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Denu seine Mutter, Antonia, ist dies Weib, wenn jene unsere Auf- i
fassung die richtige ist, nicht seine Gemahlin Agrippina, die er ja j
nicht in Rom zuriickliess. Der scheinbar seltsame Umstand, dass
Agrippina somit von der Darstellung ganz ausgeschlossen ist, kann j
in letzter Instanz aus der Abneigung, welche Tiberius und Livia j
gegen diese Frau hegten, erklärt werden. Zunächst genügt schon
die Bemerkung, dass auch Julia Livilla nicht dargestellt ist. Der
Künstler hat von dem weiblichen Personale des Kaiserhauses ausser
Her Livia nur die Mutter des Germanicus und Schwiegermutter des
Drusus berücksichtigt. In dem Urnstande, dass, und noch mehr
in der Weise, wie er das gethan hat, ist zweifelsohne eine beson-
dere Rücksicht auf diese anzuerkennen. Merkwürdig, dass somit
bei der Entlassung des Germanicus eben die Personen des kaiser-
lichen Hauses zugegen sind, die man, als er, in Asche verwandelt
nach Rom zurückgebracht wurde, vermisste — auch Antonia fehlte
bei dieser Gelegenheit, Tacit. Annal. III, 33 —, und vielleicht ist
dieses ein Grund mit, warum wir grade sie zusammen hier und auch I
die Antonia so vorgehoben linden. Trifft diese Darlegung das j
Wahre, so dient sie zugleich dazu, die Gründe gegen die Bezie-
hung der von Mongez als Musen gefassten Figuren auf Agrippina
und Julia Livilla zu vermehre«. Sonst ist zur Deutung der Figu-
ren des mittleren Feldes noch Folgendes zu merken. Livia ist
durch Mohnstengel und A ehren als Ceres bezeichnet. Warum aber
diese Auffassungsweise? Wer die Annahme für richtig hält, nach
der Germanicus sich auf dem Zuge, zu welchem er sich eben an-
schickt, die Geltung und bildliche Darstellung als neuer Triptole-
mus erwarb (vgl. zu n. 380), wird leicht der Vermuthung Raum
geben, dass der Künstler andeuten wollte, wie ihn Livia-Geres
hier als solchen entsende. In dem jungen Asiaten, welcher neben
dem Throne, an der Seite der Livia, in der Haltung eines Demü-
thigen oder Bekümmerten, wie es scheint auf seinem Schilde, sitzt,
bat man neuerdings eine Personification des unterworfenen Orients
erkennen wollen, in Bezug auf die Erfolge des Germanicus in die-
sem Erdtheile. In diesem Falle sollte man die Figur doch wohl im
untersten Felde erwarten. Eher ginge es, dieselbe auf die schon
Statt gehabten Erfolge des Tiberius selbst in Bezug zu stellen,
zumal dieser sich damit besonders brüstete (Dio LIV, 28). Wie
wird aber die Jugendlichkeit der Figur zu erklären sein? Will
man etwa in ihr — wie Goettling „Ges. Abhandl." Bd. I. S. 395,
in Betreff des Knaben, der im untersten Felde zugleich mit seiner
Mutter dargestellt ist, thut — „eine symbolische Andeutung" dar-
in suchen, „dass auch die Nachkommenschaft der besiegten Völker
den Römischen Staatsverband einverleibt bleiben solle"? Uns be-
stimmt diese Jugendlichkeit nebst Anderem, dem, jene allgemeinere
Auffassungsweise nicht aufhebenden Gedanken an eine Geissei zu
folgen. Ob nun aber der „Prinz" für einen Parthischen oder ob
er für einen Armenischen zu halten sei, das wird sich schwer
ausmachen lassen, wenn nicht etwa folgende Betrachtung geeignet
erscheint, den Ausschlag zu geben. Germanicus erhielt den Auf-
trag, dass durch Vonones und die Parther bedrängte Armenien zu
beruhigen. Seine Sendung war also wesentlich nur für die Par-
ther, nicht auch für die Armenier Gefahr drohend. Bei der Dar-
stellung des „Prinzen" muss es auffallen, dass er der Hauptscene,
in welcher Germanicus eben entlassen wird, den Rücken zukehrt.
