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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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auch 174 früher und unsicherer sind. Beischrift ist nur einmal vorhanden, bei 143,
und auch da nicht mit derselben Tinte wie die Zeichnung.
Gruppe III sind Zeichnungen, die in Rötel- oder Bleistift flüchtig ausgeführt und
dann zum Teil mit einer braunen Tinte mehr oder weniger sorgfältig nachgezogen
wurden und gleichzeitig eine Beischrift erhielten (Abb. 6). Die Schrift ist charak-
teristisch; sie ist gelenkiger wie die von I, das a am Ende ist immer wie ein 0
gebildet. Zwischen dieser Gruppe und II besteht eine Verbindung in der Zeich-
nung Nr. 143 (Abb. 3), deren oberer Teil offenbar dieselbe sehr sorgfältige und be-
stimmte Technik wie II zeigt, deren unterer Teil aber durchaus mit den flüchtigen
Blättern der Gruppe III zusammengeht. III ist demnach nur als eine flüchtige
Abart der sorgfältigen Zeichnungen von II anzusehen. Übrigens ist auch die Tinte
bei verschiedenen Zeichnungen der Gruppe II (z. B. 161, 162) genau dieselbe braune,
die bei 143 und überhaupt bei Gruppe III verwandt ist.
Die Beischrift zu der Ephesischen Artemis Nr. 143 ist mit stumpferer Feder und
hellerer Tinte als die Zeichnung selbst ausgeführt. Eine vollkommen identische,
aber diesmal mit der Zeichnung gleichzeitige Unterschrift findet sich auf Nr. 126,
die zu Gruppe IV gehört; beide stimmen so genau überein, daß sie unmittelbar
hintereinander ausgeführt sein müssen. Der Zeichner erinnerte sich bei der Aus-
führung des Barbaren aus der Sammlung Farnese, daß dort auch die Ephesische
Artemis, die er gezeichnet hatte, aufbewahrt werde, und brachte nun auch bei diesem
Stück die Angabe des Aufbewahrungsortes an.
Gruppe II, III, IV schließen sich also zu einer Einheit (B) zusammen und stammen
offenbar von einem Künstler; und in der Tat, vergleicht man Repräsentanten der
verschiedenen Gruppen, wie 145, 149 b (zugehörige Rückseite der Rötelzeichnungen
148 a-c), 171, 174, 175, 185, so findet man dasjenige, was bei so weitgehenden
Differenzen in der Technik und in der Qualität konstant bleiben kann, überall gleich;
es haben z. B. alle der angeführten Figuren denselben sehr breiten Kopf, die großen
Augenhöhlen, den breiten Nasenrücken.
Wenn wir nun aus diesen Zeichnungen die Entwicklung des Künstlers heraus-
zulesen suchen, so darf dabei die Flüchtigkeit oder Sorgfältigkeit der Zeichnungen
allerdings kein unbedingtes Kriterium für die zeitliche Ansetzung abgeben, wie Nr. 143
bewiesen hat. Doch ist die größere oder geringere Flüchtigkeit unzertrennbar von
der stärkeren oder schwächeren Auflösung der Konturen und durch diese überhaupt
erst bedingt. Wir befinden uns hier im letzten Stadium der Renaissance, wo die
plastischen Prinzipien durch malerische verdrängt werden; daß ferner das Streben
nach malerischer Wirkung bei geringeren Künstlern Unsorgfältigkeit und Verschlech-
terung der Qualität zur Folge hat, ist z. B. in der Kupferstichproduktion dieser Zeit
ganz klar erkennbar. Wir haben also in den ängstlich festen, bestimmt umrissenen
Zeichnungen wie 150, 132/33 die frühere Manier des Künstlers zu erkennen,
während die meistens unsorgfältigen Blätter mit starker Auflösung der Konturen
(z. B. 72) ein späteres Entwicklungsstadium repräsentieren. Die nach dieser Unter-
scheidung frühesten Blätter 150, 132/33, V4, 167/66 (sämtlich Gruppe II) sind alle
mit einer grünlichen Tinte gezeichnet; daß der Zeichner diese wirklich eher im
Gebrauch hatte als die braune, welche er bei Gruppe III anwandte, beweist Nr. 166,
wo zu der Zeichnung mit grüner Tinte eine braune Beischrift hinzugefügt ist.
Vergleicht man nun Gruppe I (A) mit dem ganzen Komplex B, so scheint es
trotz der beträchtlichen Differenzen in Technik und Schrift nicht ausgeschlossen,
daß die verschiedenen Phasen künstlerischer Entwicklung, welche durch A und B
repräsentiert werden, einer Persönlichkeit angehörten. Denn es finden sich zwischen
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