Sammlung Roß zu New York existiert. Dieser Umstand läßt die Entstehung des
Bildes in Perugia als nahezu sicher erscheinen. Die Kreuzigung aus S. Domenico
in Cittä di Castello, jetzt in der National Gallery in London, laut Inschrift vom
Jahre 1503, ist fast ganz aus dem Formenschatz Peruginos zusammengestellt. Die
Nachweise im Einzelnen gibt Gronau1).
Die jetzt verdeckte Inschrift auf dem Bilde: HOC OPUS FECIT DNICUS TOME
DE GAVARIS MDIII hat Magherini-Graziani zuerst bekannt gemacht 2). Demselben
Autor verdanken wir die wichtige Angabe, daß die Tafel für den Altar zu klein
ist, daß also noch eine Predelle dazugehört, von der zwei Tafeln kürzlich durch
Gronau nachgewiesen wurden, die eine in der Sammlung Frederick Cook in Rich-
mond, nach Gronaus interessanter Feststellung ein Wunder des heiligen Hieronymus
darstellend, der den Häretiker Sabinianus bestraft, die andere, in der Galerie zu
Lissabon, auf welchem ein Wunder gezeigt wird, das der Schüler des Hieronymus,
Eusebius, mit dem Mantel des Heiligen an drei in der Nacht verstorbenen Männern
vollführt, die vom Tode erweckt werden und nun durch ihre Erzählungen von Hölle,
Fegefeuer und Paradies die Irrigkeit der häretischen Lehre nachweisen. Gronaus
Hinweis auf die Zugehörigkeit der beiden Tafeln zu dem Crucifixus für Cittä di
Castello scheint uns besonders verdienstlich.
Die Krönung Mariä, der erste Anlauf des jungen Meisters zu einer stark be-
wegten, figurenreichen Komposition, verrät in allen Einzelheiten den Einfluß seines
Lehrers, dessen Typen Raffaels Jugendwerk an edler Begeisterung und tiefer Inner-
lichkeit jedoch weit übertrifft. Weit mehr noch als in dem Hauptbilde erscheint
Raffael von Perugino in den Darstellungen der Predelle abhängig, die er einer
Reihe der schönsten Kompositionen seines Lehrers, den Szenen aus dem Marien-
leben auf dem Altarwerk von 1497 in S. Maria Nuova zu Fano entlehnt hat. Von
Vasari stammt die seither in die Literatur übergegangene Angabe, daß Raffael die
Krönung Mariä für Maddalena degli Oddi gemalt habe. Nun ergibt sich aber
aus demnächst in den vom Kunsthistorischen Institut zu Florenz herausgegebenen
Italienischen Forschungen von dem Unterzeichneten zu publizierenden Urkunden,
daß Perugino am 15. Dezember 1512 den Auftrag übernahm, für die Kirche S. Maria
zu Corciano bei Perugia ein Tafelbild mit Predelle, darstellend die Himmelfahrt
Mariä, nach dem Vorbilde der Tafel zu liefern, welche Alessandra di Simone
degli Oddi für die Kirche S. Francesco in Perugia hatte malen lassen.
Über Maddalena degli Oddi besitzen wir keinerlei Nachricht aus Chroniken und
Dokumenten. Dagegen wissen wir aus einem Totenbuch der Kirche San Francesco,
daß Alessandra degli Oddi am 15. Juli 1516 in ihrer Kapelle beigesetzt wurde und
daß sich auf ihrem Grabstein die Inschrift befindet: LEANDRAE. SUMMAE/PUDI-
CIITIAE. ET PROBITATIS / SIMONIS. ODDI. CIVIS. PRIMARII / UXORI FILIAE.
PIENTISS [IMAE] POSVERE/ MDXVI. Es ist in höchstem Grade wahrscheinlich, daß
hier ein Irrtum Vasaris vorliegt, und daß Crispolti und alle Späteren diese Angabe aus
Vasari geschöpft haben. Nicht weniger bemerkenswert als dieser Hinweis auf die
Stifterin des Altarwerkes aus San Francesco, das jetzt die vatikanische Galerie bewahrt,
ist der Umstand, daß dem schon betagten Meister ein Werk seines genialen Schülers
als Vorbild hingestellt wurde. Übrigens entspricht das Gemälde Peruginos, das noch
heute auf dem Hochaltar der Pfarrkirche S. Maria zu Corciano prangt, in der Kom-
position keineswegs dem Altarwerke Raffaels für S. Francesco in Perugia, sondern
(l) Op. cit. p. 220.
