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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 75.1964

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Schell, Günther: Die römische Besiedlung von Rheingau und Wetterau: eine historisch-geographische Untersuchung
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https://doi.org/10.11588/diglit.70355#0056

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Günther Schell

... im Jahre 1890 Fundamentmauern einer stattlichen Villa, wahrscheinlich
mit Bad, und neben ihr an der älteren Straße von Heddernheim nach Schwan-
heim und Nied Brandgräber gefunden worden“79). Zwar erscheint beim ersten
Blick die unmittelbare Nähe des Flüßchens als recht außergewöhnlich; das sanft
nach Nordwesten ansteigende Gelände mit seinen durch Flußaufschüttungen
entstandenen alluvialen Lehmen und lehmigen Feinsanden bewirkt jedoch, daß
die römischen Gebäude oberhalb der vom Hochwasser bedrohten, schmalen
Niederung des rechten Niddaufers lagen80). —- Westlich der römischen Stadt
Nida wurde in nur 350 m Entfernung von der damaligen Stadtmauer an einem
lößbedeckten Nordhang die sogenannte „Villa von Praunheim“ ausgegraben81).
Durch den Steinbach getrennt, stand an dem gegenüberliegenden Ufer auf einem
Südabfall in der ehemaligen Niederurseler Kiesgrube ein „wie es scheint, ärm-
liches römisches Haus mit dem zugehörigen Brunnen“82). Ähnlich wie am Käsbach
in Kostheim und am Sulzbach bei Unterliederbach treten auch hier zwei Sied-
lungsstellen nahe beieinander auf den beiden Ufern eines Baches auf. Außer-
gewöhnlich erscheint es in diesem Falle jedoch, daß das ländliche Anwesen mit
dem Prädikat ,, reich“an einem schattigen Nordhang errichtet war, während
das „ärmliche Haus“ die günstigere Südposition einnahm.
Bei Niederursel wurde im Jahre 1828 eine Villa mit Bad ausgegraben.
Die Stelle befindet sich auf dem diluvialen Lößgelände innerhalb einer heutigen
Ziegelei, östlich der nach Praunheim führenden Chaussee und nördlich des
östlichen Arms der von Nida zum Feldbergkastell ziehenden Römerstraße, an
der auch sicherlich die hier gefundene Gigantensäule stand. Die Anlage erhob
sich auf einem nach Osten zur Nidda verlaufenden Riedel, der durch den Ursel-
und Steinbach begrenzt wird. — Noch nicht untersucht ist eine andere Trümmer-
stätte mit für römische Villen charakteristischen Fundstücken. Dieser vermut-
liche Gutshof liegt oberhalb der Untermühle an einer lößbedeckten Nordost-
abdachung zwischen der Eschersheimer Straße und dem Urselbach, eingerahmt
von mit Bäumen bestandenen Äckern und kleinen Obstgärten.
Am Südostabhang der 1200 m südlich von Kaibach gelegenen „Bonifatius-
quelle“ fand sich in deren unmittelbaren Nähe „römischer Bauschutt in großer
Menge“83), von dem ich im Frühjahr 1961 römische Ziegelbrocken, behauene
Sandsteine und Scherben auflesen konnte. Früher gefundene Estrichfragmente,
Stücke von Heizkacheln und anderes deuten darauf hin, daß es sich um das
Herrenhaus einer villa rustica mit Hypocausteinrichtung und Bad handeln muß.
Die Gesamtausdehnung des heute in offenen Feldern gelegenen Anwesens muß
sehr bedeutend gewesen sein. Unterhalb der Äcker setzt die hier relativ breite
Niddaniederung mit ihren feuchten Wiesen ein. Die weiten Hänge sind durchweg
mit Löß überzogen, der oberflächlich teilweise verlehmt und entkalkt ist. Das
von der Quelle nach Südosten abfallende, im Gelände kaum sichtbare Trocken-
tälchen stellt einen schmalen Streifen alluvialen Lehmes dar. Von diesem ehe-
maligen Gutshof aus bietet sich ein prächtiger Blick über die südliche Wetterau
sowie nach dem Feldberg im Taunus.
Während alle bisher beschriebenen Villen der Frankfurter Umgebung west-
lich der Nidda lagen, sollen nun die auf dem östlichen Ufer aufgefundenen Höfe
beschrieben werden, deren Anzahl weitaus geringer ist, ohne daß dafür eine
einleuchtende Erklärung abgegeben werden kann. In den „Rebstock“-Klein-
gärten südwestlich des Vorortes Bockenheim wird auf Grund der dort frei-
gelegten römischen Gräber eine in der Nähe zugehörige villa rustica vermutet,
die vom Ende des 1. bis in das 3. Jahrhundert hinein bestanden haben müßte.
Das mit pleistozänem Flugsand bedeckte Gelände ist völlig eben und liegt auf
der Mittelterrasse des Mains. Auf älteren Karten findet man an diesem Ort noch
79) Wolff 1913 S. 127.
80) Genaue Beobachtungen sind an dieser Stelle nicht möglich, da das Gelände heute überbaut ist.
81) Vgl. Abb. 6 auf S. 19. — 82) Wolff 1913 S. 128. — 83) Wolff 1913 S. 141.
 
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