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SIGRID SCHMITT
Ungeldes, die jedoch im Kern die gleichen Besteuerungsgegenstände betreffen: Getreide
beziehungsweise Mehl aller Art, Wein, von dem sowohl beim Ausschank als auch im
Hausverbrauch ein Ungeld sowie ein Pforten- und Leggeld zu zahlen ist, ferner weitere
wichtige Verbrauchsgüter wie Fleisch, Butter, Wolle, Tuche usw.
Diese auch in anderen Städten anzutreffende Bevorzugung von Verbrauchssteuern auf
Grundnahrungsmittel an Stelle der Vermögenssteuer war eine ausgesprochen unsoziale Maß-
nahme48, die nicht ohne Auswirkung auf den inneren Frieden der betroffenen Städte bleiben
konnte, wie am Beispiel Neustadts noch zu zeigen ist. Die Schwerpunktverlagerung von der
Bede zum Ungeld enthielt aber neben der unsozialen auch eine soziale Komponente: Die
weitgehende Steuerfreiheit von Adel und Klerus, die in vielen Städten zu erbitterten Auseinan-
dersetzungen führte, wurde damit praktisch umgangen49. Während die Alzeyer Ordnung
überhaupt keine Ausnahmeregelung für Adel und Klerus erkennen läßt, ist in der Neustadter
einzig die Klausel aufgenommen, daß die Priesterschaft für Brot, das sie oder ihre Hausange-
hörigen selbst verbrauchen, kein Ungeld zahlen muß50. In Heidelberg sind Adel, Geistlichkeit
und Studenten vom Hausungeld auf Wein befreit, wollen sie aber Wein ausschenken, müssen
sie wie jeder andere ihr Ungeld entrichten. Der Pfalzgraf verpflichtet sich sogar, außer
Kanzler, Protonotar und Sekretären, insgesamt nicht mehr als acht Personen, niemanden vom
Ungeld zu befreien, behält sich allerdings weitere Privilegierungen der Universität und des
Heiliggeist-Stiftes vor51. Sowohl die Besteuerung der Unterschichten als auch die von Adel
und Klerus zielte auf eine Begünstigung des wohlsituierten Bürgertums in den Städten hin, das
mit dieser Ordnung finanziell deutlich entlastet wurde, denn von der nun weggefallenen Bede
hatten die Besitzbürger ja den Löwenanteil tragen müssen.
Eine ganz ähnliche Ungeldordnung stellte 1489 übrigens Pfalzgraf Philipp auch für
Weinheim aus, allerdings ohne die Stadt von der Schatzung zu befreien und unter dem
Vorbehalt, daß sein Anteil am Ungeld einen mindestens ebenso hohen Betrag einbringen
müsse, wie er bislang aus der Bede gehabt habe. Hier wurden Adel und Klerus auch lediglich
für den Ausschank von Wein besteuert, ansonsten waren sie in Weinheim vom Ungeld völlig
befreit52.
Außer der Neuordnung des Steuerwesens enthalten die drei Urkunden Friedrichs I. für
alle drei Städte im wesentlichen gleichlautende Privilegien, nämlich erstens die Zusicherung,
daß der Pfalzgraf und seine Leute keynen burg(er) oder inwone(r) ... und ir nachkom(m)en
itzunt od(er) hernach mals an ire libe, gutte(r) und eren nit leydigen, schedigen, angriffen,
thorne(n) oder blochen sollen oder wollen, es sij dann durch ritte(r) und burg(er) rat und
gericht daselbst mit recht uß getragen und geussert worden53 - eine Art habeas-corpus-Akte
48 E. Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, Stuttgart 1988, S. 174; F. Ebel, Gesetzgebung
und Verwaltungshoheit in ausgewählten mittel- und ostdeutschen Städten während des Mittelalters, in:
Chittolini, Willoweit (wie Anm.36) S. 99-111, hier S. 109, sieht die Konzentration auf indirekte
Steuern geradezu als typisch für die süd- und westdeutschen Städte an, wogegen er die Realsteuern als
Haupteinnahmequelle ostdeutscher Städte kontrastiert am Beispiel von Breslau.
49 Vgl. auch Probst (wie Anm. 29) S. 363.
50 Böhn, Quellen (wie Anm. 15) S. 59.
51 Mone (wie Anm. 27) S. 390f., 397.
52 Mone (wie Anm. 27) S. 306-311 (1489 Dezember 7). Vgl. auch GLA 66/3486, f. 12v.
53 GLA 67/812, f. 23’ (zitiert nach der Alzeyer Ordnung, die anderen inhaltlich gleich).
SIGRID SCHMITT
Ungeldes, die jedoch im Kern die gleichen Besteuerungsgegenstände betreffen: Getreide
beziehungsweise Mehl aller Art, Wein, von dem sowohl beim Ausschank als auch im
Hausverbrauch ein Ungeld sowie ein Pforten- und Leggeld zu zahlen ist, ferner weitere
wichtige Verbrauchsgüter wie Fleisch, Butter, Wolle, Tuche usw.
