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UWE SCHMIDT
Zahlreiche Soldaten der Schwäbischen Legion kehrten noch im Sommer 1849 nach
Württemberg zurück, meist über Friedrichshafen, wo sie den Polizeibehörden übergeben
und in der Regel zu weiteren Verhören in ihre Heimatoberämter überstellt wurden. Der
aus Langenau bei Ulm stammende, 22 Jahre junge Schuhmachergeselle Christian Fischer
kehrte nach sechs Wochen Exil zurück, wurde verhaftet und an das Oberamtsgericht Ulm
überstellt. Während des Verhörs verteidigte er seine republikanische Grundüberzeugung
und stand zu seinem Eintreten für die badische Revolution. Dennoch behandelte das
Gericht Fischer vergleichsweise milde; es stellte ihn lediglich unter Polizeiaufsicht, wozu
sicherlich die Tatsache beitrug, dass Fischer bei dem Schuhmachermeister Jakob Röser in
seiner Heimatstadt Arbeit gefunden hatte34. Auch in größeren Gruppen kehrten die Frei-
schärler nach Württemberg zurück. Am 2. August erreichten 42 überwiegend aus Reut-
lingen stammende Revolutionssoldaten Friedrichshafen, und drei Tage später meldete das
Oberamt Tettnang, daß am Vortag 43 mit Ausweisen des Flüchtlings-Komitees in Winter-
thur versehene Freischärler von Romanshorn aus nach Friedrichshafen gelangt seien. Alle
Rückkehrer gehörten der 1. und 2. Kompagnie der Schwäbischen Legion an und stamm-
ten aus über 20 verschiedenen Oberämtern in ganz Württemberg35.
Vom harten Los des Exils blieben nicht wenige, und nicht nur aus der großen Zahl der
unbekannten Flüchtlinge heraustretende und im Revolutionsgeschehen profilierte Per-
sönlichkeiten, verschont. Ende Oktober 1849 wurden in Zürich 27, in Appenzell zwei, in
St. Gallen neun und in Aarau acht Mitglieder der Schwäbischen Legion gezählt36. Der
Schuhmacher Karl Weiß aus Ulm lebte im Oktober 1849 in Zürich und war nur unter der
Bedingung einer Amnestie bereit, nach Württemberg zurückzukehren37. Die Spur des
Ulmer Handelsmannes Karl Dietrich verliert sich Ende 1849 im Kanton Waadt; über sein
weiteres Schicksal ist nichts bekannt38.
Georg Bernhard Schifterling flüchtete ebenfalls Anfang Juli 1849 in die Schweiz. Am
12. Juli wurde er mit 414 Flüchtlingen von Kreuzlingen nach St. Gallen überführt. Den-
noch war er weiter politisch aktiv, denn im Dezember 1849 wurde das Oberamt Tettnang
beim württembergischen Außenminister vorstellig, dafür zu sorgen, daß Schifterling von
der Grenze weg in das Innere der Schweiz verwiesen werde. Tatsächlich hatte Schifterling,
der mittlerweile in Tablat bei St. Gallen im Wirtshaus Zum Falken lebte und dort als Bier-
brauer seinen Lebensunterhalt verdiente, versucht, Versammlungen der Exilanten zu
organisieren. Als ihm die St. Gallener Behörden im Sommer 1850 keine Aufenthaltsge-
nehmigung mehr ausstellten, entschloß er sich zur endgültigen Auswanderung in die
USA. Am 19. Juli 1850 verließ er Bern und genau zehn Tage später schiffte er sich in Le
Havre auf der Gallia in Richtung New York ein. Dennoch verzichtete die württembergi-
sche Justiz nicht auf eine Verurteilung des Revolutionärs. Wegen Teilnahme an einem
hochverräterischen Angriff im Großherzogtum Baden und wegen des Verbrechens des
Hochverrats vorbereitender Handlungen verurteilte ihn der Esslinger Criminalrat 1852 in
34 StAL, E 319, Bü 73, Beschluss des Oberamtsgerichts v. 8.9.1849 und Verhörprotokoll v.
24.10.1849.
