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merksamkeit neuerdings wieder auf den unvergleichlichen Erzähler gelenkt hatten, ist ihm von Prof.
Dr. J. Baechtold1) in dem Vorwort zu der vollständigen Edition Joh. Casp. Schweizer’s eine noch
eingehendere literarische Würdigung und Anerkennung zu Theil geworden, auf welche wir hier alle
Diejenigen verweisen möchten, die zufälligerweise mit Hess und seinen bedeutenderen Werken noch
nicht näher bekannt geworden sein sollten.
Die Freundschaft mit Sigmund v. Wagner (geb. in Bern 12. Okt. 1759, gest. daselbst 11. Sept. 1835)
datirt aus den Jahren 1799—1803, da Wagner sich in Zürich aufhielt, um sich, wie wohl bereits im reifem
Alter stehend, in verschiedenen Kunstzweigen auszubilden. Er wurde damals mit den Zürcher Künstlern
und Kunstfreunden, mit Martin üsteri, David Hess, Hch. Fuessli, H. Lips, Inspektor Horner, Dr. Ebel u. a.,
deren harmlose Lebensanschauung und warme Freude an Kunst und Natur ihm überaus sympathisch
war, eng befreundet. Daneben scheint er sich in einem kleinen geselligen Kreise, der sich um die
Familie des bekannten Arztes Dr. Zwingli sammelte, und dem neben David Hess namentlich eine in der
Korrespondenz vielgenannte Frau Rathsherr Ott2) («unsere schöne Freundin im Zeltweg») als belebendes
Element angehörte, besonders wohl gefühlt zu haben. Auch hier waren Kunst und Literatur Haupt-
gegenstand des Interesses und der Unterhaltung3).
Nach Bern zurückgekehrt, lebte Wagner, so gut es gehen wollte, von der kleinen Pension, die
er als früherer Spitalschreiber bezog, sowie dem bescheidenen Gehalt eines obrigkeitlichen Büclier-
Censors und betrieb daneben einen, freilich von den Zeitereignissen vielfach gestörten Kunsthandel.
Vieles sammelte er auch für sich selbst und überliess später einen Theil seiner Kunstsachen der Regierung
zur Begründung der öffentlichen Kunstsammlung, deren Stiftung er angelegentlichst empfohlen hatte.
Den Anregungen seines lebhaften, unternehmenden Geistes verdankt Bern überdiess eine Reihe trefflicher
1) Joh. Casp. Schweizer, ein Charakterbild aus dem Zeitalter der französischen Revolution von David Hess. Ein-
geleitet und herausgegeben von Jakob Baechtold. Berlin, Herz. 1884.
2) Dorothea Ott-Esslinger, geb. 1774, gest. 1821. Ihr Gemahl war Mitglied des Grossen Rathes und Amtmann am
Obmannamt. f 1820. Nicht zu verwechseln mit der Freundin Hegner’s, der talentvollen Malerin Frau Rathsherr Ott-
Hirzel.
3) Im Besitze des Herrn C. L. Friedrich v. Fischer findet sich im Manuscript die in Briefform verfasste Beschreibung
einer von Zürich aus unternommenen Heise zum Rheinfall im Oktober 1802, jedenfalls für den Druck bestimmt, in welcher
Wagner einlässlich von seinem Besuch bei dem bekannten Kunstfreund und Sammler, PfarrerVeith in Andelfingen berichtet
und mit Begeisterung einzelne Stücke seiner Sammlung (Gonaches von Hess, Sal. Gessner, Porträts v. Graff, Karrikaturen
von H. Lips, Federzeichnung von Rembrandt — Jesus vor den Pharisäern und Schriftgelehrten im Tempel —) schildert.
Ebenso ist ein grosser Theil der Reisebeschreibung dem Besuch der Sammlung des Junker Rathsherrn Ziegler in Schafthausen
gewidmet und es ist charakteristisch für Wagner, was ei' anschliessend an diese Episode seiner Reise vom Sammeln und
Geniessen der Kunstwerke überhaupt sagt:
« Sie wissen, mein Lieber, dass alle wahren Kenner, ja selbst alle mit einem bloss gesunden, natürlichen Sinn begabten
Liebhaber, welche gewöhnlich angefangen haben, ihre Cartons mit den auf den ersten Blick blendenden Arbeiten der
neuern Kupferstecher, besonders der Engländer, ja selbst eines Wollets und Wille’s zu füllen, am Ende dennoch dieser
Blätter überdrüssig werden und dieselben zu Dekorationen ihrer Vorzimmer verwenden, dagegen aber täglich mehr Genuss
und Wohlgefallen an den anfänglich unscheinbaren, aber naturvollen Eaux Fortes eines Waterloo, Swanefeld, Both, van
Everdingen und anderer solcher Künstler finden. Dergleichen Betrachtungen und Gespräche, in welchen wir immer
auf’s Vollkommenste harmonirten, würzten uns mehrere Stunden lang das Durchblättern seiner zahlreichen Cartons. Sachen,
die ich hundert mal gesehen hatte, an denen ich in meinen eigenen Schachteln oft- gedankenlos vorübergehe, wurden mir
hier, wo ein aufgeklärtes Mitgeniessen meine Augen und meine Fühlkraft schärfte, wieder neu ; ich entdeckte in manchem
Blatt mit Entzücken neue, sonst unbemerkte Schönheiten, fand mit Scharfsinn in Gesellschaft Fehler auf, die mir bis dahin
immer entgangen waren, und bereicherte so in wenig Stunden durch Mittheilung meine Erfahrungen und Einsichten mehr,
als ich in Wochen und Monaten, ohne einen theilnehmenden Freund an meiner Seite, nicht thue. »
Der Reisebeschreibung ist auch eine längere Untersuchung beigegeben, ob die Schilderung des Rheinfalls ein geeigneterer
Vorwurf für die Malerei oder für die Dichtkunst sei. Sie enthält einige wahre und originelle Beobachtungen, ist aber
im Uebrigen kaum mehr nach dem Geschmack unserer Zeit.
 
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