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betont zu werden. Wenn Karl IV. nach der genauesten Regelung aller für die Stellung der Capitelmitglieder wichtigen
Verhältnisse des Gottesdienstes und der Einkünfte auch auf gewisse Sonderauszeichnungen seiner Schöpfung zu sprechen kam
und eigentlich nur Erzbischöfen und Bischöfen die Darbringung des Messopfers in der Kreuzkapelle zugestanden wissen wollte,
in deren Thurmgebäude keine Frau übernachten durfte, ’) so hätte sich ihm gewiss nicht minder von selbst die Gelegenheit
ergeben, neben so vielen eingehend berührten anderen Fragen in ähnlicher Weise der Beziehung der neuen Burg zum
Gralcultus zu gedenken, falls eine solche überhaupt vorschwebte und irgendwie Berücksichtigung finden sollte. Gerade
eine Urkunde, welche »uere felicem salutiferi Crucis aram margaritis eximijs sanguine Christi uenerantibus expolitam«
oder den Kreuzesnagel »rutilantissimo rosei cruoris stillicidio purpuratum« apostrophierte, durfte eigentlich an dem
gerade auf das Blut Christi sich stützenden Gralcultus gar nicht wortlos vorübergehn, vorausgesetzt, dass derselbe gewisse
Anlagegedanken des von dem im Lande bisher Üblichen stark abweichenden Baues bestimmte. Ja, der die Hingabe an
das Äußere der Religionsübung so entschieden betonende Kaiser hätte bei seiner sonst überall bethätigten Reliquien-
verehrung®) gewiss nicht darauf verzichtet, die Beziehung zu einem Cultus hervorzuheben, der mit einer so kostbaren,
durch Christi Blut geheiligten Reliquie zusammenhieng. Sowohl die klaren Bestimmungen und Ausnahmsverfügungen
Karls IV. betreffs Karlsteins als auch sein vollständiges Schweigen über irgend einen Zusammenhang der Burg mit der
Gralverehrung und ihrem Hauptorte Montsalvage3) berechtigen zweifellos zu dem Schlüsse, dass eine gerade von dem
kaiserlichen Bauherrn niemals berührte Beziehung, für deren Betonung die Gelegenheit durchaus nicht fehlte, sondern
ganz von selbst sich ergeben hätte und gewiss nicht unbenützt geblieben wäre, überhaupt weder bestanden haben noch
je beabsichtigt gewesen sein kann. Das Vorhandensein einer solchen und die Absicht des Kaisers, Karlstein mit dem
Gralgedanken in Verbindung zu setzen, konnten aber auch Zeitgenossen nicht verborgen bleiben, welche die Kunst-
unternehmungen des Herrschers mit unbestreitbarem Interesse begleiteten, über die sie hauptsächlich bestimmenden
Absichten nach ihrer Stellung gut unterrichtet sein konnten und insbesondere Angaben über die Kunstschöpfungen des
Zeitalters der Aufzeichnung und Überlieferung an die Nachwelt wert hielten. Der so viele wichtige Kunstnachrichten
überliefernde Benesch von Weitmil, der um den Prager Dombau hochverdiente, dem Kunstleben selbst nahe stehende
Prager Dombaudirector, berichtet zwar über den prächtigen und stark befestigten Bau Karlsteins sowie über den Gold-,
Edelstein- und Bilderschmuck der großen, im oberen Thurme liegenden Kapelle, kennt die Burg aber sonst nur noch
als Aufbewahrungsort der deutschen Reichskleinodien und der königlichen Schätze, zu denen natürlich auch die Reliquien
zählten. Diese Auffassung hielt auch später4) noch vor. Sogar Johann von Marignola, der bei sei seinem vertrauten
Verkehre mit Karl IV.5) gerade während der ersten Hälfte der Karlsteiner Bauzeit Näheres über die den Bauherrn
bestimmenden Gedanken erfahren konnte und sich über die Karlsteins Ausschmückung beeinflussenden Einzelheiten sowie
über die Denkweise des Kaisers gut unterrichtet zeigt,6) weiß über eine Hinneigung Karls IV. zum Gralcultus, die wohl
die erste Vorbedingung für die erörterte Beziehung sein müsste, weder etwas anzudeuten noch auszuführen; eine solche
lässt sich auch aus keiner Stelle der so interessanten Selbstbiographie Karls IV. erweisen und konnte wohl, da sie überhaupt
nicht vorhanden gewesen zu sein scheint, die Anlage Karlsteins keineswegs irgendwie bestimmen, die offenbar von jeder
»Erinnerung an die im Titurel geschilderte wunderbare Burg Montsalvage« ganz unabhängig geblieben ist.