35 HStAS, E 146/2, Bü 1933, Berichte des Oberamts Tettnang v. 3. und 5.8.1849.
36 HStAS, E 65, Bü 236, Unterfasz. 5, Liste der Flüchtlinge in der Schweiz v. 27.11.1849.
37 Ebd., Liste der württembergischen Flüchtlinge in der Schweiz, Oktober 1849.
38 Ebd., Liste der württembergischen Flüchtlinge in der Schweiz v. 21.11.1849 (= E 301, Bü 245/1).
UWE SCHMIDT
Zahlreiche Soldaten der Schwäbischen Legion kehrten noch im Sommer 1849 nach
Württemberg zurück, meist über Friedrichshafen, wo sie den Polizeibehörden übergeben
und in der Regel zu weiteren Verhören in ihre Heimatoberämter überstellt wurden. Der
aus Langenau bei Ulm stammende, 22 Jahre junge Schuhmachergeselle Christian Fischer
kehrte nach sechs Wochen Exil zurück, wurde verhaftet und an das Oberamtsgericht Ulm
überstellt. Während des Verhörs verteidigte er seine republikanische Grundüberzeugung
und stand zu seinem Eintreten für die badische Revolution. Dennoch behandelte das
Gericht Fischer vergleichsweise milde; es stellte ihn lediglich unter Polizeiaufsicht, wozu
sicherlich die Tatsache beitrug, dass Fischer bei dem Schuhmachermeister Jakob Röser in
seiner Heimatstadt Arbeit gefunden hatte34. Auch in größeren Gruppen kehrten die Frei-
schärler nach Württemberg zurück. Am 2. August erreichten 42 überwiegend aus Reut-
lingen stammende Revolutionssoldaten Friedrichshafen, und drei Tage später meldete das
Oberamt Tettnang, daß am Vortag 43 mit Ausweisen des Flüchtlings-Komitees in Winter-
thur versehene Freischärler von Romanshorn aus nach Friedrichshafen gelangt seien. Alle
Rückkehrer gehörten der 1. und 2. Kompagnie der Schwäbischen Legion an und stamm-
ten aus über 20 verschiedenen Oberämtern in ganz Württemberg35.
Vom harten Los des Exils blieben nicht wenige, und nicht nur aus der großen Zahl der
unbekannten Flüchtlinge heraustretende und im Revolutionsgeschehen profilierte Per-
sönlichkeiten, verschont. Ende Oktober 1849 wurden in Zürich 27, in Appenzell zwei, in
St. Gallen neun und in Aarau acht Mitglieder der Schwäbischen Legion gezählt36. Der
Schuhmacher Karl Weiß aus Ulm lebte im Oktober 1849 in Zürich und war nur unter der
Bedingung einer Amnestie bereit, nach Württemberg zurückzukehren37. Die Spur des
Ulmer Handelsmannes Karl Dietrich verliert sich Ende 1849 im Kanton Waadt; über sein
weiteres Schicksal ist nichts bekannt38.
Georg Bernhard Schifterling flüchtete ebenfalls Anfang Juli 1849 in die Schweiz. Am
12. Juli wurde er mit 414 Flüchtlingen von Kreuzlingen nach St. Gallen überführt. Den-
noch war er weiter politisch aktiv, denn im Dezember 1849 wurde das Oberamt Tettnang
beim württembergischen Außenminister vorstellig, dafür zu sorgen, daß Schifterling von
der Grenze weg in das Innere der Schweiz verwiesen werde. Tatsächlich hatte Schifterling,
der mittlerweile in Tablat bei St. Gallen im Wirtshaus Zum Falken lebte und dort als Bier-
brauer seinen Lebensunterhalt verdiente, versucht, Versammlungen der Exilanten zu
organisieren. Als ihm die St. Gallener Behörden im Sommer 1850 keine Aufenthaltsge-
nehmigung mehr ausstellten, entschloß er sich zur endgültigen Auswanderung in die
USA. Am 19. Juli 1850 verließ er Bern und genau zehn Tage später schiffte er sich in Le
Havre auf der Gallia in Richtung New York ein. Dennoch verzichtete die württembergi-
sche Justiz nicht auf eine Verurteilung des Revolutionärs. Wegen Teilnahme an einem
hochverräterischen Angriff im Großherzogtum Baden und wegen des Verbrechens des
Hochverrats vorbereitender Handlungen verurteilte ihn der Esslinger Criminalrat 1852 in
34 StAL, E 319, Bü 73, Beschluss des Oberamtsgerichts v. 8.9.1849 und Verhörprotokoll v.
24.10.1849.
35 HStAS, E 146/2, Bü 1933, Berichte des Oberamts Tettnang v. 3. und 5.8.1849.
36 HStAS, E 65, Bü 236, Unterfasz. 5, Liste der Flüchtlinge in der Schweiz v. 27.11.1849.
37 Ebd., Liste der württembergischen Flüchtlinge in der Schweiz, Oktober 1849.
38 Ebd., Liste der württembergischen Flüchtlinge in der Schweiz v. 21.11.1849 (= E 301, Bü 245/1).