Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 52.1931

DOI article:
Henche, Albert: Der junge Marschall
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62032#0173
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der junge Marschall.

167

Überdenken wir zusammenfassend die Gründe des politischen Stellungs-
wechsels von Marschalls, so ergeben sich neben der bei seiner Bildung voraus-
zusetzenden Reifung mit zunehmendem Alter und der durch das Hofamt ein-
setzenden grösseren Unmittelbarkeit zur politischen Praxis und allgemeinen
Lebensrealität doch auch einzeln nachweisbare oder wahrscheinliche konkrete
Faktoren. Als solche möchten wir ansprechen: Die eignen Erfahrungen mit den
Methoden der französischen Revolutionsheere und der Einfluss Reinholds, welcher
denjenigen Kerners verdrängte. Seit dem Prozess gegen Louis XVI. hält Kerner
die politischen Ansichten Marschalls nicht mehr für revolutionsfreundlich, seit
dem Jahre 1793, in dem sein Fürst nach Idstein flüchten musste, ist der
nassauische Regierungsrat antirevolutionär.
Im folgenden Jahre verfasst er in mehreren, handschriftlich im Hausarchiv
noch vorhandenen Fassungen, deren erste Entwürfe in den Winter 1793 zurück-
reichen, eine Abhandlung mit dem Titel „Untersuchungen über die Gefahren
einer Volksempörung in Deutschland“. Die in ihr niedergelegten Ansichten
bilden daher zwangsläufig den zweiten Teil dieses Aufsatzes.
* «S
*
Aus einem Entwurf Marschalls zu jener oben genannten Schrift erkennen
wir zunächst, dass er jedenfalls keineswegs zum reaktionären Bekämpfer aller
Ideen der Revolution geworden ist, seitdem er in seiner revolutionären Gesinnung
angesichts der ausgearteten Revolutionspraxis der französischen Heere erschüttert
wurde. Man halte Kruses oben erwähnte Broschüre,7) die die Revolution in
Grund und Boden verdammt, gegen folgende ab wägenden Sätze Marschalls:
„Die Wirkungen der Revolution in Frankreich haben in den übrigen Ländern
Europas zwei wichtige Folgen hervorgebracht, die uns für die vielen Nachteile,
die auch für uns aus dieser Begebenheit entsprungen sind, vielleicht in etwas
entschädigen.
Sie haben die Regenten über die schrecklichen Folgen, die aus Missbrauch
ihrer Gewalt entspringen können, aufgeklärt, aber auch den in allen Staaten
vorhandenen Unzufriedenen gezeigt, dass auch sie sich ihren Untergang bereiten,
wenn sie es wagen, mit stürmender Hand die Verfassung des Staates anzugreifen.
Hieraus entspringt eine doppelte Wirkung. Auf der einen Seite werden sich
die Regierungen vor Missbrauch ihrer Gewalt mehr hüten, auf der anderen aber
auch die Missvergnügten es mehr als ehemals vermeiden, das Volk gegen die
Regierung zu bewaffnen und in Gemeinschaft mit denselben die Regierung ge-
waltsam anzugreifen, weil ihnen Frankreichs Beispiel gezeigt hat, dass das Volk
ihnen schliesslich das Heft entreissen und sie selbst zu Opfern seiner erregten
Wut machen kann. Von der einen Seite werden also die Reizungen zum Auf stand
abnehmen, während auf der anderen die Neigung dazu vermindert werden wird.
Die Regierungen selbst aber werden auf stille Klagen des Volks, auf die
sie zuvor nicht achteten, ihre Aufmerksamkeit richten und sie zu beheben
suchen .... beide Teile werden einander gerne nachgeben und sich näher-

’) Henche, Kruse. Nass. Heiraatbl. 27. Jahrg. Heft Nr. 2.
 
Annotationen