Dekoration der Eusebianischen Kanones und
eine stark zu gleichfalls ornamentaler Ersetzung neigende Randillustration des
evangelischen Textes. Von diesen Elementen entsprechen das allen sechs Exem-
plaren gemeinsame erste und das in E F fehlende dritte2), dem Bestände gemein-
byzantinischen Evangelienbuchschmuckes. Sie mögen daher dem durchaus vor-
läufigen Charakter der gegenwärtigen Ausführungen gemäß nur in aller Kürze be-
rührt werden.

(1) Gegeben sind, wie mir der hochw. Herr Mechitharistenordenspriester P. Petrus Ferhat mit-
zuteilen die Güte hatte, Blumen und Tiere wie Vogel, Affe und Pfau. Dieser dem Pflanzen- und
Tierreich seine Motive entlehnende Schmuckstil läuft neben dem reichen figürlichen Element seiner
Randillustration ja auch im Rabbüläkodex einher, und noch relativ stärker macht er sich auf Kosten
jenes Elementes in der zweiten noch frühchristlichen syrischen Bilderhs., dem Tetraevangelium 33
(St. Germ. 6) der Bibliotheque Nationale zu Paris, geltend.

(2) Kanones und Brief an Karpianos fehlen, wenn mich meine Aufzeichnungen an diesem Punkte
nicht täuschen, in E völlig. In F sind sie schmucklos geblieben. Dies ist lediglich Zeichen der be-
ginnenden Verarmung, nicht etwa prinzipieller Natur. Denn der reichste Kanonesschmuck findet sich
in dem auf der Krim im Jahre 1728 geschriebenen Evangelienbuch des armenischen Klosters in
Bethlehem.

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