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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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haben. Die Krönung der Maria ist eine ziemlich
getreue, nur etwas mehr in die Höhe gezogene
Kopie des Mittelbildes des Hellerschen Altars (die
Engelwolke, auf der die Krönung vor sich geht,
zeigt, daß dieses Gemälde, nicht der Holzschnitt
des Marienlebens, zur Vorlage gedient), der heilige
Christoph kopiert bis in die kleinste Einzelheit
Zug um Zug den Christophorusholzschnitt Dürers
(Bartsch 104), die Madonna vergleicht sich, ohne
direkt entlehnt zu sein, in der Auffassung etwa
der gestochenen Madonna von 1508 oder 1516
(Bartsch 31 und 32), und nur der heilige Georg,
der schwer auf der Erde wuchtend dem Drachen
die Lanze in den Rachen stößt, ist freier in der
Auffassung. Die Übereinstimmungen mit Dürer-
schen Werken mögen im späteren XVI. Jahrhundert
den Glauben erweckt haben, daß hier Dürer selbst
gearbeitet habe, und man hat diesen Glauben dann
in die Tat umgesetzt. An der Stelle des Christo-
phorusfreskos, an der man nach Dürers Holzschnitt
den Eremiten mit der Laterne erwarten müßte, ist
ein Porträt Dürers zum Vorschein gekommen, der
Meister, dargestellt in einem Barett mit wallendem
Federbusch, anscheinend bartlos, in der Rechten
Pinsel und Palette, in der Linken eine Tafel mit
folgender Inschrift: Albertus Durer Noricus Facie-
bat Anno A Virginis Partu MDXXV. Auch wenn
diese Inschrift nicht von Dürers Allerheiligenbild
wörtlich abgeschrieben wäre, auch wenn man
unter dem angeblichen Selbstporträt Dürers nicht
mit aller Deutlichkeit noch die Konturen des einst
vorhandenen und dann übermalten Eremiten wahr-
nehmen könnte, wäre es selbstverständlich, daß
man es hier lediglich mit einer späteren Fälschung
zu tun hat. Die Wandmalereien haben bisher,
unselbständig wie sie sind, nur tür die lokale
Frankfurter Kunstgeschichte einiges Interesse. Falls
nicht unter der Tünche noch Dinge von größerer
Eigenart verborgen liegen, dürfte die Sakristei der
Deutschordenskirche kaum berufen sein, in der
deutschen Kunstgeschichte eine Rolle zu spielen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf einen
anderen, weit selbständigeren und bedeutenderen
Frankfurter Maler hinweisen, dessen Hauptwerk
sich gleichfalls in der Deutschordenskirche zu Sach-
senhausen befindet, den ich schon seit langen
Jahren kenne, dessen Publikation ich aber für eine
größere Arbeit über die Malerei in Frankfurt zu-
rückgestellt hatte.
Das Werk, um das es sich handelt, ist eine
Tafel, die in neuerer Zeit in die Predella eines
stilverschiednen, geringwertigen Altares, des Marien-
altares eingelassen worden ist; sie stellt Christus
als Schmerzensmann in Halbfigur dar, begleitet von

Maria und Johannes, die den Königsmantel der
Verspottung halten, vor einem dunkelblauen, lilien-
geschmückten Grunde, die Gestalten durch eine
Rankenarkade geteilt. Die Tafel fesselt zunächst
durch eine warme, satte Farbigkeit, die auf den
Zweiklang eines tiefen, leuchtenden Blau und eines
intensiv glühenden Rot gestimmt ist, dann aber
vor allem durch den Adel der Gestalten, die sanfte,
von der hergebrachten Larmoyanz ferne Schwer-
mut des Christuskopfes, die tiefe, stille Trauer der
Muttergottes, die edle Gehaltenheit des Johannes.
Ein solcher Kopf wie der des jugendlichen Apostels,
malerisch fein im Zusammenklang des klaren In-
karnats und der goldbraunen Haarfülle, vornehm
und vergeistigt im Ausdruck, gehört zum Schön-
sten, was die Frankfurter Malerei um die Wende
des XV. und XVI. Jahrhunderts hervorgebracht hat.
Dem Meister dieses Werkes, das in der Literatur
noch keine Beachtung gefunden hat, kann ich noch
zwei andere Arbeiten zuweisen. Die eine befindet
sich im Besitze des Städelschen Instituts in Frank-
furt, in den sie 1818 aus dem Besitz der Patrizier-
familie Glauburg gekommen ist. Sie stellt den
Kruzifixus zwischen Maria und Johannes dar, zu
ihren Füßen in starker Verkleinerung eine Dona-
torenfamilie, im Hintergründe die Stadt Jerusalem
mit dem Tempelberg und in kleinen Figuren rechts
die Kreuztragung, links die Grablegung (Phot. Bruck-
mann). Die Typen sind die gleichen wie auf der Tafel
in der Deutschordenskirche, gleich auch der weiche
lyrische, hier fast etwas schwächliche Ausdruck,
gleich schließlich die juwelenhaft leuchtende Farbig-
keit. Den Stifter des Bildes hat Weizsäcker (Katalog
der Gemäldegalerie des Städelschen Kunstinstituts
in Frankfurt a. M., Frankfurt, 1900, S. 220 f.) in
dem Frankfurter Bürger Wigand Märckel von
Grünau nachgewiesen, seine Entstehungszeit aus
den Familienverhältnissen des Stifters in den
Jahren 1492 bis 1502 bestimmt1). Loga hat dar-
auf aufmerksam gemacht, daß die Ansicht von
Jerusalem im Hintergründe des Bildes die Ansicht
der heiligen Stadt wiederholt, die in Bernhard von
Breydenbachs Opusculum sanctarum peregrinatio-
num ad sepulcrum Christi 1486 in Mainz zum ersten
Male erschienen ist. Das dritte Werk dieses Meisters
endlich, ein zweiter Kruzifixus, dem eben bespro-
chenen in Komposition und Typenbildung außer-
ordentlich nahestehend, findet sich, gleichfalls in
der Literatur noch nicht beachtet, in der Weiß-
frauenkirche zu Frankfurt. Das späteste und reifste
(1) Auf dem Wappenschilde mit der Hausmarke des Dona-
tors finden sich leicht aufgetragen die Buchstaben W und
M, die wohl auch als (späterer?) Hinweis auf den Namen
Wiegand Märckel genommen werden können und keine
Künstlersignatur zu bedeuten brauchen.

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