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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 52.1931

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Körner, Ernst: Die Stadt Weilburg nach dem Dreissigjährigen Kriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.62032#0156
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Ernst Körner.

Verleumdung und „Verschmechtung“ schützte, und das Versprechen der Behörden,
durch Entsendung eines Vertreters diese Handlung ihres bisherigen Charakters
zu entkleiden, vermochten die Bedenken der Zimmerleute nicht gänzlich zu
zerstreuen. Noch grössere Schwierigkeiten bereitete die Verpflichtung der Lein-
weberzunft. Am 6. März erklärten sie sich nach anfänglichem Weigern unter
herrschaftlichem Zwange zur Ausführung der von ihnen geforderten Arbeiten
bereit, wenn ihr Ruf ebenfalls durch die Teilnahme eines Behördenvertreters
vor Einbusse „an unserm guten Leumundt undt handtwerk allerwegen“ gesichert
würde. Nach langem Bemühen gelang es dem Stadtschultheissen Medicus, ihre
Bedenken zu entkräften und sie zum Auszuge nach der Richtstätte zu bewegen.
Da sie aber schon auf halbem Wege wieder zurückkehrten und standhaft er-
klärten, nur im Beisein des Stadtschultheissen die von ihnen geforderten Ar-
beiten zu verrichten, musste sich Medicus wohl oder übel entschliessen, durch
seine Teilnahme die ängstlichen Gemüter zu beruhigen.
Aber trotz der Handauflegung des Schultheissen auf den Galgen und trotz
seiner nochmaligen Versicherung, dass ihnen aus dieser Tätigkeit keine Nach-
teile in geschäftlicher oder gesellschaftlicher Hinsicht entstehen würden, sollten
die Leinweber mit ihren ängstlichen Bedenken zu ihrem grössten Leidwesen
nur allzu sehr Recht behalten. Schwere geschäftliche Schädigungen und gesell-
schaftliche Missachtung durch Boykottierung von Seiten der Bürgerschaft und
der anderen Zünfte, ja sogar fremder Ortsgruppen der eigenen Zunft, waren
die schädlichen Auswirkungen dieser unter dem Zwange der herrschaftlichen
Gewalt verrichteten „unehrlichen“ Arbeit.56)
Viel häufiger als in der Vorkriegszeit liess sich das Stadtgericht in
schwierigen Fällen von den juristischen Fakultäten der benachbarten Universi-
täten Marburg und Giessen beraten. Bisweilen überschickte man den „professores“,
die sich diese Arbeiten gut bezahlen liessen, nach durchgeführter Beweisauf-
nahme das ganze Aktenmaterial, ihnen die Urteilsfällung zuweisend. Da sich
diese dabei aber keineswegs allzu sehr beeilten, traten oft unliebsame Verzöge-
rungen in der Prozessführung ein. Im Jahre 1680 kehrte der Bote des Gerichtes
wiederholt von Marburg zurück mit dem Bescheid der Fakultät, dass die ihr
übersandten „Sachen“ noch nicht hätten bearbeitet werden können, da sie mit
„anderen Geschäften, in Sonderheit mit der Universitätsvisitation überhäuffet
sey“.
Über die in den Jahren 1658—60 vom Stadtgericht durchgeführten Hexen-
prozesse sind wir durch die fast lückenlos vorliegenden Protokolle der Peinlichen
Halsgerichtsbarkeit bestens unterrichtet. In diesen 3 Jahren sind nicht weniger
als 30 Personen, denen die Verbindung mit dem „bösen feindt“ zur Last ge-
legt wurde und unter denen sich auch Mitglieder angesehener Familien befanden
(Tochter des Merenberger Schultheissen, Ehefrau eines bekannten Weilburger
Gastwirtes usw.), dieser Verblendung und Verirrung des menschlichen Geistes
zum Opfer gefallen.
5“) Siehe dazu A. Schnell, Die Beteiligung der Weilburger Leinweberzunft am Bau des
Hochgerichtes, (Land und Leute, Jahrg. 1. Nr. 1 und 2), der auch im einzelnen die Folgen für
die Leinweberzunft aufzeigt.
 
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