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Julius Jüthner
Damit war vonseiten dei ausübenden Kunst ein gewichtiges Bedenken gegen die
Richtigkeit der Überlieferung des berühmten Kunstwerkes geäußert und das Wort hatte
nun die Archäologie. Auf Veranlassung der genannten Künstlerin unternahm es Bruno
Schröder, den neuen Gedanken an der Hand des einschlägigen archäologischen Materials
und durch praktische Versuche auf dem Sportplatz
zu überprüfen4). Er fand die Ansicht des Fräulein
Dihl durchaus bestätigt. Insbesondere glaubte er
aus dem in Castelporziano mitgefundenen Frag-
ment der linken großen Zehe, an der ein Restchen
der alten Plinthe zu erkennen sei, und aus den
Dübellöchern der neuen, aber ebenfalls antiken
Plinthe nachweisen zu können, daß der linke Fuß
an diesem Exemplar tatsächlich auf den Ballen
gestellt war, und er ist überzeugt, daß man hierin
die authentische Überlieferung zu erblicken habe.
Die Ansicht ist nicht unwidersprochen geblie-
ben. In der Aussprache nach Schröders Vortrag
in der Berliner archäologischen Gesellschaft hat
Löschcke an dem Zeugnis des Diskobois Massimi
und der mit ihm übereinstimmenden Repliken
festgehalten, und ausführlich hat Sieveking den
,,Schleiffuß“ verteidigt und in seiner Art erklärt5),
so daß auch Schröders Zuversicht ins Wanken kam und er in einem späteren Aufsatz
gesteht: „Das Zehenbruchstück ist zu unglücklich gebrochen und der Rest der Plinthe
zu gering, um damit etwas beweisen zu können. Es hat uns auch nur bestätigt, was
anderweitig gefunden war“6). Damit ist die Hauptstütze der neuen Ansicht, das Zeugnis
des Exemplars von Castelporziano, stark abgeschwächt. Da Schröder jedoch auch in
seinem kürzlich erschienenen Buche über den Sport im Altertum an seiner Auffassung
festhält, erscheint eine neuerliche Befragung der neuen Fragmente und eine Überprüfung
der „anderweitigen“ Gründe geboten, zumal die wissenschaftliche Kontroverse inzwi-
schen auch in sportliche Kreise gedrungen ist und hier Verwirrung gestiftet hat7).
108: Dihl’sche Wiederherstellung.
4) Schröder im Arch. Anz. 27 (1912) 614 ff.;
derselbe, Zum Diskoboi des Myron, Straßburg 1913,
zitiert: Schröder mit Seitenzahl.
5) J. Sieveking, Münchn. Jahrb. für bild.
Kunst 1916-17 III 234 ff.; derselbe Brunn-Bruck-
mann, Taf. 681 bis 685.
6) Schröder im Arch. Anz. 35 (1920) 61 ff.
(zitiert: Schröder A. A.). Vgl. dort S. 79.
7) Schröder,Sport, n8ff.(s. Anm.3).ErichMindt
in „Die Leibesüb. “ 1925,495 ff., und G. v. Donop ebenda
1928, 432 ff., setzten sich mit voller Überzeugung für
die Dihl-Schröder’sche Auffassung ein, während
Ludwig Gründel ebenda 1926, 371 ff., sie energisch
bekämpft und Sievekings Ansicht den Vorzug gibt.
Julius Jüthner
Damit war vonseiten dei ausübenden Kunst ein gewichtiges Bedenken gegen die
Richtigkeit der Überlieferung des berühmten Kunstwerkes geäußert und das Wort hatte
nun die Archäologie. Auf Veranlassung der genannten Künstlerin unternahm es Bruno
Schröder, den neuen Gedanken an der Hand des einschlägigen archäologischen Materials
und durch praktische Versuche auf dem Sportplatz
zu überprüfen4). Er fand die Ansicht des Fräulein
Dihl durchaus bestätigt. Insbesondere glaubte er
aus dem in Castelporziano mitgefundenen Frag-
ment der linken großen Zehe, an der ein Restchen
der alten Plinthe zu erkennen sei, und aus den
Dübellöchern der neuen, aber ebenfalls antiken
Plinthe nachweisen zu können, daß der linke Fuß
an diesem Exemplar tatsächlich auf den Ballen
gestellt war, und er ist überzeugt, daß man hierin
die authentische Überlieferung zu erblicken habe.
Die Ansicht ist nicht unwidersprochen geblie-
ben. In der Aussprache nach Schröders Vortrag
in der Berliner archäologischen Gesellschaft hat
Löschcke an dem Zeugnis des Diskobois Massimi
und der mit ihm übereinstimmenden Repliken
festgehalten, und ausführlich hat Sieveking den
,,Schleiffuß“ verteidigt und in seiner Art erklärt5),
so daß auch Schröders Zuversicht ins Wanken kam und er in einem späteren Aufsatz
gesteht: „Das Zehenbruchstück ist zu unglücklich gebrochen und der Rest der Plinthe
zu gering, um damit etwas beweisen zu können. Es hat uns auch nur bestätigt, was
anderweitig gefunden war“6). Damit ist die Hauptstütze der neuen Ansicht, das Zeugnis
des Exemplars von Castelporziano, stark abgeschwächt. Da Schröder jedoch auch in
seinem kürzlich erschienenen Buche über den Sport im Altertum an seiner Auffassung
festhält, erscheint eine neuerliche Befragung der neuen Fragmente und eine Überprüfung
der „anderweitigen“ Gründe geboten, zumal die wissenschaftliche Kontroverse inzwi-
schen auch in sportliche Kreise gedrungen ist und hier Verwirrung gestiftet hat7).
108: Dihl’sche Wiederherstellung.
4) Schröder im Arch. Anz. 27 (1912) 614 ff.;
derselbe, Zum Diskoboi des Myron, Straßburg 1913,
zitiert: Schröder mit Seitenzahl.
5) J. Sieveking, Münchn. Jahrb. für bild.
Kunst 1916-17 III 234 ff.; derselbe Brunn-Bruck-
mann, Taf. 681 bis 685.
6) Schröder im Arch. Anz. 35 (1920) 61 ff.
(zitiert: Schröder A. A.). Vgl. dort S. 79.
7) Schröder,Sport, n8ff.(s. Anm.3).ErichMindt
in „Die Leibesüb. “ 1925,495 ff., und G. v. Donop ebenda
1928, 432 ff., setzten sich mit voller Überzeugung für
die Dihl-Schröder’sche Auffassung ein, während
Ludwig Gründel ebenda 1926, 371 ff., sie energisch
bekämpft und Sievekings Ansicht den Vorzug gibt.