Weit besser begründet ist die zuerst von Bock aufgestellte Ansicht,7) dass vielleicht der Palast der Päpste zu
Avignon der Karlsteiner Burg zum Vorbilde gedient habe, wenn sich auch in Böhmen dasjenige, was im Süden als
überwältigender Monumentalbau ausgeführt wurde, auf einen beträchtlich kleineren Maßstab beschränkte. Wie in
Avignon innerhalb wohlbefestigter Mauern außer den Wohngebäuden mit den für die Verrichtung der Privatandacht
bestimmten Kapellen größere gottesdienstliche Räume zur Unterbringung der Reliquien und zur Abhaltung des regel-
mäßigen Capitelchordienstes sich befanden und Befestigungskunst und Kirchenbaukunst einander gleichsam die Hand
reichten, so schwebte nicht minder für Karlstein die Vereinigung des fürstlichen Repräsentationsbaues mit einer
Cult- und Reliquienstätte vor. Drei kleinere Kapellen, die für den Gottesdienst des Capitels besonders in Aussicht
genommene Marienkirche, die zunächst der Aufbewahrung von Reliquien und Schätzen gewidmete Kreuzkapelle sowie der
Palas mit den Wohnräumen des Kaisers, die Gebäude für die Unterbringung des Gefolges und der Geistlichkeit zeigen
selbst in der Anordnung merkwürdige Berührungspunkte mit dem Papstbaue in Avignon; hier konnte der Papst, in
Karlstein der Kaiser aus den Wohnräumen in unmittelbar benachbarte Kapellen zu Andachtsübungen sich zurückziehn.
Dass dieselben reich mit Malereien geschmückt waren, denen an beiden Orten augenscheinlich uneingeschränkte Entfaltung
gegönnt wurde, erhöht die Übereinstimmung umsomehr, als selbst für Einzelheiten, wie die Anordnung der Wandbilder

>) Grueber, Kunst d. Mittelalters i. Böhmen, TU. S. 65 bezieht das Verbot auf die ganze Burg, obzwar der Wortlaut der unmittelbar daneben
mitgetheilten Belegstelle nur auf den Thurm, in welchem die Kreuzkapelle liegt, gedeutet werden kann. — 2) Dass gerade die Reliquienverehrung
und die Reliquienaufbewahrung bei der Erbauung Karlsteins hervorragend in Frage kamen, wird auch anderweitig bestätigt; Rom, Vaticanisches Archiv,
Suppl. Reg. Innocentii VI. a. V. I. Bl. 128. (18. Mai 1357.) Supplicat S. V. • • Karolus • • quatenus, cum ipse in capella regia sita in Castro Karlstein
Prag, diocesis, in qua • • has reliquias • • collocavit etc. — 3) Messmer, Mittheilungen d. k. k. Centralcommission, 18. Jahrg. (Wien 1873) S. 55 hebt
sehr zutreffend hervor, dass die Architektur der Karlsteiner Kreuzkapelle keine Spur von dem complicierten Graltempel an sich trage. — 4) Anonymus
continuator Pulkavae ab anno 1346 usque 1378 in Dobners Monumenta historica Boemiae nusquam antehac edita, IV. (Prag 1779) S- 140.
Edificavit castrum Carlstein, in illo capellam preciosam construxit, in qua regni clenodia et reliquie asseruabantur, est enim castrum formosum et muni-
tum. s) Friedjung, Karl IV. und sein Antheil am geistigen Leben seiner Zeit. (Wien 1876) S. 220—221. — 6) Johannis de Marignola chro-
nicon. Fontes rerum Bohemicarum. III. (Prag 1882) S. 521—522. — ’) Bock, Schloss Karlstein in Böhmen a. a. O- S. 69 bis 71.
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