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Die Geschichte von dem verführten Kützlein.
Erster Bogen.

143


Es war einmal ein Kätzlein, das sehr brav war und seiner Mutter in allen Stücken folgte.
Bei allerlei nützlichen Beschäftigungen half es derselben, und wenn sie ihm nützliche Lehren gab, so
merkte es sehr fleißig auf und versprach sie zu befolgen. Die Mutter schärfte dein kleinen Mietzerl,
so hieß das Kätzchen, besonders ein, nicht vom Hause Wegzugehen, und des Brotes, das sie vom Haus-


„Es ist wahr, er hat recht, das Dach gehört ja zum Hans!" denkt's Mietzerl und richtig —
wie's neun Uhr wird, kommt es. Der fremde Kerl ist schon da, er grüßt das Mietzerl gar freundlich
und sie gehen mit einander spazieren ganz anständig. Nach einer Stunde sagt's Mietzerl: „Ich muß
jetzt doch wieder hinunter, sie könnt's merken, daß ich fort bin!" —
„Ja, du hast Recht", sagte der fremde Kerl, „geh wieder heim; gute Nacht, auf Wieder-
seh'n! Apropos, Mietzerl," ruft er diesem noch nach, „komm doch morgen früh auf einen Augenblick
in den Garten, ich hab dir was sehr Wichtiges zu sagen!"


dasselbe in der sehr nützlichen Beschäftigung dcsMänsefangens, wodurch cs sich besonders die Gunst
ihres Herrn erwerben könnte.

„Hm ! denkt's Mietzerl, „Ions muß das wohl sein, du mnßt doch hingeh'n; ansgegegangen bist
du jetzt doch schon einmal, und der Garten gehört eigentlich auch noch zum Haus."


Eines Tages steht das Mietzerl unter der Thüre und denkt an gar nichts. Da kommt ein
fremder Kerl daher und sagt: „Guten Tag, Mietzerl, wie gehts?"
„Das geht Sie gar nichts an, wie mir's geht!" sagt's Mietzerl.
„Nun, nun, ich meine halt, es müßt' so recht langweilig sein, wenn man den ganzen Tag
lang, Jahr aus, Jahr ein, zwischen den vier Wänden steckt. Geh Mietzerl, komm heut Abend ein
wenig aufs Dach!" —
„Das darf ich nicht, die Mutter hat's verboten, außer Hans zu gehen!" —
„Sei doch gescheit, du übertrittst dadurch ja das Verbot nicht, das Dach gehört ja zum Hans.
Koinm nur, du wirst sehen, wie schön es droben ist im Mondschein!"
„Ich will sehen," sagt das Mietzerl, „vielleicht koinm ich!"

Es kömmt also richtig in den Garten; der fremde Kerl ist schon da.
„Mietzerl", sagt er, „du mußt mir einen Gefallen thnn. Ich hab schon seit einiger Zeit
eine Verdrießlichkeit mit einem alten Spatzen. Weißt du, der Kerl frißt immer den Salat, der ihn
eigentlich gar nichts angeht, und da mvcht ich ihm einmal eine ordentliche Lektion geben. Schau, ich
verlange nichts von dir, als daß du ihn mir fangen hilfst, das weitere findet sich schon."


Es dauert nicht lang, so haben sie den armen Spatzen gefangen. Der fremde Kerl gibt ihm
gleich ein paar tüchtige Hiebe und das Mietzerl muß ihn halten. „Herrgott noch einmal! jetzt Habich
ihn, glaub ich, gar erschlagen!" sagte der fremde Kerl auf einmal. „Das könnt' eine schöne Geschichte
geben! Wie wär's, Mietzerl, wenn wir ihn fräßen, damit nichts aufkonimt? Weißt du, die Leute
sind gar zu gespaßig; von so einer Lumperei machen sie gleich ein Aufsehens und einen Lärmen, als
wenn an so einem einfältigen Bogel Wunder was gelegen wäre!" (Schluß auf Nr. 144).

Münchener Bilderbogen.
10. Auflage.
(Alle Rechte Vorbehalten.)

Zssro. 143.
- Herausgegeben und verlegt von K. Braun und F. Schneider in München.
Kgl. Hof- und Universitäts-Buchdruckerei von I)r. C. Wolf L Sohu in München.
 
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