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FRANK ENGEHAUSEN
»Deutsche Zeitung« kommentierte49, Ende November 1849. Für die badischen Liberalen
war die Zeit des Abwartens nun vorüber. Die drei in Heidelberg wohnenden Abgeordne-
ten Friedrich Bissing, Häusser und Zittel organisierten für den 9. Dezember eine Ver-
sammlung in Karlsruhe, um über die Kandidatenaufstellung in den Wahlbezirken zu bera-
ten, in denen Neuwahlen anstanden, aber auch um die Präsenz der Partei zu
demonstrieren. Unsere Gegenwart in Karlsruhe treibt den Bürokraten und der Camarilla
immer einigen Angstschweiß aus, teilte Soiron Mathy mit und forderte ihn nachdrücklich
zur Teilnahme auf, weil es der Piepmeierei nach rechts, die sich unter den Fraktionskolle-
gen zeige, entgegenzuwirken gelte50. Über den Verlauf der Versammlung liegen nur weni-
ge Nachrichten vor. Von Kontroversen ist in einem Bericht der »Deutschen Zeitung« vom
12. Dezember jedenfalls nicht die Rede. Über den Weg zur Wiederherstellung eines ver-
fassungsmäßigen Zustandes mit gesetzlichen Bürgschaften gegen die Wiederkehr anarchi-
scher Zustände habe es keine Verschiedenheit der Meinungen gegeben. Die versammelten
Mitglieder der Zweiten Kammer seien sich vielmehr einig gewesen, daß die Zukunft des
Landes in erster Linie durch eine befriedigende Lösung der deutschen Frage bedingt sei.
Vorrangiges Ziel müsse es deshalb sein, die freien Einrichtungen, die in der Paulskirchen-
verfassung wie in dem preußischen Entwurf der Unionsverfassung verbürgt seien, auch
für Baden zu sichern. Was die bevorstehenden Wahlkämpfe betreffe, so bestehe Anlaß zur
Zuversicht. Die constitutionelle Partei habe ihre Organisation durch die vaterländischen
Vereine bewahrt und dadurch eine geregelte Thätigkeit bei den Wahlen gesichert51. Die
Lösung der deutschen Frage zur wichtigsten politischen Aufgabe zu erklären, war eine
auch in tagespolitischer Perspektive plausible Entscheidung, denn einen Tag nach dem
Treffen der liberalen Kammermitglieder in Karlsruhe wurde das Gesetz über die Wahlen
zum ersten Unionsreichstag in Baden veröffentlicht52. Die Erfolgsaussichten der preußi-
schen Unionspolitik hatten sich zwar erheblich verschlechtert, da Hannover und Sachsen
die geplante Einberufung eines Reichstags nach Erfurt boykottierten53; für die badischen
Liberalen stand es jedoch außer Frage, die Union zu unterstützen, auch wenn ihr neben
Preußen nur zwei Dutzend der kleineren deutschen Staaten angehörten und sie zunächst
allenfalls die Keimzelle des angestrebten Nationalstaates darstellte. Dass von badischer
Real, Revolution und Restauration (wie Anm. 29), S. 400f. Die Zahl der liberalen Oppositionellen
unter den derzeit noch 36 verbliebenen Abgeordneten der Zweiten Kammer wurde hier mit zehn
angegeben. Namentlich genannt wurden Bassermann, Mathy und Soiron.
49 Beil, zu Nr. 334, 3. Dezember 1849.
50 BAF, FSg. 1/133, Brief vom 5. Dezember 1849.
51 Deutsche Zeitung Nr. 343, 12. Dezember 1849. Die Zahl der Teilnehmer wird nicht genannt:
man bemerkte die Abg. Soiron, Weicker, Bassermann, Mathy, Häusser, Baum, Zittel, Bissing, Lamey
u. A. Der Berichterstatter der Augsburger Allgemeinen Zeitung (Nr. 347,13. Dezember 1849) nann-
te als Teilnehmer noch Stösser, Huber, Malsch und Dennig. Er bemerkte eine ungleichmäßige regio-
nale Verteilung: Gleichwohl läßt das fast gänzliche Ausbleiben der Oberländer Volksvertreter bei der
gestrigen Versammlung fast vermuthen daß der, früher österreichisch gewesene, Breisgau und See-
kreis ein gemeinsames Wahlbetreiben seiner Vertrauensmänner mit den Gothaern nicht zu seinen
Wünschen rechnet.
52 Vgl. F. L. Sepaintner, Wahlrecht und Wahlen vor der Reichsgründung in Baden: Die Wahl zum
Erfurter Volkshaus 1850 und die Zollparlamentswahl 1868, in: ZGO 147 (1999), S. 637; Wittmer
(wie Anm. 7), S. 268-274.
