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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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es erst gelang, die von dem Vicentiner Meister angeregten Ideen und Probleme zu
einer auch zu dieser Zeit ungeahnten Vollkommenheit und Großzügigkeit zu gestalten.
In Frankreich war es vor allem etwa Boffrand, der in dieser Hinsicht sich ver-
suchte und in diesen rheinfränkischen Gegenden hatte Maximilian von Welsch mit
dem Biebricher Schlosse (begonnen 1699) das erste Beispiel dieser Art gegeben.
Kleinere Lustschlösser in herrlicher Verbindung mit Terassen- und Gartenanlagen
hatte dann, von demselben Gedanken ausgehend, sein feinsinniger Schüler Friedrich
Joachim Stengel in den gleichfalls für das Haus Nassau errichteten, durch die Revo-
lution hinweggefegten Lustschlössern Jägersberg bei Neunkirchen (begonnen 1752)
und Ludwigsberg bei Saarbrücken (begonnen 1769) geschaffen, und geistreiche
Franzosen wie De la Guepiere hatten das entwickelste in dieser Art der Grundriß-
lösung für diese Gegenden vielleicht in den Schlößchen Monrepos (1760—1767) und
Solitude (zusammen mit Weyhing 1763—1767) aufgeführt.
Auch bei Pigage zeigt sich dies Bestreben in einer ganz auffallenden Weise und
ist als durchgehend bei seinen Schloßplanungen zu bezeichnen, von denen ja leider
nur Benrath uns heute ganz und gar seine Kunst am deutlichsten noch vor Augen
führen kann.
In der Grundrißgestaltung zeigt sein vorliegender Karlsruher Plan (vgl. die Tafel)
mit Bauten dieser Gegend besonders nahen Bezug allein zu Biebrich — auch hier
der zentrale Mittelbau, auch hier die schmalen Galerien, die die weit vorspringenden
Eckpavillons mit ihm verbinden, Mittelbau und Galerien der Repräsentation, Eck-
pavillons den Wohnzwecken dienend.
Aber der Plan Pigages zeigt eine ungleich feinere Durcharbeit wie dieser früheste
Bau dieser Art in rheinfränkischen Landen und wäre ausgeführt an feinen Nuancen
und malerischen Durchblicken überreich geworden.
Besonders wirksam und abwechslungsreich hatte der Künstler noch die Eck-
pavillons dadurch gestaltet, daß er in der Mitte einen offenen, tief gelegenen Hof
anordnete, zu dem vor den ovalen Vestibülen Treppenanlagen hinabstiegen und in
dem eine mächtige Fontäne ihr Wasser aufschleudern sollte. Er liebte diese Ver-
bindung seiner Bauten mit Wasserkünsten, die ganz dazu angetan war, uner-
wartete Wirkungen dem Besucher vorzuzaubern; ich brauche nur an das Badehaus
in Schwetzingen mit seinem herrlichen Durchblick auf die wasserspeienden Vögel
und an das Benrather Schlößchen mit seinem inneren Grottenbad zu erinnern.
Im Fassadenaufriß (vgl. die Tafel) macht sich in voller Reinheit der Geschmack der
Pariser Akademie geltend. Am reichsten ist die Architektur naturgemäß am Mittelrund-
bau, an dem reichlicher Pilasterschmuck eingetreten ist, der die drei sich verjüngenden
Stockwerke umzieht, die wieder Balkone mit zierlichem Schmiedewerk umgürten,
man kann aber nicht umhin, diesen Rundpavillon in seiner massigen, schwerfälligen
Bauart als etwas zu unorganisch isoliert inmitten der ganzen Baugruppe zu emp-
finden, ein Fehler, der sich ebenso bei den Schwetzinger Bauplänen des Meisters
nicht wegleugnen läßt.
Der Hauptgrund dafür, daß man die Pläne Pigages für Karlsruhe nicht näher in
Betracht gezogen zu haben scheint, war wohl der, daß sie durchaus nicht zweck-
dienlich sich den einmal bestehenden Verhältnissen und vorhandenen Bauten an-
paßten; das gelang erst von allen Meistern einem jungen, damals am Anfänge der
30er Jahre stehenden Architekten, Albrecht Friedrich von Keßlau, auf dessen Bildungs-
gang ich in meiner Stengelmonographie 9 an Hand von aufgefundenen Archivalien näher
eingegangen bin und über den eine Spezialuntersuchung sehr erwünscht wäre.
(1) Lohmeyer: Friedrich Joachim Stengel. Düsseldorf 1911, S. 6gf.

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