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Müller, Walther
Die Theseusmetopen vom Theseion zu Athen in ihrem Verhältnis zur Vasenmalerei — Göttingen, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.901#0050
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beobachten, wie scheinbar auf beiden Seiten die Anstrengung aufhört,
wo trotzdem alle Muskeln und Sehnen heftig angespannt sind. Dies
ist der Augenblick, wo beide Kräfte sich völlig aufheben. Und den
wählte Euphronios. Er konnte es sich dabei nicht versagen, dem Be-
schauer das wilde, von zottigem Bart und Haupthaar umrahmte Antlitz
des Räubers zu zeigen, obwohl diese Bewegung des Kopfes durch
nichts motiviert ist, so dass wir uns bei der Betrachtung eines Lächelns
nicht erwehren können. Mindestens ebenso alt, wenn nicht älter, ist
die Vase des Eufhymides Das Auge steht bei Profilköpfen noch völlig
en face, die Zeichnung ist stellenweise ungeschickt. So ist der linke
Arm des Theseus viel zu lang geraten. Dass der berühmte Kampf
gemeint sei, bezeugen die Inschriften. Trotzdem hat der Künstler es
verschmäht, den Kerkyon irgendwie als Räuber zu charakterisieren
oder überhaupt von seinem Gegner zu unterscheiden. Er erscheint
gerade so jugendlich, von demselben Körperbau, mit denselben kurz
geschorenen Haaren, wie dieser. Auch die Art des Kampfes weicht
von den übrigen Bildern ab. Theseus hat den linken Arm seinem
Gegner, dessen Körper völlig en face erseheint, um den Nacken, über
die linke Schulter und Brust hinüber und schliesslich unter die rechte
Achsel hindurch geschlungen und beide Hände ineinander geschlagen.
Er presst ihn so fest an sich, dass jener das Gleichgewicht verliert
und den linken Fuss nur noch lose auf den Boden setzt. Der linke Arm
fuchtelt haltlos durch die Luft, der rechte ist wehrlos gesenkt. Die
Darstellung hat also mit den vorigen nichts gemein, als den allgemeinen
Vorwurf des Ringkampfes. Das Streben des Theseus geht nicht
darauf, den Gegner in die Luft zu heben, sondern überhaupt niederzu-
werfen. Da also weder die Verschlingung, noch die Figuren über
das Gewöhnliche hinausragen, so scheint auch der Künstler nur einen
alltäglichen Ringkampf gewollt zu haben; dennoch aber setzte er die
Namen eines der berühmtesten Ringerpaare hinzu, wohl wissend, dass
der gemeinen Anschauung eine durch Hinzufügung allbekannter Namen
aus dem Unbestimmten herausgehobene Darstellung willkommener und
interessanter war, als ein namenloses Genre. Keinesfalls also ist hier
eine Bekanntschaft mit der Metope zu vermuten. Aber ebensowenig
auch bei Duris und Euphronios. Zwar scheint die Haltung des rechten
Armes Kerkyons bei jenem, sowie die Wahl der gleichen Kampf-
methode, d. h. die Besiegung durch Emporheben, für eine Verwandt-
schaft zu sprechen. Was den zweiten Punkt anlangt, so möchte ich
die Veranlassung dem entsprechenden Heraklesabenteuer zuschreiben.
Es wurde dieses nicht nur in seinen Umrissen, sondern auch in seinem
Verlauf auf Theseus übertragen. Wie Herakles den Antaios von der
Erde emporhob und dann erwürgte, ebenso verfuhr auch sein attischer
 
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