(2) L'Arte a Cittä di Castello.
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Bildes in Perugia als nahezu sicher erscheinen. Die Kreuzigung aus S. Domenico
in Cittä di Castello, jetzt in der National Gallery in London, laut Inschrift vom
Jahre 1503, ist fast ganz aus dem Formenschatz Peruginos zusammengestellt. Die
Nachweise im Einzelnen gibt Gronau1).
Die jetzt verdeckte Inschrift auf dem Bilde: HOC OPUS FECIT DNICUS TOME
DE GAVARIS MDIII hat Magherini-Graziani zuerst bekannt gemacht 2). Demselben
Autor verdanken wir die wichtige Angabe, daß die Tafel für den Altar zu klein
ist, daß also noch eine Predelle dazugehört, von der zwei Tafeln kürzlich durch
Gronau nachgewiesen wurden, die eine in der Sammlung Frederick Cook in Rich-
mond, nach Gronaus interessanter Feststellung ein Wunder des heiligen Hieronymus
darstellend, der den Häretiker Sabinianus bestraft, die andere, in der Galerie zu
Lissabon, auf welchem ein Wunder gezeigt wird, das der Schüler des Hieronymus,
Eusebius, mit dem Mantel des Heiligen an drei in der Nacht verstorbenen Männern
vollführt, die vom Tode erweckt werden und nun durch ihre Erzählungen von Hölle,
Fegefeuer und Paradies die Irrigkeit der häretischen Lehre nachweisen. Gronaus
Hinweis auf die Zugehörigkeit der beiden Tafeln zu dem Crucifixus für Cittä di
Castello scheint uns besonders verdienstlich.
Die Krönung Mariä, der erste Anlauf des jungen Meisters zu einer stark be-
wegten, figurenreichen Komposition, verrät in allen Einzelheiten den Einfluß seines
Lehrers, dessen Typen Raffaels Jugendwerk an edler Begeisterung und tiefer Inner-
lichkeit jedoch weit übertrifft. Weit mehr noch als in dem Hauptbilde erscheint
Raffael von Perugino in den Darstellungen der Predelle abhängig, die er einer
Reihe der schönsten Kompositionen seines Lehrers, den Szenen aus dem Marien-
leben auf dem Altarwerk von 1497 in S. Maria Nuova zu Fano entlehnt hat. Von
Vasari stammt die seither in die Literatur übergegangene Angabe, daß Raffael die
Krönung Mariä für Maddalena degli Oddi gemalt habe. Nun ergibt sich aber
aus demnächst in den vom Kunsthistorischen Institut zu Florenz herausgegebenen
Italienischen Forschungen von dem Unterzeichneten zu publizierenden Urkunden,
daß Perugino am 15. Dezember 1512 den Auftrag übernahm, für die Kirche S. Maria
zu Corciano bei Perugia ein Tafelbild mit Predelle, darstellend die Himmelfahrt
Mariä, nach dem Vorbilde der Tafel zu liefern, welche Alessandra di Simone
degli Oddi für die Kirche S. Francesco in Perugia hatte malen lassen.
Über Maddalena degli Oddi besitzen wir keinerlei Nachricht aus Chroniken und
Dokumenten. Dagegen wissen wir aus einem Totenbuch der Kirche San Francesco,
daß Alessandra degli Oddi am 15. Juli 1516 in ihrer Kapelle beigesetzt wurde und
daß sich auf ihrem Grabstein die Inschrift befindet: LEANDRAE. SUMMAE/PUDI-
CIITIAE. ET PROBITATIS / SIMONIS. ODDI. CIVIS. PRIMARII / UXORI FILIAE.
PIENTISS [IMAE] POSVERE/ MDXVI. Es ist in höchstem Grade wahrscheinlich, daß
hier ein Irrtum Vasaris vorliegt, und daß Crispolti und alle Späteren diese Angabe aus
Vasari geschöpft haben. Nicht weniger bemerkenswert als dieser Hinweis auf die
Stifterin des Altarwerkes aus San Francesco, das jetzt die vatikanische Galerie bewahrt,
ist der Umstand, daß dem schon betagten Meister ein Werk seines genialen Schülers
als Vorbild hingestellt wurde. Übrigens entspricht das Gemälde Peruginos, das noch
heute auf dem Hochaltar der Pfarrkirche S. Maria zu Corciano prangt, in der Kom-
position keineswegs dem Altarwerke Raffaels für S. Francesco in Perugia, sondern
(l) Op. cit. p. 220.
(2) L'Arte a Cittä di Castello.
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