53 Vgl. Meinecke (wie Anm. 22), S. 340-359.
FRANK ENGEHAUSEN
»Deutsche Zeitung« kommentierte49, Ende November 1849. Für die badischen Liberalen
war die Zeit des Abwartens nun vorüber. Die drei in Heidelberg wohnenden Abgeordne-
ten Friedrich Bissing, Häusser und Zittel organisierten für den 9. Dezember eine Ver-
sammlung in Karlsruhe, um über die Kandidatenaufstellung in den Wahlbezirken zu bera-
ten, in denen Neuwahlen anstanden, aber auch um die Präsenz der Partei zu
demonstrieren. Unsere Gegenwart in Karlsruhe treibt den Bürokraten und der Camarilla
immer einigen Angstschweiß aus, teilte Soiron Mathy mit und forderte ihn nachdrücklich
zur Teilnahme auf, weil es der Piepmeierei nach rechts, die sich unter den Fraktionskolle-
gen zeige, entgegenzuwirken gelte50. Über den Verlauf der Versammlung liegen nur weni-
ge Nachrichten vor. Von Kontroversen ist in einem Bericht der »Deutschen Zeitung« vom
12. Dezember jedenfalls nicht die Rede. Über den Weg zur Wiederherstellung eines ver-
fassungsmäßigen Zustandes mit gesetzlichen Bürgschaften gegen die Wiederkehr anarchi-
scher Zustände habe es keine Verschiedenheit der Meinungen gegeben. Die versammelten
Mitglieder der Zweiten Kammer seien sich vielmehr einig gewesen, daß die Zukunft des
Landes in erster Linie durch eine befriedigende Lösung der deutschen Frage bedingt sei.
Vorrangiges Ziel müsse es deshalb sein, die freien Einrichtungen, die in der Paulskirchen-
verfassung wie in dem preußischen Entwurf der Unionsverfassung verbürgt seien, auch
für Baden zu sichern. Was die bevorstehenden Wahlkämpfe betreffe, so bestehe Anlaß zur
Zuversicht. Die constitutionelle Partei habe ihre Organisation durch die vaterländischen
Vereine bewahrt und dadurch eine geregelte Thätigkeit bei den Wahlen gesichert51. Die
Lösung der deutschen Frage zur wichtigsten politischen Aufgabe zu erklären, war eine
auch in tagespolitischer Perspektive plausible Entscheidung, denn einen Tag nach dem
Treffen der liberalen Kammermitglieder in Karlsruhe wurde das Gesetz über die Wahlen
zum ersten Unionsreichstag in Baden veröffentlicht52. Die Erfolgsaussichten der preußi-
schen Unionspolitik hatten sich zwar erheblich verschlechtert, da Hannover und Sachsen
die geplante Einberufung eines Reichstags nach Erfurt boykottierten53; für die badischen
Liberalen stand es jedoch außer Frage, die Union zu unterstützen, auch wenn ihr neben
Preußen nur zwei Dutzend der kleineren deutschen Staaten angehörten und sie zunächst
allenfalls die Keimzelle des angestrebten Nationalstaates darstellte. Dass von badischer
Real, Revolution und Restauration (wie Anm. 29), S. 400f. Die Zahl der liberalen Oppositionellen
unter den derzeit noch 36 verbliebenen Abgeordneten der Zweiten Kammer wurde hier mit zehn
angegeben. Namentlich genannt wurden Bassermann, Mathy und Soiron.
49 Beil, zu Nr. 334, 3. Dezember 1849.
50 BAF, FSg. 1/133, Brief vom 5. Dezember 1849.
51 Deutsche Zeitung Nr. 343, 12. Dezember 1849. Die Zahl der Teilnehmer wird nicht genannt:
man bemerkte die Abg. Soiron, Weicker, Bassermann, Mathy, Häusser, Baum, Zittel, Bissing, Lamey
u. A. Der Berichterstatter der Augsburger Allgemeinen Zeitung (Nr. 347,13. Dezember 1849) nann-
te als Teilnehmer noch Stösser, Huber, Malsch und Dennig. Er bemerkte eine ungleichmäßige regio-
nale Verteilung: Gleichwohl läßt das fast gänzliche Ausbleiben der Oberländer Volksvertreter bei der
gestrigen Versammlung fast vermuthen daß der, früher österreichisch gewesene, Breisgau und See-
kreis ein gemeinsames Wahlbetreiben seiner Vertrauensmänner mit den Gothaern nicht zu seinen
Wünschen rechnet.
52 Vgl. F. L. Sepaintner, Wahlrecht und Wahlen vor der Reichsgründung in Baden: Die Wahl zum
Erfurter Volkshaus 1850 und die Zollparlamentswahl 1868, in: ZGO 147 (1999), S. 637; Wittmer
(wie Anm. 7), S. 268-274.
53 Vgl. Meinecke (wie Anm. 22), S. 340-359.