Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hartmann; Naumann, Hans [Hrsg.]; Steinger, Hans [Hrsg.]
Erec / Iwein — Leipzig: Verlag von Philipp Reclam jun., 1933

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62234#0290
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
284

Nachwort

innere Gründe einen Fingerzeig geben, verdient wohl im allgemeinen
mit Rücksicht auf den im Gregorius und im Armen Heinrich erreichten
Stand die Lesart mit dem glatteren Versbau den Vorzug; doch ist zu
berücksichtigen, daß die meisten Verse mit andern ähnlichen Baues oder
ähnlicher Schwere in Gruppen zusammenstehn, und es ist Vorsicht ge-
boten, weil zuweilen der Rhythmus als Ausdrucksmittel dient. Wo auch
der Vers versagt, habe ich mich, oft mit Bedenken, für *A entschieden.
Es hätte an zahlreichen Stellen leichte Mühe gekostet, den Vers glatter
zu gestalten, als ihn die Handschriften darbieten. Ich habe das unter-
lassen, denn seltener, aber noch oft genug widerstrebt die Überlieferung
jeder Glättung, und eine gewisse Unausgeglichenheit ist wohl für Hart-
manns Versbau bezeichnend. Wie weit sich meine Anschauungen und
ihre Durchführung bewähren, müssen andre beurteilen. Jedenfalls ge-
statten sie das auswählende Verfahren, das schon Lachmann übte, ohne
es rechtfertigen zu können.
Die sprachliche Gestalt beruht wesentlich auf den Beobachtungen von
Lachmann, Zwierzina, v. Kraus, Gierach und Schirokauer. Auch den Deu-
tungen ihrer Ergebnisse bin ich meist gefolgt, so unsicher manche auch
bleibt. Nur meine Behandlung der tonlosen e weicht ab. Es gilt als selbst-
verständliche Pflicht einer kritischen Ausgabe, durch Setzung und Weg-
lassung zugleich die vom Dichter gewollte Sprachform und den Rhythmus
jedes einzelnen Verses möglichst genau zu bezeichnen. Ich hätte mich
dieser wie so mancher andern üblich gewordenen Berichtigung mittelhoch-
deutscher Schreibgewohnheiten gefügt, hielte ich sie für durchführbar.
Sie ist aber untrennbar verbunden mit dem Glauben an unverbrüchliche
Gesetze des Versbaues, wie ihn Lachmann hegte. Wer jedoch der Über-
zeugung ist, daß die erste begrifflich formulierte Verslehre in Deutschland
das Silbenzählen ist, das immerhin früher aufgekommen sein wird, als
wir nachweisen können, daß nur das Fehlen einer älteren, bessern Vers-
lehre seine zerstörende Wirkung erklärt, und daß die Dichter vor dem
Silbenzählen ihre Verse nach dem Ohr bauten, den werden die Versuche,
solche unverbrüchlichen Gesetze für die Blütezeit nachzuweisen, kaum gläu-
big machen. Daß ich unter den gegebenen Verhältnissen von den vermut-
lichen Durchschnittsformen seltener abweichen durfte, als wahrscheinlich
Hartmann selbst getan hat, liegt auf der Hand. Aber ich will lieber
Zweifel bekennen als Unsicherheiten verdecken; ich habe daher von dem
schon mittelalterlichen Recht der Schreibung Gebrauch gemacht, alter-
tümlicher und schulmäßiger zu sein als die Aussprache.
 
Annotationen