Diese auch in anderen Städten anzutreffende Bevorzugung von Verbrauchssteuern auf
Grundnahrungsmittel an Stelle der Vermögenssteuer war eine ausgesprochen unsoziale Maß-
nahme48, die nicht ohne Auswirkung auf den inneren Frieden der betroffenen Städte bleiben
konnte, wie am Beispiel Neustadts noch zu zeigen ist. Die Schwerpunktverlagerung von der
Bede zum Ungeld enthielt aber neben der unsozialen auch eine soziale Komponente: Die
weitgehende Steuerfreiheit von Adel und Klerus, die in vielen Städten zu erbitterten Auseinan-
dersetzungen führte, wurde damit praktisch umgangen49. Während die Alzeyer Ordnung
überhaupt keine Ausnahmeregelung für Adel und Klerus erkennen läßt, ist in der Neustadter
einzig die Klausel aufgenommen, daß die Priesterschaft für Brot, das sie oder ihre Hausange-
hörigen selbst verbrauchen, kein Ungeld zahlen muß50. In Heidelberg sind Adel, Geistlichkeit
und Studenten vom Hausungeld auf Wein befreit, wollen sie aber Wein ausschenken, müssen
sie wie jeder andere ihr Ungeld entrichten. Der Pfalzgraf verpflichtet sich sogar, außer
Kanzler, Protonotar und Sekretären, insgesamt nicht mehr als acht Personen, niemanden vom
Ungeld zu befreien, behält sich allerdings weitere Privilegierungen der Universität und des
Heiliggeist-Stiftes vor51. Sowohl die Besteuerung der Unterschichten als auch die von Adel
und Klerus zielte auf eine Begünstigung des wohlsituierten Bürgertums in den Städten hin, das
mit dieser Ordnung finanziell deutlich entlastet wurde, denn von der nun weggefallenen Bede
hatten die Besitzbürger ja den Löwenanteil tragen müssen.
Eine ganz ähnliche Ungeldordnung stellte 1489 übrigens Pfalzgraf Philipp auch für
Weinheim aus, allerdings ohne die Stadt von der Schatzung zu befreien und unter dem
Vorbehalt, daß sein Anteil am Ungeld einen mindestens ebenso hohen Betrag einbringen
müsse, wie er bislang aus der Bede gehabt habe. Hier wurden Adel und Klerus auch lediglich
für den Ausschank von Wein besteuert, ansonsten waren sie in Weinheim vom Ungeld völlig
befreit52.
Außer der Neuordnung des Steuerwesens enthalten die drei Urkunden Friedrichs I. für
alle drei Städte im wesentlichen gleichlautende Privilegien, nämlich erstens die Zusicherung,
daß der Pfalzgraf und seine Leute keynen burg(er) oder inwone(r) ... und ir nachkom(m)en
itzunt od(er) hernach mals an ire libe, gutte(r) und eren nit leydigen, schedigen, angriffen,
thorne(n) oder blochen sollen oder wollen, es sij dann durch ritte(r) und burg(er) rat und
gericht daselbst mit recht uß getragen und geussert worden53 - eine Art habeas-corpus-Akte
48 E. Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, Stuttgart 1988, S. 174; F. Ebel, Gesetzgebung
und Verwaltungshoheit in ausgewählten mittel- und ostdeutschen Städten während des Mittelalters, in:
Chittolini, Willoweit (wie Anm.36) S. 99-111, hier S. 109, sieht die Konzentration auf indirekte
Steuern geradezu als typisch für die süd- und westdeutschen Städte an, wogegen er die Realsteuern als
Haupteinnahmequelle ostdeutscher Städte kontrastiert am Beispiel von Breslau.
49 Vgl. auch Probst (wie Anm. 29) S. 363.
50 Böhn, Quellen (wie Anm. 15) S. 59.
51 Mone (wie Anm. 27) S. 390f., 397.
52 Mone (wie Anm. 27) S. 306-311 (1489 Dezember 7). Vgl. auch GLA 66/3486, f. 12v.
53 GLA 67/812, f. 23’ (zitiert nach der Alzeyer Ordnung, die anderen inhaltlich gleich).