Dieses Motiv wird nicht nur nicht befremdlich, sondern vortreff-
lich gewählt erscheinen, wenn man annimmt, dass der junge Asiat
sich deshalb abgewandt hat und besonders deshalb so betrübt da-
sitzt, weil in jener Scene etwas vor sich geht, wodurch seine
Verwandten und Laudsleute so ernstlich und gewiss bedroht wer-
den. — Gehen wir jetzt zum obersten Felde über, so hätte gegen
die Ansicht, nach welcher in demselben die Aufnahme des Augu-
stus unter die Götter des Julischen Geschlechts oder dessen Apo-
theose vorstellig gemacht ist, schon der von Müller nicht ver-
schwiegene Umstand Verdacht erregen sollen, dass dieses Ereig-
niss so geraume Zeit vor dem Statt hatte, was in dem mittleren
Felde dargestellt ist, da doch durchaus kein innerer Zusammen-
hang zwischen beiden Ereignissen nachweisbar ist. Ueberall ist
es auch an sich nicht wahrscheinlich, dass die betreffende Figur
den Augustus darstelle. Wie sollte gerade diesem die kriegerische
Tracht gegeben sein? Andere, zuerst Rubens, zuletzt Thiersch,
beziehen die Figur auf den älteren Drusus, fassen dagegen die in
Müller's Text auf diesen gedeutete Figur als Tiberius Clau-
dius Nero; dem Vaters des Kaisers und dieses Drusus, und den
früheren Geniahl der Livia, und den „Divus Caesar" nach Peiresc
Denu seine Mutter, Antonia, ist dies Weib, wenn jene unsere Auf- i
fassung die richtige ist, nicht seine Gemahlin Agrippina, die er ja j
nicht in Rom zuriickliess. Der scheinbar seltsame Umstand, dass
Agrippina somit von der Darstellung ganz ausgeschlossen ist, kann j
in letzter Instanz aus der Abneigung, welche Tiberius und Livia j
gegen diese Frau hegten, erklärt werden. Zunächst genügt schon
die Bemerkung, dass auch Julia Livilla nicht dargestellt ist. Der
Künstler hat von dem weiblichen Personale des Kaiserhauses ausser
Her Livia nur die Mutter des Germanicus und Schwiegermutter des
Drusus berücksichtigt. In dem Urnstande, dass, und noch mehr
in der Weise, wie er das gethan hat, ist zweifelsohne eine beson-
dere Rücksicht auf diese anzuerkennen. Merkwürdig, dass somit
bei der Entlassung des Germanicus eben die Personen des kaiser-
lichen Hauses zugegen sind, die man, als er, in Asche verwandelt
nach Rom zurückgebracht wurde, vermisste — auch Antonia fehlte
bei dieser Gelegenheit, Tacit. Annal. III, 33 —, und vielleicht ist
dieses ein Grund mit, warum wir grade sie zusammen hier und auch I
die Antonia so vorgehoben linden. Trifft diese Darlegung das j
Wahre, so dient sie zugleich dazu, die Gründe gegen die Bezie-
hung der von Mongez als Musen gefassten Figuren auf Agrippina
und Julia Livilla zu vermehre«. Sonst ist zur Deutung der Figu-
ren des mittleren Feldes noch Folgendes zu merken. Livia ist
durch Mohnstengel und A ehren als Ceres bezeichnet. Warum aber
diese Auffassungsweise? Wer die Annahme für richtig hält, nach
der Germanicus sich auf dem Zuge, zu welchem er sich eben an-
schickt, die Geltung und bildliche Darstellung als neuer Triptole-
mus erwarb (vgl. zu n. 380), wird leicht der Vermuthung Raum
geben, dass der Künstler andeuten wollte, wie ihn Livia-Geres
hier als solchen entsende. In dem jungen Asiaten, welcher neben
dem Throne, an der Seite der Livia, in der Haltung eines Demü-
thigen oder Bekümmerten, wie es scheint auf seinem Schilde, sitzt,
bat man neuerdings eine Personification des unterworfenen Orients
erkennen wollen, in Bezug auf die Erfolge des Germanicus in die-
sem Erdtheile. In diesem Falle sollte man die Figur doch wohl im
untersten Felde erwarten. Eher ginge es, dieselbe auf die schon
Statt gehabten Erfolge des Tiberius selbst in Bezug zu stellen,
zumal dieser sich damit besonders brüstete (Dio LIV, 28). Wie
wird aber die Jugendlichkeit der Figur zu erklären sein? Will
man etwa in ihr — wie Goettling „Ges. Abhandl." Bd. I. S. 395,
in Betreff des Knaben, der im untersten Felde zugleich mit seiner
Mutter dargestellt ist, thut — „eine symbolische Andeutung" dar-
in suchen, „dass auch die Nachkommenschaft der besiegten Völker
den Römischen Staatsverband einverleibt bleiben solle"? Uns be-
stimmt diese Jugendlichkeit nebst Anderem, dem, jene allgemeinere
Auffassungsweise nicht aufhebenden Gedanken an eine Geissei zu
folgen. Ob nun aber der „Prinz" für einen Parthischen oder ob
er für einen Armenischen zu halten sei, das wird sich schwer
ausmachen lassen, wenn nicht etwa folgende Betrachtung geeignet
erscheint, den Ausschlag zu geben. Germanicus erhielt den Auf-
trag, dass durch Vonones und die Parther bedrängte Armenien zu
beruhigen. Seine Sendung war also wesentlich nur für die Par-
ther, nicht auch für die Armenier Gefahr drohend. Bei der Dar-
stellung des „Prinzen" muss es auffallen, dass er der Hauptscene,
in welcher Germanicus eben entlassen wird, den Rücken zukehrt.
Dieses Motiv wird nicht nur nicht befremdlich, sondern vortreff-
lich gewählt erscheinen, wenn man annimmt, dass der junge Asiat
sich deshalb abgewandt hat und besonders deshalb so betrübt da-
sitzt, weil in jener Scene etwas vor sich geht, wodurch seine
Verwandten und Laudsleute so ernstlich und gewiss bedroht wer-
den. — Gehen wir jetzt zum obersten Felde über, so hätte gegen
die Ansicht, nach welcher in demselben die Aufnahme des Augu-
stus unter die Götter des Julischen Geschlechts oder dessen Apo-
theose vorstellig gemacht ist, schon der von Müller nicht ver-
schwiegene Umstand Verdacht erregen sollen, dass dieses Ereig-
niss so geraume Zeit vor dem Statt hatte, was in dem mittleren
Felde dargestellt ist, da doch durchaus kein innerer Zusammen-
hang zwischen beiden Ereignissen nachweisbar ist. Ueberall ist
es auch an sich nicht wahrscheinlich, dass die betreffende Figur
den Augustus darstelle. Wie sollte gerade diesem die kriegerische
Tracht gegeben sein? Andere, zuerst Rubens, zuletzt Thiersch,
beziehen die Figur auf den älteren Drusus, fassen dagegen die in
Müller's Text auf diesen gedeutete Figur als Tiberius Clau-
dius Nero; dem Vaters des Kaisers und dieses Drusus, und den
früheren Geniahl der Livia, und den „Divus Caesar" nach Peiresc