Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Hrsg.]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 75.1964

Zitierlink: 
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/nassauische_annalen1964/0337

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VII. Geistesgeschichte, Volkskunde, Namenkunde 307
— objektive — Darstellung endet und wo die -— subjektive — Wertung beginnt. Maßstab für die
Wertung W.s ist die Stellung, die der Religion innerhalb des Schulwesens von dem jeweiligen
Landesherren eingeräumt wird. Hin und wieder gewinnt man den Eindruck, daß hier weniger das
Schulwesen im allgemeinen als vielmehr die Bedeutung des Religionsunterrichts im Mittelpunkt
der Darstellung steht, und zwar mit dem Ziel einer Rechtfertigung der Bekenntnisschule. Denn —
so liest man im Schlußabsatz (S. 80) — die rechte „Art der Erziehung ist aber nur in der Be-
kenntnisschule möglich ... So sind diese Ausführungen ein Beitrag zur Entwicklung der Volks-
schule, genauer, ein Beitrag zur Geschichte der Bekenntnisschule“.
Sieht man von dieser subjektiven Schau W.s ab, bietet seine fleißige Untersuchung gleichwohl
interessante Einblicke in jene spannungsreichen Jahrzehnte. G. Engelbert

VII, Geistesgeschichte, Volkskunde, Namenkunde
Franz Gotting und Rupprecht Leppla: Geschichte der Nassauischen Landesbibliothek zu Wies-
baden und der mit ihr verbundenen Anstalten 1813—1914. Festschrift zur 150-Jahrfeier der
Bibliothek am 12. Oktober 1963. Wiesbaden: Histor. Kommission f. Nassau 1963. VI u. 376 S.
m. 69 Abb., 1 Tf. gr. 8°. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau XV.)
Gzlw. DM 28,—; kart. 24,50.
Im Jahre 1957 bezeichnete der Direktor der Kgl. Bibliothek im Haag Dr. Brummei in seinen
Miscellanea libraria die Bibliotheksgeschichte als ein Stiefkind der Forschung, und auch gegen-
über der Neubearbeitung der Geschichte der Bibliotheken in der 2. Auflage des Handbuchs für
Bibliothekswissenschaft beanstandete er, daß auf weite Strecken der tragende Unterbau, die Er-
forschung der Einzelbibliotheken, fehle; es sei kaum zu erwarten, daß die Lage sich bessere, weil
die berufenen Forscher auf diesem Gebiet keine Muße fänden und von der Tagesarbeit einer
modernen Bibliotheksverwaltung aufgezehrt würden (vgl. meine Rezension der Miscellanea libra-
ria in: Ztschr. f. Bibliothekswesen u. Bibliographie 5, 1958 S. 327ff.). Die pessimistische Voraus-
sage hat nicht recht behalten. Dafür zeugt eine Reihe von neuen Bibliotheksgeschichten auf
deutschem Boden, wie die der Universitätsbibliothek Greifswald von W. Braun 1956 (Festschr.
zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald), ergänzt durch des Rezensenten Aufsatz: Aus der
Geschichte der UB Greifswald in den letzten Jahren der preußischen Zeit (in: Festschr. f. Rud.
Juchhoff 1961), dann die der UB Jena, hrsg. von Karl Bulling 1958, und jetzt auch die Geschichte
der Nassauischen Landesbibliothek von Gotting und Leppla.
Die beiden Verf., der Direktor der Landesbibliothek und sein Stellvertreter, waren für ihre
Aufgabe aufs beste vorbereitet; von ihnen stammten u. a. eine Reihe von Aufsätzen in den von der
Historischen Kommission für Nassau herausgegebenen Nassauischen Lebensbildern, von Leppla
über die Bibliothekare van der Linde und Liesegang, von Gotting über den Frankfurter Kunst-
sammler Gerning, der z. T. noch durch Goethes Vermittlung den Hauptbestand seiner Schätze
an die Wiesbadener Bibliothek abgab. Auch die gar nicht so unbedeutende weitere Literatur über
die Bibliothek und ihre Leiter ist sorglich verarbeitet. Am meisten überrascht die Fülle des trotz
einiger Verluste in der neuesten Zeit noch verfügbaren und ausgewerteten Aktenmaterials meist
aus dem Wiesbadener Hauptstaatsarchiv. Die zahlreichen Bildbeigaben sind willkommen.
Eine einheitliche nassauische Bibliothek wurde erst möglich nach der ersten Zusammenfassung
der zersplitterten alten nassauischen Gebiete, der Einverleibung der neuen Entschädigungen aus
ehemals geistlichen Gebieten der Erzbistümer Mainz und Trier rechts des Rheins zu einem ein-
heitlichen Herzogtum 1803 und 1806. Die Begründung der Öffentlichen Bibliothek in Wiesbaden
während der Unsicherheit der Rheinbundzeit noch vor der Schlacht bei Leipzig 1813 darf immer
als ein Ruhmesblatt des Landes Nassau und seiner leitenden Männer, vor allem des Ministers
Marschall von Bieberstein und seiner Mitarbeiter Ibell und Lange von der Landesregierung gelten.
Schon am 3. Juni 1813 erhielt der erste Bibliothekar der Regierungsbibliothek, wie sie zuerst hieß,
Dr. Hundeshagen, sein Anstellungsdekret.
Freilich entstanden infolge der langwierigen Territorialveränderungen von 1803 an bis 1816
bei der Neuorganisation der Bibliothek, vor allem bei der Auflösung der Klosterbibliotheken
ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Durchführung der Landesverfassung von 1814, die meist
unterschätzt wurden und zu falscher Beurteilung der Absichten der nassauischen Politiker führten.
Für die zum Teil betrüblichen Schicksale der Handschriften und Bücher aus den aufgehobenen
Abteien und Klöstern (Eberbach, Arnstein u. a.) spielte die erst späte Errichtung des Bistums
Limburg (1826), die Unsicherheit über die Gestaltung des Schulwesens und des Archivs ebenso
eine Rolle wie die zunächst dürftige Einrichtung des Bibliothekslokals und die mangelnde fach-
liche Vorbildung des Bibliothekspersonals. Keiner der leitenden Bibliothekare des Herzogtums
war vorher an einer anderen deutschen Bibliothek tätig gewesen; nur der Regierungsaccessist
Carl Christian Lange, der von 1803 bis 1806 die Regierungsbibliothek betreute und den Gotting
den eigentlichen Vater der späteren Öffentlichen Bibliothek nennt, hatte sich vorher ein halbes
Jahr auf der berühmten Universitätsbibliothek in Göttingen umgetan. Die späteren Bibliotheks-
leiter hat man mehr nach ihrer wissenschaftlichen und schriftstellerischen Befähigung ausgesucht.
Hundeshagen (1813—-17) war Altertumsforscher, Weitzel (1821—37) Journalist, Koch (1837—50)
Kirchenrat und Seebode (1851—67) klassischer Philologe. Ursprünglich sollte die neue Bibliothek
der Bildung der nassauischen Beamten dienen, weshalb neben einer festen Dotation des Herzogs

20*
 
Annotationen