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Treffeisen, Jürgen [Editor]
Landesherrliche Städte in Südwestdeutschland — Oberrheinische Studien, Band 12: Sigmaringen: Thorbecke, 1994

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Trugenberger, Volker: Ob den portten drey hirschhorn in gelbem veld – Die württembergische Amtsstadt im 15. und 16. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.52730#0162
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156

VOLKER TRUGENBERGER

1600149) immer ein Adliger war, und das eines nichtadligen Untervogts150. Eine weitere
gezielte Maßnahme zur Kontrolle der Bezirksbeamten war die personelle Trennung zwischen
Vogt- und Kelleramt, auf die Herzog Ulrich nach 1534 Wert gelegt zu haben scheint151.
In der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts gab es keine landesweiten sozialen oder
politischen Unruhen mehr. Der Ausbau und die Verfestigung der landesherrlichen Zentralver-
waltung brachte mit den neugeschaffenen Oberbehörden eine weitere Kontrollinstanz für die
landesherrlichen Bezirksbeamten. Bürgerunruhen in einzelnen Städten, so in Murrhardt
1564/65 oder in Bietigheim 1573/75152, sind aber Ausdruck eines latenten Unmuts in der
städtischen Bevölkerung, der auch in einer Bemerkung über die Kirchenvisitation in Leonberg
1590 greifbar ist: Etlichen von der gemein soll es nit gefallen, das der vogt, Stattschreiber,
gaistlich Verwalter (so auch im gericht) und ein burgermaister Schwäger seien153 154. Und in der
>Trias Wirttembergica<, einer zeitgenössischen Sprüchesammlung, was in Württemberg zu
loben und zu tadeln sei, heißt es unter Anspielung auf die enge Versippung der führenden
Theologen und Beamten gegen Ende des 16.Jahrhunderts: Drei ding hindern iustitiam in
Wirttenberg: verschwegerte theologi, verschwegerte politici, blinder bericht1511. Da konnte man
sich nur mit einem weiteren Spruch trösten: Drei ding werden Wirttenberg schirmen: ain
frumer fürst, trewen undertonen, Gottes segen155.

149 Bei dieser Ausnahme handelt es sich um Burkhard Stickel, Obervogt in Leonberg 1592-1613. Stickel
wurde wohl mit diesem Amt betraut, weil man ihn wegen seiner militärischen Erfahrungen als Söldner-
führer in württembergischen Diensten halten wollte.
150 Vgl. Decker-Hauff, Ehrbarkeit (wie Anm. 30) S. 96-99, und Deetjen (wie Anm. 5) S. 68. Mit der
Institutionalisierung des Obervogtamts gelang es Herzog Ulrich im übrigen auch, den Adel, der sich in
den Jahrzehnten zuvor der württembergischen Landeshoheit hatte entziehen können, durch Versorgungs-
stellen an sich zu binden, die der Adel seinerseits zur wirtschaftlichen und politischen Existenzsicherung
brauchte (vgl. Trugenberger, Zwischen Schloß und Vorstadt (wie Anm. 18) S. 80f.).
151 1542 war das Vogtamt vom Kelleramt in den Ämtern Stuttgart, Urach, Vaihingen, Schorndorf,
Göppingen, Kirchheim, Herrenberg, Leonberg und Tübingen sowie in dem Klosteramt Maulbronn
getrennt, bis auf Stuttgart im übrigen alles Ämter, in denen der bürgerliche Vogt als Untervogt amtierte; in
den übrigen Ämtern nahmen die Vögte auch die Aufgaben eines Kellers wahr (HStAS A 17 Bü 22
(Zusammenstellung der abzuhörenden Rechnungen 1542); vgl. für Leonberg Trugenberger, Zwischen
Schloß und Vorstadt (wie Anm. 18) S. 83).
152 G. Fritz, Murrhardter Bürgeraufstände des 16. Jahrhunderts, in: WürttFranken 67 (1983) S. 55-71;
H. Roemer, Bäckerunruhen in Bietigheim 1573/75, in: Hie gut Württemberg (BeilLudwigsburger-
Kreisztg) 6 (1955) S. 10-12; E. Mickler, Bietigheim in seiner Blütezeit bis zum Ausbruch des 30jährigen
Krieges, in: Bietigheim 789-1989. Beiträge zur Geschichte von Siedlung, Dorf und Stadt, hg. von der Stadt
Bietigheim-Bissingen (SchrrReiheArchStadtBietigheim-Bissingen 3), Bietigheim-Bissingen 1989,
S. 217-316, hier S. 298-300.
153 LandeskirchlArchivStuttgart A 1, Synodusprotokoll 1590, fol. 151; vgl. Trugenberger, Zwischen
Schloß und Vorstadt (wie Anm. 18) S. 107.
154 K. Steiff, G. Mehring (Hgg.), Geschichtliche Lieder und Sprüche Württembergs, Stuttgart 1912,
S. 490. Unter blinder bericht ist wohl gemeint, daß die Amtleute Berichte nach Stuttgart schickten, die auf
den jeweiligen Sachverhalt keine Rücksicht nahmen.
155 Ebenda S. 494.
 
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